Die mid-Zeitreise: Flotter Single - Honda XL 600 RM
22.05.2020
mid Groß-Gerau - Honda hielt sich 1986 mit neuen Motorradmodellen verhalten zurück. Neben dem Topmodell VFR 750 und der CB 450 S kam in diesem Jahr nur noch die Enduro XL 600 RM auf den Markt. Foto: Archiv Motor-Informations-Dienst (mid)
Am 25. August 1986 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) im 31. Jahrgang über die Honda XL 600 RM Enduro.
Honda hielt sich 1986 mit neuen Motorradmodellen verhalten zurück. Neben dem Topmodell VFR 750 und der CB 450 S kam in diesem Jahr nur noch die Enduro XL 600 RM auf den Markt. Die XL 600 RM stellt nun keine komplette Neuentwicklung dar, sondern geht modellgepflegt aus dem Schwestermodell XL 600 R hervor. Als Antriebseinheit steht nach wie vor der luftgekühlte Einzylinder-Viertaktmotor mit seinen vier radial angeordneten Ventilen zur Verfügung. Lediglich ein geändertes Bohrung-/Hub-Verhältnis und mehr Motorschwungmasse sollen im Falle der RM den bekannten Schwächen der 600 R abhelfen und für ein besseres Startverhalten sowie für mehr Durchzugsvermögen sorgen.
Mit mäßigem Erfolg. Zwar springt die 591 ccm-Enduro mit dem E-Starter (oder dem ebenfalls vorhandenen Kickstarter) willig an, missfällt aber mit einer relativ langen Warmlaufphase, während der griffgünstig am Lenker angebrachte Choke gefühlvoll bedient werden will. Auch die Durchzugsqualitäten lassen zu wünschen übrig, zum einen neigt der Eintopf unter 2.000 Umdrehungen gelegentlich zum Absterben und zum anderen gibt er durch Ruckeln kund, dass ihm Drehzahlen unter 3.000 Touren nicht liegen. Doch die Leistungsentfaltung im mittleren und oberen Drehzahlbereich entschädigt dafür. Die mit einem maximalen Drehmoment von 49 Nm bei 5.000 Umdrehungen aufwartende Zwei-Vergaser-Maschine legt sich hier ordentlich ins Zeug und dreht in den unteren Gängen locker bis in den roten Drehzahlbereich.
Die RM präsentiert sich somit als flotter Sprinter, zumal sich das butterweich zu schaltende und gut abgestufte Fünfgang-Getriebe alle Mühe gibt, den Einzylinder-untypisch schwachen Antritt aus niedrigen Drehzahlen heraus vergessen zu machen. Bis zu 160 km/h Höchstgeschwindigkeit signalisiert der Tacho dem Enduro-Piloten bei günstigen Fahrbedingungen. Dank einer Ausgleichswelle verfügt die mit einer wartungsfreien CDI-Zündung ausgerüstete Maschine auch über Laufkultur, der sonore Viertaktsound ist gut gedämpft und lästige Vibrationen sind dem Honda Single fremd. Neben der ausgesprochen leichtgängigen Kupplung ist auch der Benzinverbrauch der per O-Ring-Kette zum Hinterrad angetriebenen RM erfreulich: im Durchschnitt flossen nur knapp 5 Liter / 100 Kilometer bleifreies Normalbenzin aus dem 13 Liter-Tank in den Brennraum, im reinen Landstraßenbetrieb dürfen es auch schon einmal nur rund vier Liter sein.
Desweiteren hat das modifizierte Fahrwerk (vergrößerter Radstand, verkürzter Nachlauf sowie Vierkant-Stahlrohrrahmen) ebenfalls erheblichen Anteil am sicheren Fahrvergnügen mit der 600er. Der vollgetankt 170 kg schwere Geländegänger zeichnet sich durch eine ausgesprochene Handlichkeit und einen stabilen Geradeauslauf aus. Lediglich im Bereich jenseits der Richtgeschwindigkeit kommt beim Überfahren von Längsrillen eine leichte, aber zu vernachlässigende Nervosität auf. Das Metier des auf 21 Zoll - (vorne) / 17 Zoll - (hinten) Speichenrädern rollenden Bikes sind Landstraßen jeder Ordnung, selbst ausgesprochene Bodenunebenheiten in Schräglage werden souverän gemeistert. Mit der annehmbaren Sitzhöhe von 870 mm und der straff-komfortablen Federungsabstimmung (Luftunterstützte Telegabel, verstellbares Pro-Link Federbein in Nadelgelagerter Aluschwinge hinten) würde die RM mit einem elastischeren Motor nicht nur auf der Straße, sondern auch im Gelände eine gute Figur abgeben.
Die für Enduro-Verhältnisse ausgezeichnete (Doppelkolben-) Scheibenbremse vorne lässt sich gefühlvoll dosieren, erfordert wenig Handkraft und sorgt in Verbindung mit der zufriedenstellenden Trommelbremse hinten für beeindruckende Bremsverzögerungen. Ausstattungsmäßig wartet der mit schlauchlosen Reifen bestückte Single mit H-4 Licht (230 Watt Lichtmaschine!), einem kleinen Gepäckträger und brauchbaren Spiegeln auf. Die eckigen Instrumente sind zwar etwas klein, aber hinreichend genau ablesbar. Schade, dass die 7.700 DM teure Honda XL 600 R ungeachtet der rahmenfesten Soziusrastenauslegern nur bedingt Soziustauglich ist: die ansonsten bequeme Sitzbank ist einfach zu kurz für den Zwei-Personenbetrieb.
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