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Kia-Modellpolitik: Suche nach Eigenständigkeit

27.04.2005
Kia-Modellpolitik: Suche nach Eigenständigkeit

In vergleichsweise unsicheren Zeiten stillen die weniger auf Prestige bedachten Autofahrer ihren Hunger auf Neuwagen gern mit fernöstlicher Kost. Und da Autos japanischer Provenienz längst zu Preisen europäischer Produkte verkauft werden, können koreanische Fahrzeuge die Kunden der Alten Welt überzeugen. Die Marke Kia erlebte in den vergangenen Jahren wohl deshalb einen märchenhaften Aufstieg.

Nachdem der drohende Bankrott des Unternehmens vor fünf Jahren nur durch den Zusammenschluss mit dem ebenfalls in Korea beheimateten Hersteller Hyundai abgewendet werden konnte, stiegen die Produktionszahlen nach der Sanierung in zweistelliger Höhe. Im Vergleich zu 2004 soll der Export der Marke nach Europa in diesem Jahr um 71 Prozent auf 412 000 Einheiten steigen. Insgesamt lag der Hyundai-Kia-Konzern im vergangenen Jahr bei einem Produktionsvolumen von rund 3,05 Millionen Fahrzeugen und so auf Platz sieben der Weltrangliste hinter PSA.

Der Weg soll weiter nach oben führen. Die Erweiterung des Modellangebots und vor allem Erneuerungen der bestehende Baureihen sollen den Erfolg garantieren. Erste Novität wird in diesem Jahr der neue Rio sein, der seinen ersten Messenauftritt beim Genfer Automobilsalon bereits hinter sich hat. Der Wagen - er kommt zunächst als zweitüriges Modell im Juni zum Einstiegspreis unter 11 000 Euro zu uns - wird mit drei Motoren angeboten. Im Oktober dieses Jahres steht dann die formale Erneuerung des Mittelklasselimousine Magentis an, sie wird den Weg nach Deutschland im Frühjahr 2006 antreten. Kurz drauf gehen die renovierten Großraumlimousinen Carens und Carnival an den Start. Sie erhalten ein moderneres Gesicht und ein straffer geschneidertes Interieur, der größere Carnival will dann unter anderem mit einer elektrisch öffnenden Heckklappe gefallen. Der Carens bekommt eine im Wagenboden versenkbare dritte Sitzreihe, er bietet insgesamt sieben Plätze.

In der gehobenen Mittelklasse ist Kia mit dem Opirus vertreten, der im Sommer 2006 ein erstes Facelift bekommen soll. Das SUV Sorento wird zur etwa zur gleichen Zeit aufgefrischt, die Runderneuerung des Picanto steht rund ein Jahr später an. Der Kleinwagen bekommt bereits in diesen Tagen zusätzlich einen 1,1-Liter-Vierzylinderdiesel mit 55 kW/75 PS. Und 2009 soll es dann auch einen Sportwagen unter dem Kia-Markenzeichen geben.

Für den stufenweisen Ausbau der Modellpalette hat Kia das 2003 neu errichtete Entwicklungs- und Designzentrum in Rüsselsheim beauftragt. Zudem entsteht gerade im slowakischen Zilina das erste Kia-Werk auf europäischem Boden, das 2006 mit der Produktion beginnt. 2 800 Mitarbeiter sollen dann bis zu 300 000 Autos im Jahr bauen, ein Teil der für Europa bestimmten Sorento-Produktion ist darunter zu finden. Hauptsächlich wird in Zilina jedoch der neue Kompaktwagen mit dem Entwicklungs-Code ED entstehen. ED bedeutet "European Dream", und ein kurz gelüfteter Schleier lässt einen durchaus knackig gezeichneten Wagen erkennen, der freilich einige Designmerkmale des Opel Astra zitiert, aber für die Formensprache der Korea-Marke ein wichtiger Schritt ist. Der ED ist Basis für weitere Modelle. 2008 könnte eine Coupé-Cabrio-Version erscheinen, kurz darauf ein Crossover-Kombi.

Die Suche nach der wahren Identität von Kia ist gleichwohl noch lange nicht abgeschlossen. Gegen die Schwestermarke im Konzern will man sich mit sportlicheren und leistungsstärkeren Fahrzeugen absetzen, Hyundai soll die eleganteren, gediegeneren Autos bauen. Aber ein einheitliches Gesicht ist auch bei den angekündigten Neuheiten bei den Minivans und Limousinen nicht zu entdecken. Der Erfolg verleiht Selbstsicherheit. Die aber sollte nicht von den notwendigen Standards ablenken, die für einen wirklich dauerhaften Erfolg Voraussetzung sind. Kia braucht ein typisches Gesicht der Modellpalette, sonst könnte die Zuneigung der Kunden schwinden. Zu kleine Räder in zu großen Radhäusern und unklar definierte Charakterzüge einer Karosserie gehören nicht zu den Grundlagen eines nachhaltigen Erfolges. Denn anderenorts warten bereits die nächsten Debütanten auf ihren Auftritt. Gleich in der Nachbarschaft arbeitet China an neuen Automobilen aus eigener Produktion. Und die könnten noch wesentlich günstiger angeboten werden als die Fahrzeuge aus dem aufstrebenden Korea. Michael Kirchberger/mid mid/mh


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