Preiswert statt billig: Dacia sucht den Unterschied
21.06.2023
mid Mioveni - Moderne Technik: Die Press-Straße im Dacia-Werk Mioveni. Foto: Dacia
Dacia möchte künftig mehr sein als nur Renaults Budgetmarke. Die Rumänen versprechen Qualität und produzieren mittlerweile auch mit modernen Maschinen, wie ein Besuch vom Motor-Informations-Dienst (mid) im Werk Mioveni in Bukarest zeigt.
Die Maschinenstraße ist lang, laut und schnell. Alle paar Sekunden liftet ein Roboterarm mit Saugnäpfen einen Bogen Stahlblech, groß wie eine Tischplatte und dünn wie eine Messerschneide, und wuchtet es in die erste Presse. Mit 38,5 Tonnen drückt ein gigantischer Stempel sein Muster in das Metall, bevor es zur nächsten Station fährt. Nach deren fünf ist die Platte zu einem Teil eines Auto-Unterbodens mutiert.
Willkommen in der Großen Walachei in Rumänien, im Werk Mioveni des Autoherstellers Dacia. In drei Schichten rund um die Uhr produzieren 5.037 Arbeiter jeden Tag 1.400 Autos, eines alle 55 Sekunden. Die hochmoderne Straße der Pressmaschinen hier, zwei Autostunden westlich von Bukarest, ist der ganze Stolz der Renault-Tochter, sie ist eine von fünf im gesamten Konzernreich, und deren schnellste. 37 Millionen Euro hat sie gekostet.
Ach ja, Dacia? Ist das nicht die rumänische Automarke, die vor allem billig ist - und das wiederum vor allem deswegen, weil hier noch billige menschliche Arbeitskräfte anstelle teurer Roboter schuften? Soweit das Klischee.
Um damit aufzuräumen, gab der Budget-Anbieter einigen Autojournalisten die seltene Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen - und das Designzentrum in Bukarest sowie die Produktionsanlagen in Mioveni zu besichtigen. Unter strengen Auflagen und den steten wachsamen Blicken des Werkschutzes, versteht sich. Trotzdem musste so mancher der Besucher seine Meinung korrigieren - teilweise zumindest.
Tatsächlich ist die Pressstraße nicht die einzige moderne Errungenschaft der Rumänen. Auch die Qualitätskontrolle der fertigen Fahrzeuge - in Mioveni also vor allem des SUV Duster - beeindruckt mittlerweile mit effizienten, computergestützten Verfahren. Bleibt zu hoffen, dass die auch positive Auswirkungen bei den Kunden hat.
Das Zusammenfügen der Karosserie- und anderer Einzelteile zu einem kompletten Auto erledigen zum Teil Roboter vollautomatisch, zum Teil aber auch noch viele menschliche Facharbeiter, die hier etwa ein Drittel der Belegschaft ausmachen, und damit einen höheren Anteil als in anderen Werken des Renault-Reichs. Die Frauen und Männer in der Fertigung verdienen umgerechnet etwa 700 Euro den Monat, wie ein Produktionsleiter verrät. Das ist für den rumänischen Arbeitsmarkt anständig, aber natürlich nur ein Bruchteil dessen, was ein französischer Kollege bei der Konzernmutter bekommt.
Trotzdem: Dacia will künftig mehr als der Hersteller sein, bei dem Kunden einfach nur möglichst wenig Geld für die Autos überweisen müssen. Und der nur deshalb so beliebt ist. Das beschwören die Dacia-Manager immer wieder, allen voran CEO Denis Le Vot: "Wir gehen den Weg von billig, hin zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis". Damit die Kunden ihn mitgehen, feilen die Rumänen an einem neuen, noch immer robusten, aber auch etwas schickeren Image.
Der Schriftzug Dacia (was übrigens die römische Bezeichnung für weite Teile Rumäniens war) ist nun trendig-kantig, ebenso das neue, aus den Buchstaben D und C gebildete, markante Kühlergrill-Emblem. Die Design-Studie des Gelände-Renners Manifesto, die künftige Merkmale des Markenauftrittes vereint, wirkt wie ein Frontalangriff auf Jeep aus dem Stellantis-Konzern, dem Erzkonkurrenten der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz.
Niederschlagen soll sich das neue Selbstbewusstsein im Bigster, dem für 2025 avisierten großen Bruder des SUV Duster. Viel hat Dacia auch auf der Bukarest-Mioveni-Tour den mitreisenden Journalisten nicht verraten. Da aber Denis Le Vot verspricht, ab Mitte des Jahrzehnts jedes Modell auch zu elektrifizieren, dürfte eine Plug-in-Hybrid-Variante zu erwarten sein.
Bei reinen Elektroautos dagegen schwächelt Dacia weiterhin, auch das zeigte dieser Pressetermin. Der Spring, der 2024 erneuert wird, mag ein sehr beliebter, weil preiswerter Stromer sein und bleiben, doch in allen anderen Modellreihen dominiert auch künftig der Verbrenner. "Wir bauen, was die Kunden kaufen", erklärt ein Manager. Sollten das künftig weitere Elektroautos sein, wenn diese mal günstiger zu produzieren sind, könne man schnell reagieren, und sich aus dem Renault-Regal die entsprechende Technik ziehen. Es ist eben alles ganz einfach mit den Autos - wenn man Dacia glaubt.
Marcus Efler / mid
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