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China lockt die Autoindustrie trotz Unsicherheit

04.05.2005
China lockt die Autoindustrie trotz Unsicherheit

Premieren sind bei Automobil-Messen das Salz in der Suppe: Sie sind ein wichtiger Indikator für die Bedeutung jeder Auto-Schau. Und die eben zu Ende gegangene Auto 2005 in Schanghai lockte das Publikum mit mehr als 30 dieser Premieren. Die wichtigste Ausstellung im Reich der Mitte - sie wird jedes Jahr abwechselnd in Peking und Schanghai gehalten - zeigte, dass die europäischen und amerikanischen Hersteller noch immer den chinesischen Markt als den zukunftsträchtigen bewerten, im gleichen Maße jedoch auch die Leistungsfähigkeit der chinesischen Marken, die sich für den Schritt in den Westen rüsten.

Vor allem die deutschen Automobil-Marken setzen in China auf das Premium-Segment. 210.000 Millionäre soll es in China mittlerweile geben, die Zahl der als wohlhabend geltenden Menschen, die als potenzielles Klientel für höher preisige Autos gelten, liegt um ein Vielfaches darüber. 2,5 Millionen Automobile wurden im vergangenen Jahr im 1,3-Milliarden-Menschen-Markt verkauft. Und wer über die finanziellen Mittel verfügt, wählt aus Gründen des Prestiges ein Wagen mit Stern, Propeller oder vier Ringen am Kühlergrill.

Audi inszenierte einen ebenso gediegenen wie emotionalen Auftritt auf der Auto 2005 Shanghai. Die Marke hat nach eigenen Angaben immerhin rund 70 Prozent Anteil am Premium-Markt des Landes. Auf dem Stand debütierte der neue A6, er stammt aus der inländischen Produktion des Werkes Changchun und hat einen um zehn Zentimeter verlängerten Radstand, was besonders den Passagieren im Fond zu Gute kommt und ihm den Namen A6L einbringt. Ein herausragendes Raumangebot ist nach den Worten von Audi-Vorstand Ralph Weyler, verantwortlich für Marketing und Vertrieb, immer noch ein wesentliches Kaufargument für chinesische Kunden. Obwohl die Tendenz zum Selberfahren statt sich zu chauffieren zu lassen deutlich erkennbar ist. Drei Motoren bietet Audi zum Verkaufsbeginn in den 117 Händlerbetrieben. Die beiden V-Sechszylinder mit 2,4 und drei Liter Hubraum leisten 130 kW/177 PS und 160 kW/218 PS, der erste V8 in einem Audi in China arbeitet im A6L 4,2 und bringt es auf 246 kW/335 PS. Später soll der Zweiliter-FSI mit vier Zylindern und 125 kW/170 PS folgen. Der quattro-Allradantrieb ist für den 3.0 V6 und den 4.2 V8 zu haben, für sie steht eine Tiptronic-Automatik zur Wahl. Die frontgetriebenen Modelle können statt des handgeschalteten Getriebes eine stufenlose Multitronic-Automatik bekommen. Die Preise entsprechen etwa denen in Europa. BMW zeigt die neuen Generationen des 3er und des 5er, die ebenfalls mit dem beinahe kompletten Programm an Benzinmotoren in China angeboten werden, die Fahrzeuge stammen ebenfalls aus chinesischer Produktion. Daimler-Chrysler präsentiert das komplette Modellangebot. Neu sind in China die B-Classe und der CLS, außerdem stehen der Smart Forfour und der Chrysler 300C und natürlich die Maybach-Limousinen zur Schau. Von hohem Interesse - vielleicht noch nicht für den normalen Kunden, dafür umso mehr für die Vertreter des Verkehrsministeriums - sind die Studien einer S-Klasse mit Hybridantrieb und eines Forschungsfahrzeugs mit Brennstoffzelle.

