Motorsport

Formel 1: Vettel – geschlagener Gewinner

10.07.2011
Sebastian Vettel hat das Rennen verloren und doch gewonnen: So lautet das Fazit nach dem neunten von 19 Rennen der laufenden Formel 1-Weltmeisterschaft in Silverstone. Der Große Preis von England ging an Fernando Alonso und damit an einen der wenigen Rennställe, die in Silverstone kein Heimrennen gefahren sind.

Doch Alonsos Sieg ist fast Ausdruck einer strukturellen Niederlage. Der Spanier ist neben Lewis Hamilton und Jenson Button der dritte Nicht-Sebastian-Vettel-Sieger in der Formel 1 im Jahr 2011. Sprich: Auch wenn Vettel nicht siegt, nehmen sich die anderen potenziellen Wettbewerber die Punkte gegenseitig weg.

Sicher – Ferrari wird sich im Aufwind sehen – zurecht, denn zwei zweite Plätze und ein Sieg in den zurückliegenden vier Rennen (unterbrochen durch einen Ausfall) sprechen eine klare Sprache; doch so lange Vettel allenfalls Platz zwei einfährt, zudem mildernde Umstände für sich ins Feld führen kann (Boxenstopp, Regeländerungen), wird das nichts helfen.

Sebastian Vettel hat mit seinem zweiten Platz den Vorsprung auf den ersten Verfolger doppelt ausgebaut: Webber liegt 80 Punkte hinter Vettel und teamintern auf Rang zwei. Alonso hat schon 92 Zähler Rückstand, Hamilton und Button haben 95 Punkte. Das resultiert nicht nur aus der Siegesserie; wenn Vettel nicht siegt, punktet er stark.

In der enormen Konstanz, der jetzt nur noch Mark Webber mit deutlichem Abstand folgen kann, liegt ein Unterschied zur Weltmeister-Saison 2010 und der vorangegangenen. Das ist für die Konkurrenz enorm beunruhigend; derzeit kann man bei Ferrari und McLaren nur auf Malheurs hoffen, wie einen verpatzten Boxenstopp und entsprechende Kollateralschäden.

Red Bull: Stallörderchen & Stallkrieg

Es dürfte niemanden wundern, dass für eingefleischte Gegner des Red Bull-Teams der große Augenblick gekommen ist: Die Teamorder an Mark Webber in der Schlussphase des Rennen ist ein gefundenes Fressen, über den Rennstall herzufallen. Ist also Red Bull von der Linie abgewichen, die beiden Fahrer gegeneinander kämpfen zu lassen?

Christian Horner von Red Bull hat darauf verwiesen, dass man Mark Webber und nicht dem seinerzeit führenden Sebastian Vettel den Vorzug beim ersten Boxenstopp hat zukommen lassen; wichtiger noch ist, dass man die Order so kurz vor Renn-Ende gegeben hat, um zu verhindern, dass ein Zweikampf in einem doppelten Totalausfall endet.

Der Argumentation mag man folgen, mit Blick auf das Türkei-Rennen 2010 sogar als Lernprozess sehen – oder auch nicht. Fakt ist, dass Red Bull als Team seinen Vorsprung gegenüber McLaren hat ausbauen können und gegenüber Ferrari zwei Punkte eingebüßt hat. Ferrari benötigte also 55 solcher Rennen, um Red Bull in der Teamwertung einzuholen.

Die Reaktion von Mark Webber nach dem Rennen zeigt allerdings, dass der teaminterne Reifeprozess noch nicht abgeschlossen ist. Er habe die Order ignoriert, äußerte Webber, der grantige Zweite im Team Red Bull. Blüht hier ein Stallkrieg? Wenn ja, wäre es ein Hoffnungsschimmer für die abgehängte Konkurrenz.

Ferrari: Sieg gibt Aufwind

Der Sieg in Silverstone ist für Ferrari ungewöhnlich, denn die Rennstrecke gilt als problematisch für die Flitzer aus Italien. Die gehören zu den wenigen Rennställen, deren Zentrum erklärtermaßen nicht in England liegt – ergo hat Ferrari auch noch mit einem Auswärtssieg Red Bull schlagen können.

Doch was bringt das? Zunächst einmal einen gewaltigen Aufwärtsschub, dessen Reichweite nicht abzusehen ist. Dazu hätte Red Bull nicht patzen dürfen – beim zweiten Boxenstopp hat Vettel einiges an Zeit eingebüßt, was Ferrari, namentlich Fernando Alonso, begünstigte; ob es auch ohne dieses Problem geklappt hätte, bleibt offen.

