IAA 2005: Ein erster Blick nach Frankfurt
23.06.2005
Noch ist es einige Wochen hin bis zur 61. Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt. Und doch blickt die gesamte Branche schon jetzt wieder auf die weltweit bedeutendste Fahrzeugmesse, die alle zwei Jahre mit einer Vielzahl von Neuheiten und Premieren aufzuwarten weiß.
Zum IAA-Stern schlechthin dürfte in diesem Jahr die neue Mercedes-Benz S-Klasse werden. Das Flaggschiff der Marke und in gewisser Weise auch der gesamten deutschen Automobilindustrie soll für die Geschäftswelt und wenige Privatfahrer in seiner fünften Generation wieder zum Maßstab für Luxus und Sicherheit werden. Einige Stammkunden dürften aber auch zur neuen R-Klasse abwandern, die in der europäischen Version in Frankfurt debütiert. Der Raumriese versteht sich als großzügig geschnittener Sporttourer mit viel Platz für bis zu sechs Personen, jeweils auf Einzelsitzen: eine Art großer Bruder der ebenfalls erst jüngst vorgestellten B-Klasse.
Die Rivalen aus München halten gegen die Stuttgarter Edel-Offensive mit sportlichen und funktionalen Modellen dagegen. So gesellt sich zu der erst im März vorgestellten neuen BMW 3er Limousine jetzt das Kombi-Pendant, wie immer bei BMW als "Touring" bezeichnet. Noch mehr Platz und Variabilität darf man vom ersten echten BMW-Van erwarten, der ebenfalls auf dem Stand zu sehen sein wird. Dann dürfte man auch erstmals erfahren, welchen Namen das neueste Münchner Kindl letztlich erhält, denn die bisher zur Verschleierung der Pläne benutzte schaurig-sperrige Bezeichnung "Raumfunktionales Konzept" hat ausgedient. Die sportlichen Gene der Marke bedienen zudem neue M-Varianten für den Z4 und das M6 Cabriolet.
Die dritte deutsche Edelmarke Audi bringt von der Donau zwei Neuheiten mit an den Main. Das A4 Cabriolet will sich auch künftig mit einem traditionellen Stoffdach wohltuend vom gegenwärtig vorherrschenden Trend zum versenkbaren Stahldach abheben. Zudem treten die Ingolstädter mit dem Q7 an, einem siebensitzigen Geländewagen, der gemeinsam mit dem VW Touareg und dem Porsche Cayenne in der Slowakei gefertigt wird. Er soll in diesem Trio die Rolle des geräumigen Sportlers spielen und verfügt dazu über quattro-Allradantrieb, nicht aber über eine Getriebeuntersetzung für schwereres Gelände. Dafür soll jedoch ein Hybridantrieb die Verkaufschancen des Audi-SUV in den USA erhöhen.
Ob Porsche im September Neues zu seiner vieldiskutierten vierten Modellreihe durchblicken lassen wird, steht noch nicht fest. Wird es - wie wahrscheinlich - ein sportlicher Viertürer, oder ist doch eine Art Kombi geplant? Konkret ist dagegen der erstmalige öffentliche Auftritt des neuen Cayman. Technisch und im Innenraum als Schwestermodell des Boxster zu erkennen, gibt sich der Zweisitzer von außen überraschend eigenständig. Dies lassen sich die Sportwagen-Spezialisten einmal mehr großzügig bezahlen: Rund 6 000 Euro beträgt der Aufpreis des geschlossenen Cayman zum offenen Boxster. Auch mit im Gepäck haben die Stuttgarter einen überarbeiteten Cayenne.
Volkswagen kommt mit den meisten Neuheiten und Neuerungen nach Frankfurt. Im Mittelpunkt stehen dabei sicher die neueste Version des deutschen Volkskombis, der Passat Variant, sowie das VW Cabriolet mit Stahlklappdach. Dieses erhält zwar seine Technik überwiegend von der Golf-Baureihe, ist aber in seinen Abmessungen zwischen dem Kompakt-Star und dem Passat positioniert. Der neue Golf mit Stufenheck heißt nun wieder Jetta und stellt einen weiteren Versuch des Unternehmens dar, das in den USA erfolgreiche Konzept auch in Europa und vor allem in Deutschland zum Erfolg zu führen. Die Steigerung des Golf GTI hört auf den Namen R32 und soll mehr als 250 PS auf die Räder bringen. Ebenfalls alles andere als untermotorisiert zeigt sich der Polo GTI mit satten 150 PS, die aus einem 1,8-Liter Benzinmotor geschöpft werden. Auch noch mit dabei haben die Wolfsburger einen um 30 PS auf 331 kW/450 PS leistungsgesteigerten Phaeton W12.