VW führt in diesem Jahr den Golf GTI als automobile Spezialität in China ein. Für die Belange des Transports sind der neue Caddy und der Touran gedacht. Im Angebot sind außerdem der SUV Touareg, der sich deutlich besser verkauft als der Spitzen-VW Phaeton, für den man sich einen besseren Absatz durchaus vorstellen kann, wie es ein Markensprecher vorsichtig formuliert. Es mag freilich auch an der inländischen Begrifflichkeit der einzelnen Namen liegen, die den höherwertigen Volkswagen einen großen Erfolg versagen. Während BMW in der Landesprache "das kostbare Pferd" bedeutet, Mercedes-Benz "das galoppierende Pferd" heißt, lautet die Übersetzung von VW schlicht "die große Masse". Keine gute Voraussetzung also, um im Premium-Segment zu bestehen.

Porsche ist ebenso mit dem aktuellen Programm vertreten wie Ferrari und Lamborghini. Das eben in China gestartete italienische Audi-Tochterunternehmen will noch in diesem Jahr immerhin 30 Autos verkaufen, Ferrari hat es in den vergangenen 12 Monaten auf 40 Einheiten gebracht.

Wirklich neue und interessante Exponate zeigen die chinesischen Hersteller. Chery präsentiert die Modelle A21, eine viertürige Limousine mit 4,52 Meter Länge, die alle modernen europäischen Stilelemente zitiert, und den Kombi B14 (4,66 Meter lang) im ebenfalls sehr westlich anmutenden Kleid. Die Wagen sollen in der zweiten Jahreshälfte unter anderem mit einem Zweiliter-Turbobenziner (144 kW/196 PS) und einem 93 kW /126 PS starken 1,9-Liter-Dieselmotor in Serie gehen. Und dies birgt Brisanz. Der chinesische Markt selber fordert weder Kombi-Limousinen noch Dieselmotoren, die entsprechenden Modelle werden wohl bald den preisgünstigen Angeboten in Europa Konkurrenz machen. Brilliance Motor, Kooperationspartner von BMW, hat bereits auf der AMI in Leipzig ein Auto für das Billig-Segment vorgestellt. Chery sucht sogar nach einer geeigneten Fertigungsstätte seiner Fahrzeuge in Europa.

FAW (First Automotive Works) der Joint-Venture-Partner von Audi, VW, Toyota und Mazda zeigt eine Studie der Luxuslimousine Hongqi, einer Neuauflage der 1958 zum ersten Mal gebauten Staatskarosse "Rote Fahne". Sie sieht aus wie ein Rolls-Royce, ein Zufall, wie der chinesische Unternehmenssprecher betont. Der gut sechs Meter lange Wagen soll im August 2008 auf die Straßen kommen, genau zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking. Der Hersteller SIAC hat die Studie eines Geländewagens dabei, SUV- und Crossover-Formen sind bei jeder China-Marke zu entdecken.

Audi-Vorstand Weyler rechnet trotz der steigenden Zahl von Wettbewerbern auf dem chinesischen Markt mit weiterem Wachstum. Audi hat eine lange Geschichte in diesem Land und beim Kunden einen vorzüglichen Ruf, sagt er. Die steigenden Ansprüchen werde man eventuell mit der Einführung des demnächst in Deutschland debütierenden SUV Q7 begegnen. Eine Produktion in China sei bei einer zu erwartenden relevanten Stückzahl denkbar.

Die chinesische Regierung versucht unterdessen, das nach ihrer Meinung ungesund schnelle Wachstum des Marktes einzudämmen. Im Mai vergangenen Jahres wurden aus diesem Grund die Regularien für eine Kreditvergaben verschärft. BMW hatte im gleichen Monat mit dem Verkauf der 3er- und 5er-Baureihe begonnen und musste als Folge der Regierungs-Maßnahme die Preise umgehend um rund 13 Prozent senken. Das Wachstum konnte dennoch nicht verringert werden. Im ersten Quartal 2005 stieg das Bruttoinlandsprodukt wiederum um 9,5 Prozent, in den Zentren der Wirtschaft lag es sogar deutlich über zahn Prozent. Kein Wunder also, wenn die europäischen Hersteller China weiter als das Land der Verheißungen betrachten. Fraglich bleibt nur, wie lange die einheimischen Marken noch brauchen, um auf die Partnerschaft der erfahrenen Hersteller aus dem Ausland verzichten zu können. Michael Kirchberger/mid mid/mh


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