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IAA 2003 – Das Lancia Fulvia Coupé kommt zurück

29.08.2003
Man schreibt das Jahr 1965. Auf dem Genfer Automobilsalon präsentiert Lancia den Fulvia Coupé 1.2, ein leistungsstarkes, ausgewogenes und in seiner Mechanik absolut einzigartiges Modell. Seine Stärken sind der Vierzylindermotor mit in schmalem V-Winkel angeordneten Zylindern, der Hilfsrahmen an der Vorderachse, der das Antriebsaggregat aufnimmt, die Parallelogrammaufhängung der Vorderräder und die servounterstützte hydraulische Zweikreis-Bremsanlage mit vier Scheibenbremsen.

Der Fulvia Coupé war das gelungene Beispiel für die "elegante Sportivität", die seit jeher Kennzeichen einiger Lancia Modelle ist. So genügten auch nur wenige Überarbeitungen, um das Straßenmodell in einen Rennwagen zu verwandeln. Das geht so weit, dass heute der Kurzname HF gemeinhin der Bezeichnung des Fulvia Coupé dient, ohne Unterscheidung zwischen Straßen- oder Rennmodell. Die Erinnerung geht selbstverständlich sofort an den "legendären" Fulvia Coupé Rallye 1.6 HF, der 1972 die Rallye von Montecarlo mit Sandro Munari am Steuer gewinnt und den Konstrukteurs-Weltmeistertitel erobert. Im Folgejahr verabschiedet sich das Lancia Modell von den offiziellen Rennen und 1976 läuft die Produktion des Lancia Fulvia aus, nachdem 140.000 Exemplare gebaut wurden.

Heute, vierzig Jahre nach dem Debüt des ersten Fulvia Berlina und einunddreißig Jahre nach dem Sieg von Munari, wollte Lancia mit einem Prototypen eines der Modelle ehren, die der italienischen Automobilmarke zum Weltruhm verholfen haben. Die Designer des Centro Stile Lancia hegten schon immer den Traum, den Fulvia Coupé unter dem Gesichtspunkt einer kontinuierlichen Designentwicklung neu zu stylen. Der Projektansatz war daher von Anbeginn an klar umschrieben: keine nostalgischen Kompromisse, sondern eine postmoderne Umsetzung des Urkonzepts und der originalen Stilelemente.
Die frische und dynamische Formensprache sollte an erster Stelle stehen, ohne das Feeling anzugreifen, das der von Castagnero entworfene Fulvia aus dem Jahr 1965 mit einer hochraffinierten Mischung aus Exzentrik, Eleganz, Nüchternheit und Sportivität zu vermitteln wusste.

Die Abmessungen und das Stufenheckschema des Show-Car Fulvia Coupé sind vom Vorgänger übernommen, die Spurweite wurde allerdings vergrößert, um dem Fahrzeug mehr Stabilität und Robustheit zu verleihen. Der generelle Eindruck erinnert an die Riva Motorboote der damaligen Zeit mit stumpfem Heck, einer extrem dynamischen Form und einem spitz zulaufenden Bug. Das prägende Stilmotiv - der Streifen in Hufeisenform, der die gesamte Karosserie umzog und am Heck auslief - wurde mit einer dynamischeren und spitz zulaufenden Linie umgesetzt. Der größte Spannungspunkt befindet sich am Vorderrad, wo das gesamte Fahrzeuggewicht optisch auflagert und der Frontantrieb betont wird, so dass im Endergebnis das gesamte Auto "gezogen" zu werden scheint. Auch der tropfenförmige Grundriss mit einer größeren Breite im Frontbereich, die sich zum stumpfen Heck hin verjüngt, trägt zu diesem Effekt bei. Abgerundet werden diese Aspekte mit der Gestaltung der einzelnen Volumen, der langen Motorhaube, dem kleinen Dachaufbau und einer besonderen Verteilung der Massen.

