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Daimler: Batterie als Schlüsseltechnologie

16.12.2008
Daimler: Batterie als Schlüsseltechnologie

Mercedes-Benz-Studie
Jetzt engagiert Daimler sich bei der Batterietechnologie und gründet dafür sogar ein Joint venture mit Evonik Industries, vormals Ruhrkohle AG. Mit 49,1 Prozent steigt der Automobilhersteller bei der Evonik-Tochter „LiTec GmbH“ ein, die heute in Kamenz bei Dresden mit 100 Mitarbeitern Lithiumionen-Batterien herstellt und mittelfristig auf 1000 Mitarbeiter wachsen soll. Daimler ist der erste Automobilhersteller, die sich in die Niederungen der Batteriechemie begibt. Dennoch fragen Experten: Warum so spät?

„Wir holen die Batterietechnologie nach Deutschland zurück“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Unterzeichnungszeremonie des Joint venture-Vertrags gestern (15. Dezember 2008) in Köln vor der Presse. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine Abkehr vom früheren Verhalten, wie es alle deutschen Automobilhersteller übten. Über schlechte Preise für Starterbatterien vertrieben sie die Batterietechnologie nach USA und Japan.

Nun akzeptieren alle Hersteller, dass es sich bei der Batterie um eine Schlüsseltechnologie für das Auto der Zukunft handelt. Selbst mit Blick auf ein klassisches Automobil spricht heute schon Vieles für eine leistungsfähigere Batterietechnologie im Auto als die der alten Blei-Säure-Batterie. Viele Millionen werden bei der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs in den Leichtbau gesteckt, um ein paar Kilogramm zu sparen. Dabei könnte man zehn Kilogramm und mehr auf einen Schlag heraushalten, wenn man statt Blei-Akkus Lithiumionen-Batterien verwendet. Doch nicht einmal die Hersteller von Edel-Sportwagen haben den Schritt gewagt; denn Blei-Batterien sind billiger, und den Ersatz der defekten Batterie bezahlt der Autobesitzer.

Hybridfahrzeuge und alle Fahrzeug mit Brennstoffzelle als Stromquelle sind ebenso wie ein rein elektrisch betriebenes Automobil auf einen erstklassigen Energiespeicher angewiesen. Es geht dabei in erster Linie um Reichweite und Gewicht. Ein Hybridauto, wie es heute angeboten wird, bietet nur eine extrem kleine Zuladung, schon wegen seines doppelten Antriebs mit Benzin- und Elektromotor. Da darf die Batterie nicht zu viel Zusatzgewicht bringen. Der Energiespeicher soll den beim Bremsen anfallenden Strom schnell und möglichst vollständig aufnehmen und beim Beschleunigen ebenso schnell wieder abgeben. Das ist mit Großkatalysatoren möglich. In aller Regel übernimmt aber eine Batterie diese Aufgabe, am besten die Batterie mit der größten Leistungs- und Energiedichte, also eine Lithiumionen-Batterie.

Für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge und für die, die ihren Strom an Bord von der Brennstoffzelle herstellen lassen, reicht der Kondensator nicht aus. Auch die Brennstoffzelle braucht die Batterie. Das hat man aber offenbar sowohl bei den Fahrzeugherstellern als auch bei der Forschungspolitik lange übersehen. Es gab viele Fördermilionen aus vielen Töpfen für die Illusion, dass Wasserstoff umweltverträglich und energetisch sinnvoll hergestellt und verteilt werden könnte.

„Wir wollen eine Führungsrolle bei den grünen Technologien spielen“, erklärte gestern Dieter Zetsche seine Motivation zum neuen Batterieengagement. Die wenigen Entwickler und Anbieter von Lihtiumionen-Batterietechnologie in Europa hätte es sicher gefreut, dies schon früher zu hören. Aber auch Dieter Zetsche hätte vor der Wirtschaftskrise sicher gezögert, einen Satz wie diesen zu sagen: „Wir untermauern unseren Anspruch, das Auto noch einmal neu zu erfinden, mit Taten.“ Damit meint er die Entscheidung von Daimler, sich nicht darauf zu verlassen, dass andere die richtige Batteriechemie und den richtigen Separator entwickeln, sondern sich mit dem LiTec-Engagement nun selbst darum zu kümmern und zunächst einen „niedrigen dreistelligen Betrag“ zu investieren.

Evonik-LiTec baut große Flachzellen mit keramischem Separator mit einer Energiedichte von 150 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) und hält mit dieser Technik 200 Wh/kg für möglich, doppelt so viel wie in einer Nickel-Metallhydrid-Batterie in heutigen Hybridfahrzeugen und vier Mal so viel wie bei einer Blei-Säure-Batterie.

„Wir haben keine Angst vor 500 000 Kilometern.“ So beschreibt Evonik-Forschungschef Dr. Alfred Oberholz seine Erwartung an die Lebensdauer seiner Batterie, zieht sich aber offiziell auf eine vorsichtigere Aussage zurück, wenn er von 3000 Vollzyklen spricht, also das komplette Entladen und wieder Laden der Zellen.

Mercedes-Benz hat für 2010 ein erstes Fahrzeuge mit Lithiumionen-Batterien angekündigt, den Mercedes-Benz S 400 Bluehybrid. Dessen Batteriezellen stammen allerdings nicht von LiTec, sondern vom französischen Hersteller Saft, der Lithiumionen-Rundzellen zur Batterievormontage an Johnson Controls liefert, dem amerikanischen Unternehmen, das einst den Markt- und Forschungsführer Varta aufkaufte. Die Continental AG setzt ihr Batteriemanagement oben drauf, und fertig ist die Mercedes-Benz-Batterie.

Daimler und Evonik luden jetzt Hersteller von Batteriemanaget-Systemen ausdrücklich zur Teilnahme am Joint venture ein. Auch für die Continental stehe die Tür in das Join venture offen, betonte Daimlers Forschungsvorstand Dr. Thomas Weber auf unsere Nachfrage. Insider aber wundern sich, warum der bisherige Hybrid-Batterie-Partner bei dieser Daimler-Aktivität nicht wieder mit an Bord ist.

„Mit uns wird es Elektroautos für alle geben“, schaut Evonik-Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Müller jetzt in Köln nach vorn. Als Ziel für 2020 nennt er eine Million E-Autos, was einem Batterieumsatz von rund zehn Mrd. Euro entsprechen würde. Aus beiden Zahlen darf man auf einen durchschnittlichen Preis einer Fahrbatterie fürs Auto von 10 000 Euro schließen. Das liegt um Größenordnungen über dem Preis für einen Benzin- oder Dieseltank. Müller meint aber, der hohe Batteriepreis werde zumindest zum Teil kompensiert, weil Elektromotoren deutlich billiger hergestellt werden können als Benzin- oder Dieselmotoren. Den Rest soll der vergleichsweise niedrigere Preis für den Kraftstoff aus der Steckdose zur Amortisierung des Elektroautos beitragen - sofern sich die Abgaben auf den Strom nicht ändern.

Auf dem Automobilsalon im nordamerikanischen Detroit, der Heimat der amerikanischen Automobilindustrie und dem Brennpunkt der Autokrise in den USA, wird Daimler nun im Januar erst einmal eine Studie eines batterieelektrischen Fahrzeugs zeigen. Unter dem Slogan „Bluezero“ soll dort ein modulares Konzept vorgestellt werden, mit dem – je nach Bedarf – Reichweiten von 200 km bis 600 km möglich sein sollen. Als Stellgröße bei der Reichweite wird die Größe der Batterie dienen. (ar/Sm)


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