Delorean und die 5000 Besen
08.07.2016
DeLorean DMC-12. Foto: Thilo Parg/Wikipedia
Hanns-Peter Thyssen von Bornemisza ist ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Hamburger war Redakteur bei folgenden Blättern: „Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure „deutscher Nachkriegs-Mobile“ wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu vielen Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte. Dieses Mal geht es um John Delorean, Max Ueber und die Reinlichkeit von Ford.
Im Meer versenkt: Delorean DMC 12
An der Atlantikküste der irischen Insel ruht im Meer seit fast 40 Jahren ein Schatz: das Presswerkzeug für den hinten linken und vorderen rechten Kotflügel wurden auf Weisung von John Delorean im Atlantik versenkt, um spätere Nachbauten zu verhindern.
John Zachary Delorean stammte aus ärmlichen Verhältnissen, hatte es aber trotzdem vom Designer bis zum Vize-Präsidenten von General Motors, dem größten Auto-Konzern der Welt, gebracht. Im Laufe der Jahre schrieb er seinen Namen mit großen L, also DeLorean, was adelige Abstammung assoziierte. 1972 verließ Delorean die Firma und schrieb hernach ein Buch „On a clear day you can see General Motors" (An einem klaren Tag kannst Du General Motors sehen), in dem er über die Bürokratie bei GM spottete. Kurz darauf schied er bei GM aus.
1975 gründete John Delorean eine eigene Firma, die einen Sportwagen plante, den DMC-12. Ein Heckmotor-Sport-Coupé mit zwei seitlichen Flügeltüren aus unlackiertem, rostfreiem Blech und großer Glas-Heckklappe, überdeckt mit Lamellen. Die Form des DMC-12 hatte der italienische Designer Giorgio Giugiaro entworfen. Maße: 4,22 x 1,59 x 1,14 Meter. Radstand 2,41 Meter. Das Mittelmotor-Coupé basierte technisch auf dem englischen Lotus Elite. Die Firma Lotus, gegründet von Colin Chapman, gehörte zu jenem Zeitpunkt zu GM. Motorisiert war das Auto anfangs mit dem Europa-Motor, einem 2,7-Liter-132-PS-Sechszylinder-Motor, den Renault, Fiat und Volvo gemeinsam produzierten. Der Einbau dieses Motors in den DMC 12 machte die Umkonstruktion des gesamten Hecks nötig. Letztlich wurde dadurch aus dem Mittelmotor- ein Heckmotor-Wagen, weil der Motor nun hinter der Hinterachse saß. Vorgestellt wurde der Wagen 1975.
Mit Staatsgeldern von 100 Millionen britischen Pfund, die Delorean von der britischen Labour-Regierung erhielt, baute er ab 1980 im ärmsten Teil Irlands, nahe der Stadt Belfast, eine komplette Automobilfabrik auf, die den Wagen in kleinen Serien baute. Inzwischen entwickelte Lotus den Prototyp zu einem richtigen Serienwagen. Im April 1981 startete die Serienfertigung. Gleich danach begann der Export des 25 000 US-Dollar teuren Sportwagens in die USA. Doch wegen Verarbeitungsmängeln fielen hohe Kosten für Nacharbeiten an.
Von dem Status eines DMC-Händlers verlangte man einen Einstand von 4000 US-Dollar. Sehr exklusiv wurde auch eine europäische Handelsorganisation aufgebaut, der Europa-Motor wurde nach seinem Produktionsende gegen einen Volvo-Motor gleicher Größe ersetzt. Die inzwischen regierenden Konservativen in London überwiesen nochmals 30 Millionen britische Pfund zur Erhaltung der Marke. Im Juni 1982 rutschte die Firma in Konkurs.
Am 19. Oktober 1982 wurde John Zachary Delorean im Zimmer 501 des Hotels La Reina in Los Angeles vom FBI wegen des Verdachts auf Drogenhandel festgenommen. Nach einem großen Prozess wurde der Amerikaner am 16. August 1984 zwar von allen Vorwürfen freigesprochen, doch seine Firma und sein Ruf waren in der Zwischenzeit ruiniert. Zeitweise standen bis zu 4000 nagelneue Wagen auf Lager. Insgesamt 9000 Exemplare des DMC-12 wurden gebaut. So stellte Ende 1982 die britische Regierung die DeLorean-Fabrik unter Konkursverwaltung.
