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LEDs: Neue Wege zur Erleuchtung

01.06.2005
Wer hinter einen Volkswagen Phaeton herfährt, hat bestimmt dessen außergewöhnliches Heckleuchtendesign erkannt. Insgesamt mehr als 80 LEDs (Light Emitting Diodes Leuchtdioden) sorgen für Erleuchtung. Was bei Rückleuchten vor allem im Hochpreissegment längst zum Alltag gehört, soll in absehbarer Zeit auch die Frontscheinwerfer revolutionieren. Der Zulieferer Visteon hat jetzt in Essen zu einem Workshop geladen, in dem Fachleute die Zukunft der kleinen Leuchten erläuterten.

Bereits im kommenden Jahr wird Visteon in den USA den Cadillac STS mit Frontscheinwerfern anbieten, die mit LEDs arbeiten. Weitere Fahrzeuge werden folgen. In Deutschland wird eine vergleichbare Lösung aber noch mindestens drei Jahre auf sich warten lassen. Grund ist nicht die Unzulänglichkeit der deutschen Autobauer und Zulieferer, sondern die europäische Gesetzgebung: Dr. Karl Manz vom Lichttechnischen Institut in Karlsruhe erklärte das ausgesprochen komplizierte Prozedere, bis eine technische Neuheit durch die Mühlen der Gesetzgebung läuft. Wenn nur ein Land gegen eine Neuerung Einwände erhebt, scheitert das Verfahren. Das führt inzwischen dazu, dass die Amerikaner bei der Entwicklung und der Umsetzung der neuen Technologie einen Vorsprung haben. Dr. Wolfgang Huhn, bei Audi Leiter der Entwicklung "Licht und Sicht", bringt es auf den Punkt. "Wir werden abgehängt durch die europäische Bürokratie. Das ist inzwischen zu einem Selbstläufer geworden."

LEDs konvertieren elektrischen Strom in Licht - so wie Glühwürmchen das in der Natur tun. Sie sind deshalb so interessant für die Autobauer, weil sie diverse Vorteile bieten: Die kleinen Silikonplättchen lassen völlig neue Designideen zu, weil sie sich in vielen Formen und Farben verbauen lassen. Weil die Lebensdauer die eines normalen Autos übersteigt, muss in der Theorie nie wieder eine Glühlampe ausgewechselt werden. Fall aber doch mal etwas ausfällt, müssen die LED-Einheiten austauschbar sein. Und das könnte ein Teurer Spaß für den Fahrzeugbesitzer werden, wenn ein kompletter Scheinwerfer leicht über 1000 Euro kostet.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. LEDs sind, weil sie für die Anwendung im Fahrzeug bisher nur in relativ kleiner Stückzahl produziert werden, relativ teuer. Derzeit rechnen die Hersteller mit einem höheren Preis als für ein Xenon-System, obwohl es auch dort klare Vorgaben gibt. Audi-Entwickler Huhn: "Wenn LED zum Xenon-Preis kommt, dann bitte auch mit Xenon-Performance." Die Lichtausbeute ist derzeit schlechter als bei den gängigen Xenon-Scheinwerfern, so dass der Kunde viel Geld für Design und Technologie bezahlen müsste, aber dafür vorerst kein besseren Licht erhält. Das Potenzial ist hier aber nach Angaben der Fachleute noch lange nicht ausgeschöpft. Dr. Oliver Rösch von Lumileds geht davon aus, dass die LEDs bereits im kommenden Jahr Lichtwerte von 100 Lumen erzielen, auch die anderen Zulieferer sind auf diesem Stand. Damit hätten die Ingenieure das erreicht, was ihnen die Hersteller ins Lastenheft geschrieben haben. Weil die Leuchtdichte der LED-Scheinwerfer derzeit noch geringer ist als bei Xenon-Systemen, könnten die Scheinwerfer größer ausfallen als herkömmliche Systeme.

