Auto-News

Minister droht Tesla mit türkischem Elektro-Saab

19.05.2016
Seit 2001 ist Saab insolvent. Nach vielem Gerangel übernahm National Electric Vehicle Sweden (NEVS) Anlagen, Immobilien sowie Rechte der bisherigen Saab Automobile. Dort fragten vor einem halben Jahr die Türken an, die aus dem inzwischen betagten Saab 9-3 ein Elektroauto entwickeln wollten. Die Verbindung ist also noch frisch. Nach ein paar Monaten hauen die Türken kräftig auf die Pauke. Tenor: Was Tesla kann, können wir schon lange.

In einem Interview mit der zweitgrößten englischsprachigen Zeitung der Türkei „Hürriyet Daily News“ nahm Fikri Işık, türkischer Minister für Industrie, Wissenschaft und Technik, Anfang Mai den Mund sehr voll: „Unser Fahrzeuge werden besser und sicherer sein als die von Tesla. Während die Amerikaner auf Ladestationen angewiesen sind, haben wir so etwas in unserem Fahrzeug immer dabei." Gemeint ist ein Zweizylinderaggregat mit einem Liter Hubraum, das stets dann die Batterie aufladen soll, wenn es nötig ist. Ein vergleichbares System nutzt der BMW i3 (94 Ah) mit seinem optional erhältlichen Range Extender, einem Motörchen, das dem i3 eine Reichweite von bis zu 330 Kilometer verleiht. Es treibt einen Generator an, der den Ladezustand der Hochvolt-Batterie möglichst hoch hält. Was die Sicherheit seines Wagens im Vergleich zu Tesla angeht, blieb Işık allerdings geheimnisvoll und beschränkte sich auf die Information: „Das liegt an unserer Software."

Der Erfolg von Tesla mit seinem Model 3, das Ende 2017 in Produktion gehen soll und es – obwohl grundlegende Informationen fehlen – innerhalb von wenigen Tagen nach seiner Ankündigung Ende März auf rund 400 000 Vorbestellungen brachte, scheint der Grund für den Übermut des Ministers zu sein. „Der Erfolg von Tesla ist mehr als nur Ansporn für uns. In Zukunft werden elektrische und fahrerlose Fahrzeuge die globale Autowelt beherrschen, und wir werden dabei sein." Wie auch immer: Die Rede ist von einer Art Staatsauto, dessen Entwicklung die Türkische Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung (Türkiye Bilimsel ve Teknolojik Araştırma Kurum, abgekürzt TÜBITAK) mit Sitz in Ankara mit einigen Lizenzen von National Electric Vehicle Sweden und unter Aufsicht von Fikri Işık betreibt. Dafür zahlte die Türkei an die Schweden 40 Millionen Euro. Immerhin gilt Tübitak als wichtigste Einrichtung für die Organisation von Forschung und Entwicklung in der Türkei.

Doch vorerst steckt das Projekt noch nicht einmal in den Kinderschuhen, sondern, um beim Vergleich zu bleiben, eher im Windelstadium. Technische Basis soll der bereits in die Jahre gekommene Saab 9-3 bilden, der seinerseits auf den Cadillac BLS von 2006 zurückgeht. Das Design hingegen könnte ganz auf der Höhe der Zeit sein: Für die Formensprache zeichnet Ugur Sahin verantwortlich, türkischer Karosserie-Gestalter mit Weltruf, der bereits Aufsehen erregende Entwürfe für Ferrari, General Motors und Alfa Romeo vorlegte.

Schon jetzt ist Minister Işık fest davon überzeugt, dass Tübitak nicht nur ein revolutionär gutes Auto auf die Räder stellen, sondern die gesamte türkische Wirtschaft vorantreiben wird: „Eine der größten Batteriehersteller der Welt hat uns eine Zusammenarbeit angeboten, für die grundlegende Struktur gibt es einen Vertrag mit Bosch und die Produktion des Range Extenders beginnt 2018 mit türkischen Patenten." Wer aber demnächst die komplette Produktion des Fahrzeugs übernehmen soll, steht noch in den Sternen. Işık: „Wir stehen mit mehreren Konzernen im Gespräch." Die Frage, ob auch Fiat-Chrysler dazu zähle, beantwortete der Minister kurz und knapp mit „Ja" und „Wir würden natürlich ein türkisches Konsortium bevorzugen, sind aber nach allen Seiten offen."

Was geschieht aber, wenn Journalisten nach Tests demnächst schlussfolgern, dass Minister Fikri Işık bei seinem Vergleich seines Elektroautos mit Tesla nur getürkt hat und es doch nicht so gut wie vorgesagt ist? Dann könnte es womöglich Beleidigungsklagen hageln. (ampnet/hrr)


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