Einige Male versuchte Delorean vergeblich als Autoproduzent Fuß zu fassen. Am 19. März 2005 starb Delorean im Alter von 80 Jahren. Die im Atlantik versenkten Kotflügelpressen schützten nicht vor Nachbauten. Schon 1997 hatte der Amerikaner die Rechte an DMC an den Texaner Steve Wynn verkauft, der alte DMC restaurierte und neue als Einzelexemplare aufbaute. Die britischen Regierung kostete der Delorean-Wagen 50 Millionen Pfund Steuergelder – macht 5500 Pfund pro Auto. (Quelle: Erich Bitter)
Die ungewöhnliche Karriere des Max Ueber
Der junge Beamtensohn und Fremdsprachen-Korrespondent Max Ueber aus Freiburg hatte im Mai 1929 das Buch von Henry Ford geselesen „Mein Leben und Werk". Danach beschloss er: „Ich muss zu Ford". Vom Lehrling sollte er es im Laufe seines Levens bis zum Generaldirektor, später zum Aufsichtsratchef bringen.
Der junge Max Ueber stellte sich bei der Verwaltungschef Erhardt Vitger vor und beantwortete dessen Fragen eilfertig auf Englisch. Vorerst war keine Stelle frei. Ueber fuhr unverrichteter Dinge wieder heim. Wenige Tage später kam doch das Angebot, man habe eine „Comptometer-Ausbildungsstelle" frei. Ueber wusste das zwar nicht, was das war, telegrafierte aber gleich zurück: „Comptometer-Ausbildung gesichert. Eintreffe Montag". Am 29.Mai 1929 trat er in Berlin die neue Stelle an. Tagsüber arbeitete er als "Motoren-Lagerverwalter". Nach Feierabend erlernte der junge Mann die Bedienung der komplizierten Comptometer-Rechenmaschine. Als Ueber dies geschafft hatte, wurde er sofort in die Finanzabteilung versetzt, die nun aus Ueber und dem Hauptbuchhalter bestand. Zäh arbeitete sich Ueber durch verschiedene Abteilungen bis er nach dem Zweiten Weltkrieg in den Vorstand von Ford-Köln aufstieg und es bald zum Generaldirektor brachte. (Quelle: Max Ueber)
Reinlichkeit bei Ford
Alle Ford-Arbeiter schwangen fünf Minuten vor Feierabend noch fleißig die Besen. Im Sinne von Henry Ford handelte auch der junge Verwaltungschef Erhardt Vitger im neuen Ford-Werk in Köln. Alle Ecken waren weiß gestrichen, damit man den Schmutz sofort sah. Wenn Lieferanten mit Pferdefuhrwerken Ware ins Werk brachten, wurde Wellpappe ausgelegt, damit weder Hallenboden noch Straßen verunreinigt wurden. Im ganzen Betrieb herrschte strenges Rauch- und Essverbot.
In Detroit wienerten seinerzeit 5000 Menschen Tag und Nacht Fußböden, Fenster und Machinen. Die Putzkolonnen verbrauchten jeden Monat 5000 Besen, 64 300 kg Farbe und 69 000 kg Seife. Henry Ford war die Sauberkeit in seinen Werken täglich allein 30 000 Dollar an Lohnkosten wert. (Quelle:Erhardt Vitger)
Zu spät angeboten
Vom Plan der Ford-Werke, in Köln ein komplett neues Werk zu bauen, erfuhr bald auch Franz Joseph Pop, Generaldirektor der Bayerischen Motoren-Werke in München. Im Oktober 1929 hatte er direkt an Henry Ford in Detroit geschrieben, um ihm seine erst 1928 gekauften Dixi-Werke in Eisenach anzupreisen, die er wiederum von dem Industriellen Heinrich Erhardt erworben hatte. Nach dem Kauf war dem BMW-Chef klar geworden, dass er damit ein völlig veraltetes Werk übernommen hatte, das wegen seiner Lage in der Stadtmitte Eisenachs zudem noch wenig ausbaufähig war. So hatte Popp gehofft, es den Amerikanern ebenso leicht weiterreichen zu können wie die Brüder Opel ihre Werke an General Motors. (Quelle:Erhardt Vitger)