Der Fulvia Coupé von 1965 war durch ein charakteristisch leichtes Volumen gekennzeichnet, was im Heckbereich besonders zum Vorschein kam, während das neue Show-Car ein sehnigeres Aussehen hat, das allerdings durch einen unteren Fahrzeugbereich entschärft wird, der nach dem Heck strebt.
Die aggressive Frontpartie ist durch eine großflächige, rundliche Motorhaube sowie Scheinwerfer aus Hightech-Modulen mit einem flügelförmigen "Augenlid" gekennzeichnet, welches das Motorhaubenprofil bis unter den Transparentbereich ausdehnt.

Der brünierte metallene Kühlergrill, auf dem das große Lancia Wappen ruht, hat eine sportive und dreidimensionale Optik und wurde im Vergleich zu den weniger aggressiven Schwestermodellen bewusst vereinfacht, um die Funktion als Lufteinlass zu betonen und unter den Elementen der Front ein bestimmtes Vollraum/Hohlraum-Verhältnis zu schaffen, das mit dem einstigen Coupémodell besser im Einklang steht.

All dies wird abgerundet durch Linien, die von der Motorhaube zum Stoßfänger strömen und unter der unteren Lufteinlassöffnung zusammenlaufen, wo vier rechteckige "schwimmende" Zylinder die vier Lufteinlässe des Modells aus den Siebziger Jahren nachahmen.

Die Flanke ist glatt mit einem Spiel von konkaven und konvexen Flächen gestaltet und ruht auf einer robusten Schulter. Das Heck hingegen bildet den logischen Abschluss des designerischen Vorgehens, indem es den "Schnitt" einbringt. Daher durfte die Zitierung des berühmten Fastback-Hecks nicht fehlen, mit dem das stromlinienförmige Heckprofil betont wird und die senkrechten Leuchten rigoros-nüchtern eingebettet werden. Die Leuchten werden optisch von zwei Zylindern durchdrungen, die als ideelle Motive die Flanke gleich Auspuffterminals durchziehen. Sie spielen Transparenteffekte aus, die zwei überstehende Elemente mit Flügelprofil durchscheinen lassen (eine diskrete Anspielung auf die ausdrucksstarken "Augen" des Vorgängermodells).

Die Karosseriefarbe "Elfenbein Dreischichtig" bildet einen gekonnten Kontrast zum Dunkelbraun des Leders im Interieur. Der Innenraum steht eindeutig im Zeichen der Siebziger. Dafür sorgen an NC-Maschinen gedrehte Teile, die an die iridisierenden Bedienelemente der damaligen HiFi-Gräte erinnern, und die Holzsorte Tanganjika Frisé mit einer seidigen, metallen schimmernden Optik, die den zentralen Bereich der Armaturenblende und den Aufbau auf dem Schalttunnel verkleidet.

Das rigoros zweisitzige Interieur mit einem zusätzlichen Kofferraum unter der Hutablage lehnt im Design an das Original an, allerdings mit einem postmodernen, minimalistischen Ansatz und ohne auf die Raffinesse und die Sportivität zu verzichten, die einem Lancia dieser Fahrzeugklasse zusteht. Das belegt ein exklusives Reisetaschenset, das von Trussardi eigens für das Show-Car unter Verwendung edler, origineller Materialien designt wurde, die Anmutung und Funktionalität auf vollendete Weise vereinen.

Die Armaturenblende, die aus zwei von Hand bezogenen Schalenelementen besteht, zwischen denen die Holzeinlage eingebettet ist, scheint von einer weiteren Schale umgeben zu sein, die sich sanft bis zum hinteren Bereich der Türpaneele erstreckt und den tropfenförmigen Grundriss betont, bei dem die Bootstechnik Pate stand. Der Konsolentunnel hingegen bildet die Fortsetzung des Lederbezugs in Dunkelbraun, mit dem der Fußboden versehen ist und der sich weichkurvig nach oben bis um die Armauflagen herum erstreckt, die symmetrisch zu den Armauflagen an den Türen angeordnet sind. Als Grundkonzept diente der Sattel, der die gesamte Formensprache des Interieurs charakterisiert. Eine einfache "Abhobelung" am Tunnel und an den seitlichen Armauflagen bringt in der Mitte eine längliche Brücke aus Holz, wo der Schalthebel untergebracht ist (mit Details in Aluminium), und an den Türen die durchgehenden Zuziehleisten zum Vorschein.

