Oberbayerische PS mit Lizenz zum Brötchenholen
25.09.2013
Bruno Spengler fasst das Ergebnis in drei Punkten zusammen: Die Lenkung arbeitet sehr präzise, die neue Hinterachse bietet deutlich mehr Grip und ist besser kontrollierbar, die Power kommt direkt. „Das erwartet man nicht von einem Turbomotor.“ Es gibt keinen Anlass, Spengler nicht zu glauben. Immerhin ist er amtierender DTM-Meister. Außerdem lieferte er den Beweis am Steuer eines Prototyps gleich nach, mit eindrucksvollen Kurvenkombinationen auf dem Gelände der BMW- und Mini-Driving-Academy in Maisach bei München.
Die nächste BMW M3 Limousine und das neue BMW M4 Coupé werden sich also noch dichter an der Grenze zum Rennwagen bewegen als der bisherige M3. Das hätte wir gern selbst erfahren. Aber es wird noch dauern, bis wir ans Steuer dürfen. Im Handel werden die beiden neuen Bayern Mitte kommenden Jahres sein. Dann dürfen alle ans dicke Lederlenkrad, die eine gerade noch erschwingliche, hochsportliche Herausforderung mit der Lizenz zum Brötchenholen suchen – wenn man sich nach dem Kauf noch Brötchen leisten kann. Man spricht von 70 000 Euro, und Brötchen verderben auf die Dauer das Leistungsgewicht.
Mit dem Verzicht auf zwei Zylinder geht bei den Neuen keine Leistungseinbuße einher. Der komplett von der M GmbH neu entwickelte Reihen-Sechszylinder mit drei Litern Hubraum wird es auf deutlich über 500 Newtonmeter Drehmoment und mehr als 316 kW / 430 PS bringen. „Oberbayerische PS“, wie Entwicklungschef Albert Biermann betont, denen in der Höhe der Berge nicht gleich die Puste ausgehe.
Das ist einer der Effekte, die Biermann und sein Team mit einem ungewöhnlichen Motorkonzept erreicht haben: Sie kombinieren einen Hochdrehzahl-Motor mit der Twinpower-Turbo-Technologie, bei der zwei Lader jeweils drei Zylinder aufpusten. So erreichen die Entwickler das von Spengler gelobte spontane Ansprechen des Motors und eine linear ansteigende Leistungskurve. Die beiden Turbolader setzen schon bei niedrigen Drehzahlen ein und bescheren dem Motor ein früh beginnendes und lange andauerndes Drehmomentniveau. Sollte die Luft in der Höhe oder bei Wärme dünner werden, können sie nachlegen.
Die Höchstleistung liegt zwischen 4500 und 7500 Umdrehungen pro Minute (U/min), das maximale Drehmoment zwischen 1800 und 5500 U/min. Der lineare Leistungsaufbau und das kontinuierliche Drehmoment führen zu einer deutlich besseren Beschleunigung der mit knapp 1500 Kilogramm um 80 Kilogramm leichteren fünften M3-Generation. Ein komplexes System von Kühlungen sorgt dafür, dass der Motor hochdrehzahlfest die Rennstrecke durchsteht. Öl- und Kraftstoffversorgung werden auch bei maximalen Querbeschleunigungen sichergestellt.
Der Motor, die aerodynamischen Feinarbeiten, der neu entwickelte Sechs-Gang-Handschalter oder das Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen und Launch Control sowie viele Leichtbauelement erleichtern aber nicht nur das dynamische Fahren, sie sparen auch Sprit. Der Wert für die Kohlendioxidemission soll unter 200 Gramm pro Kilometer liegen.
Große Lufteinlässe an allen Stellen der Front, die das vertragen können, waren schon immer ein Kennzeichen der M-Modelle. Der Motor und seine Nebenaggregate brauchen das eben. Doch ist das aerodynamisch ungünstig. Umso mehr müssen die Ingenieure daher auf das glatte Umfließen des Fahrzeugkörpers achten und gleichzeitig dafür sorgen, dass der Auftrieb verringert wird. Lippen am Bugspoiler, Abrisskanten am Heck, glatter Unterboden, ein Endschalldämpfer mit Diffusor-Eigenschaften, die glatte Umströmung der Vorderräder dank Air Curtain und Kiemen sprechen für einen guten Luftwiderstandsbeiwert und geringen Auftrieb. Leichtbau bringt bei einem Hecktriebler mit Frontmotor dann zusätzlich Sinn, wenn sich die Konstrukteure dabei auf den Vorderwagen konzentrieren. Biermann sagt uns bei unserem Treffen in Maisach, man sei an die Achslastverteilung von 50:50 fast herangekommen, mit immer noch leichtem Mehrgewicht vorn.
Die Fahrdynamiker im Werk und in der Kundschaft wird das ebenso freuen, wie die neu entwickelten Achsen vorn und hinten. Dabei folgte die M GmbH dem schon oft zitierten Motto ihres Entwicklungschefs: „Die Rohkarosse ist der wichtigste Teil des Fahrwerks.“ Will sagen: Hier ist die Karosseriesteifigkeit zuhause, die ein Sportwagen braucht. Für den M3 und den M4 haben seine Mannen das so konsequent umgesetzt, dass die Achsen nicht mehr weich gelagert, sondern fest verschraubt sind. Kein Gummilager kann nachgeben; das Rad rollt so, wie gewollt. Die Schwingungen werden anderswo kompensiert.
Ebenfalls erstmals in einem M-Modell kommt eine elektrische Lenkung zum Einsatz, natürlich eine speziell entwickelte, mit der sich die Vorteile des Renntechnik-Fahrwerks am besten abrufen lassen. Sie erlaubt die präzise Arbeit am Lenkrad, von der Spengler sprach. Sie lässt sich aber auch an den persönlichen Geschmack oder die Strecke anpassen mit den drei Lenkungskennlinien Comfort, Sport und Sport+.
Spenglers Kollege Marco Werner sagt zu dem neuen M-Modell: „Das ist kein einfaches Straßenauto“, und „Altmeister“ Martin Tomcyk attestierte dem künftigen M3, definitiv das bessere Auto zu sein als der Vorgänger. So ist es der M GmbH und den drei DTM-Recken gelungen, so etwas wie Vorfreude auf das nächste Jahr zu verbreiten, wohl auch als Trost dafür, dass die aktuelle M3-Produktion schon ausgelaufen ist. (ampnet/Sm)