Dabei wäre das die entscheidende Frage gewesen: Ist der Red Bull Bolide durch die jüngsten Regeländerungen vom Nimbus der Unbesiegbarkeit befreit? Dafür gibt es Hinweise, die neuen Teile am Ferrari scheinen der Roten Göttin Beine zu machen. Damit könnte Silverstone der Auftakt zu einer Aufholjagd sein.

McLaren-Mercedes: Schraube locker

Nein, es geht nicht um Lewis Hamilton, wie mancher boshaft argwöhnen würde. Der hat nämlich nach all den Irritationen der vergangenen Wochen kein schlechtes Rennen gefahren und den vierten Platz erreicht. Damit ist das „Heimrennen“ von McLaren nicht ganz ins Wasser gefallen.

Der zweite Fahrer von McLaren, Jenson Button, ist nämlich aufgrund einer lockeren Schraube aus dem Rennen gekegelt worden. Beim zweiten Boxenstopp hatte der Verantwortliche für das Lollipop schon das Zeichen zum Losfahren gegeben, als vorne rechts die Radmutter noch nicht angezogen worden war.

Pech für Button, der nicht nur auf Sebastian Vettel, sondern auch im Kampf mit Alonso und Hamilton um den Titel des Besten unter den Resten erheblich an Boden verloren hat. Die erste Nullnummer in der Saison hat Button auf Rang fünf zurückgespült, wo er punktgleich mit Hamilton dem Rivalen Alonso im Nacken hockt.

Mercedes: Unmut nach dem Rennen

Gemessen an den Startplätzen sind die Positionen sechs und neun im Formel 1-Rennen von Silverstone gar nicht übel für die beiden Mercedes-Piloten Michael Schumacher und Nico Rosberg. Dank eines eher schwachen Rennens von Renault hat Mercedes damit wieder den vierten Rang in der Teamwertung inne.

Doch gab es nach dem Rennen durchaus Grund zum Hadern, denn aus Mercedes-Sicht hätte zumindest Schumacher mehr erreichen können. Der Formel 1-Altmeister hatte in der neunten Runde einen Kontakt mit Kamui Kobayashi und bekam dafür eine Stop-and-Go-Strafe aufgebrummt.

Schumacher hat darin eine Ungerechtigkeit ausgemacht, durch die ihm ein besseres Ergebnis verwehrt wurde. Platz fünf oder gar vier wäre möglich gewesen, meint Schumacher. Für Mercedes hat immerhin Rosberg ein achtbares Ergebnis eingefahren, der Rennstall hofft nun auf die Etablierung eines Aufwärtstrends.

Renault: Heidfeld punktet, Rang vier dennoch weg

Für Renault ist das Formel 1-Rennen von Silverstone nicht sonderlich erfolgreich ausgefallen. Denn mit diesem Rennen ist es dem Konkurrenten Mercedes gelungen, vorbeizuziehen und den vierten Platz in der Teamwertung zu erringen. Den hatte bis dahin Renault inne, Heidfelds WM-Punkte konnten daran nichts ändern.

Nick Heidfeld konnte mit einem guten Start seine Ausgangsposition deutlich verbessern und gleichzeitig mit einem geschickten Reifenwechsel die errungene Lage stabilisieren. Mehr ist dann aber nicht drin gewesen; Vitaly Petrov haderte mit den Reifen, die ihm nicht erlaubten, weiter vorn zu landen.

Renault fährt also mit einem eher schlechten Gefühl von der Insel weg. Schon das Qualifying hatte gezeigt, dass der Rennstall seinen Durchhänger nicht würde beseitigen können – Heidfelds Verbesserung von 16 auf acht war also erstaunlich. Für die nähere Zukunft setzt man bei Renault auf Neuentwicklungen.

HRT: Noch ein Red-Bulle

Mit dem Rennen von Silverstone hat ein weiterer Red Bull Zögling als Fahrer in einem Formel 1-Boliden Platz genommen. Daniel Ricciardo, der als Nachwuchsfahrer von Red Bull in der Formel 1 Fuß fassen soll und jetzt auch gefasst hat. Zwar nicht bei Toro Rosso, sondern anstelle von Narain Karthikeyan bei HRT.

Das Renndebüt des Neulings in Silverstone fesselte die Aufmerksamkeit und konnte sich immerhin über die gesamte Renndistanz halten und durchfahren. Für Ricciardo geht es um Erfahrung, die es zu sammeln gilt, ehe im kommenden Jahr vielleicht bei Toro Rosso ein Stammcockpit frei wird.





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