LEDs sind nicht einfach zu verbauen, weil sie im Betrieb sehr viel Wärme abgeben. Und je heißer es wird, desto weniger Licht erzeugen die LEDs. Die Ingenieure bei den Zulieferern wie Hella, Osram, Lumileds, Schefenacker Vision Systems oder Visteon müssen sich also vor allem um erfolgreiches Thermomanagement bemühen, bevor der Einsatz in Serienfahrzeug beginnt. Der große Vorteil der kompakten Abmessungen der LEDs wird durch den benötigten Raum für die Kühlung wieder wett gemacht.

Ein Problem ist auch die so genannte "psychologische Blendung" anderer Verkehrsteilnehmer. Neue Lichtsysteme sind anderen Autofahrern am Anfang oft unangenehm - das war bei der Einführung der ersten Xenon-Systeme Anfang der Neunziger Jahre nicht anders. Um weißes Licht zu erzeugen, setzen die Zulieferer durchweg auf blaue Leuchtdioden mit Phosphorbedampfung. Die Blauanteil in diesem Licht sorgt für das Blendungsgefühl.

Derzeit prognostizieren Audi und Volkswagen zwei Szenarien für die Zukunft der deutschen Autobauer in Sachen LED. Entweder die LEDs setzten sich schnell durch, die Amerikaner fördern die Technologie und hängen die Europäer ab. Oder, so die zweite und nach Ansicht der Fachleute realistische Variante: Vorerst kombinieren die Hersteller Xenonlicht mit Leuchtdioden, so genannte Hybridsysteme. Dabei könnte das Fern und Abblendlicht mit Xenonlampen bestückt werden, andere Funktionen wie Tagfahrlicht, Blinker oder Nebellampen übernehmen die LEDs. Als Zeitfenster sehen die Ingenieure einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren, wenn die Gesetzgebung mitspielt. Notfalls müssen die Hersteller - wie Audi es möglicherweise beim Sportwagen R9 machen könnte, der mit LED-Frontscheinwerfern bestückt ist - über eine Ausnahmeklausel eine Sondergenehmigung erwirken.

Erste Prototypen existieren bereits. So hat Visteon auf der SAE-Tagung in Detroit im April einen Cadillac STS mit LED-Licht vorgestellt, Hella und Volkswagen haben gemeinsam einen Golf 5 mit dem System ausgestattet. Audi hat gleich zwei Studien (Le Mans und Novulari Concept) mit der neuen Technik vorgestellt. Das ist aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. In Zukunft werden wir intelligente LED-Scheinwerfer haben, die sich zum Beispiel mit Hilfe von Sensoren an schlechtes Wetter oder Verschmutzung anpassen. Wenn die Sicht durch Nebel oder Regen schlechter wird, erhöhen die LEDs die Leuchtintensität. Auch die Zahl der benötigten Leuchtdioden dank höherer Leistung wird immer weiter sinken, das reduziert die Kosten. Und auch wenn die neue Lichttechnik keine besseren Ergebnisse bringt als Xenonlicht, so dürfen wir uns in den kommenden Jahren auf aufregende Design-Lösungen freuen.

Die Akzeptanz der Kunden ist noch zwiespältig. Visteon hat in den USA 650 Autofahrer befragt, ob sie sich ein Fahrzeug mit LED-Frontscheinwerfern kaufen würden. Das Interesse war durchaus vorhanden, allerdings nicht die Bereitschaft, für die neue Technik auch viel Geld zu bezahlen. Sobald das System mehr als 250 Dollar kosten sollte, war Begeisterung nur noch bei Käufern im Hochpreissegment auszumachen. Visteon bringt den Cadillac STS trotzdem, auch wenn das Unternehmen dabei draufzahlt. Laut Dr. Rainer Neumann, Leiter für die Entwicklung von Fahrzeugbeleuchtung, ist der Caddy ein "Prestige-Objekt". (ar/sb)


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