Abgerundet wird das Ganze durch Analoginstrumente mit drei Quadranten, die ebenfalls dem Bootssektor entstammen und in Perlfarbe (wie beim neuen Ypsilon) sind, sowie eine metallene "Schnittstellenplatte", an der sämtliche Funktionen für Infotainment und Klimaanlage wie bei allen anderen Lancia Modellen vereint sind. Das Lenkrad mit drei Metallspeichen weist ein zylindrisches Airbag-Modul und einen lederbezogenen Lenkradkranz auf. Die ergonomischen Sportsitze schließlich erinnern aufgrund der hufeisenförmigen "Streifens" an der Rückenlehne, der den ausgezeichneten Seitenhalt optisch betont, an die Sitze des einstigen Fulvia Coupé.

Die Designarbeit am Fulvia Coupé darf indes nicht als pure Stilübung betrachtet werden. Alle Karosseriedetails wurden so gestaltet, dass ein niedriger Cx-Wert gewährleistet ist. Im Resultat dessen entstand die stolze Höchstgeschwindigkeit von 213 km/h, die mit einer, für diesen Fahrzeugtyp recht niedrigen Leistungsstärke von 140 PS (103 kW) bei 6.400 Touren erzielt wurde.

Die Leichtigkeit hingegen wird durch die Aluminiumkarosserie gewährleistet. Wie bei den modernsten Sportwagen - jedoch bereits der Fulvia Coupé der Siebziger wartete bei einigen HF Versionen mit Motorhaube und Türen in Aluminium auf - sind alle externen Karosserieplanken aus diesem Material gefertigt. Es handelt sich um eine echte Technologie, die auf die beste italienische Handwerkstradition im Bereich der manuellen Bossierung zurückgreift und von CECOMP, dem Hersteller des Modells, meisterhaft ausgeführt wurde.

Außerdem hat die Leichtbauweise für ein Gewicht von weniger als 1.000 kg gesorgt. Das Show-Car Fulvia Coupé bringt genau 990 kg auf die Waage, was für diesen Fahrzeugtyp ein beachtlicher Wert ist und ein vorbildliches Gewicht/Leistungsverhältnis (7 kg/PS) und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 8,6 Sekunden hervorbringt. All dies äußert sich selbstverständlich auch in einem sparsamen Kraftstoffverbrauch, so werden im kombinierten Zyklus niemals 7,3 l/100 km überschritten.
Und schließlich noch ein Wort zur Fahrzeugtechnik. Der Lancia Prototyp ist mit einem Vierzylinder 1.8 16v mit Phasenschieber, einer McPherson-Vorderradaufhängung mit Teleskopsäulen, koaxialen Schraubenfedern und unteren Lenkern ausgestattet. Die wenngleich relativ einfache Aufhängungsgeometrie gestattet gemeinsam mit den Pneus vom Typ Pirelli PZero Nero ein erstklassiges Fahrverhalten. Abgerundet wird die Technik mit der Hinterradaufhängung mit Längslenkern und Stabilisator, der Bremsanlage mit vier Scheibenbremsen - an den Vorderrädern innenbelüftet - und der Antiblockieranlage für die Bremsen.

Es wurden keine weiteren elektronischen Unterstützungen wie Schlupfregelung und Stabilitätskontrolle hinzugefügt, damit der pure Genuss der einstigen und so faszinierenden sportiven Fahrweise in keiner Weise getrübt wird. Der Fulvia Coupé tritt damit vollberechtigt in die kollektive Vorstellungswelt all jener ein, die ein Fahrzeug, wenngleich es eine Studie ist, mit einer starken Persönlichkeit und Faszination zu schätzen wissen. Und noch heute erkennt man die "Lancisti" an der außerordentlichen Leidenschaft und Begeisterung, die sie mit den Menschen gemeinsam haben, die einen Lancia entwickeln, testen und bauen.

Lancia dankt für die Zusammenarbeit bei der Realisierung des Show-Car Fulvia Coupé: Alcantara, Akzo Nobel, Aunde Italia, Bose, CECOMP, Frau, IXFIN Magneti Marelli, Mario Levi, Novem, Pirelli, PPG, Radicar, Shafenaker, Sintesi Photo Etching, Tabu, Toora, Trussardi und Zanini.


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