Am Opel-Stand werden sich wohl besonders dichte Menschentrauben um einen Wiedergänger bilden. Die Rüsselsheimer wollen in Frankfurt den legendären GT neu beleben. Klingt romantisch, ist aber hartes Kalkül. Denn zum einen löst der GT den kompromisslosen Speedster ab und zum anderen basiert er zu großen Teilen auf dem Pontiac Solstice, ist also keine echte Neuentwicklung. Und noch ein bekannter Name wird uns bei der Blitz-Marke wieder begegnen: Der Geländewagen Opel Frontera kommt zurück und füllt damit eine schmerzliche Lücke im Modellprogramm. Mit einem Facelift für die Baureihe Vectra/Signum sollen zudem die zuletzt etwas schwächelnden Absatzzahlen der Mittelklasse-Baureihe neu belebt werden. Verstärkung erhält die Astra-Baureihe durch ein Cabriolet. Es wurde dieses Mal nicht von Bertone gezeichnet, sondern kommt aus der hauseigenen Design-Abteilung und hat statt des Stoffdachs eines aus Stahl zu bieten.
Auch Ford reist mit einer offenen Version des Focus an. Die Kölner ließen allerdings Pininfarina ans Zeichenbrett. Angelehnt an die Studie "Vignale" wird das Focus Cabrio - wie seine Wettbewerber von VW und Opel - mit einem klappbaren Stahldach ausgerüstet. Ebenfalls dabei: der zwischen dem C-Max und dem Galaxy angesiedelte sportliche Van. Als Konzeptfahrzeug wurde es unter "Sport Activity Vehicle" geführt, in der Serie könnte es S-Max heißen. Ford Fiesta und Fusion zeigen sich in Frankfurt frisch facegeliftet, genauso wie der Mondeo. Und der Focus ST 220 will sich als Jäger des Golf GTI positionieren. Unter den Importeuren stellen auf der IAA wieder die Japaner das größte Kontigent. Mit einer Reihe pfiffiger neuer Kompakt- und Kleinwagen gehen sie an den Start. So überzeugt zum Beispiel der Daihatsu Gino als Cuore im Lifestyle-Design mit extra großem Kühlergrill und runden Scheinwerfern. In Japan läuft das Fahrzeug bereits unter dem Namen Mira Gino, das Verkaufsziel für Deutschland liegt bei optimistischen 10 000 Einheiten.
Honda geht mit der neuen Generation der großen Limousine Legend an den Start, die einige technische Leckerbissen zu bieten hat. Für den deutschen Markt interessanter ist aber sicher der neue Civic, der durch eine auffällige Optik für Aufsehen sorgen will. Bei Mazda steht selbstverständlich die dritte Generation des Roadsters MX-5 im Mittelpunkt, die Veränderungen zum Vorgänger sind umfangreich, fallen aber erst auf den zweiten Blick auf. Eine wichtige Vorschau auf den kommenden neuen Mazda2 wird ein Concept Car in Frankfurt liefern.
Nissan tritt auf der IAA mit dem Almera-Nachfolger Tone auf und hat zudem die Serienversion des Concept-SUV Qashqai im Gepäck. Vor allem das weibliche Geschlecht wird sich wohl zum Micra C+C hingerissen fühlen. Der Kleinwagen mit klappbarem Stahldach überzeugt unter anderem durch einen vergleichsweise großen Kofferraum. Ebenfalls auf den Trend zum versenkbarem Stahldach springt Mitsubishi mit der C+C-Version des Colt auf. Außerdem zeigt die krisengebeutelte Marke die nunmehr neunte Stufe des Lancer Evo mit im Vergleich zum Evo VIII nochmals mehr Leistung. Es wird die letzte Supersportversion auf Basis des aktuellen Lancer sein.
Während Suzuki sich in erster Linie auf den neuen Grand Vitara konzentriert, der mit einem 2,0-Liter-Benzinmotor an den Start geht, hat Toyota mit dem neuen Yaris ein für die Marke in Europa extrem wichtiges Modell in petto. Außerdem zeigt die weltweit erfolgreichste japanische Marke mit dem RAV4 die neueste Version des Ur-SUV. Edel-Tochter Lexus ist mit dem neuen IS 250 vertreten. Das sportliche Mittelklasse-Modell hat einen leistungsstarken 2,5-Liter Benzinmotor unter der Haube, ist aber auch mit einem 2,2-Liter-Diesel zu haben. Etwas besonderes ist von Subaru zu sehen: Ein neuer Kleinwagen (R1/R2) kommt als erstes Fahrzeug der Marke nicht mit Allrad-, sondern mit Frontantrieb nach Deutschland. Ebenfalls dabei: der neue Impreza und der sportliche B9 Tribeca.
Im Vergleich zur japanischen Phalanx fällt der Auftritt der französischen Marken etwas gemäßigter aus. Bei Citroen wird das Facelift des C3 von der Rückkehr der Marke in die gehobene Mittelklasse überstrahlt: Der neue C6 tritt in der 50 000-Euro-Liga an. Deutschland soll wichtigster Markt für das Modell sein. Peugeot hat eine sportliche Version des 1007 im Gepäck. Der 1007 RC ist Kind einer Kooperation mit Tuner Irmscher, wird aber nur optisch und nicht beim Antrieb aufgemotzt. Vom kommenden Peugeot 207 ist in Frankfurt immerhin eine Studie zu sehen und die erstmals in Deutschland auftretende Coupé-Version des 407 soll in die Fußstapfen des jetzt schon als Klassiker gehandelten Vorgängers vom Typ 406 treten. Bei Renault schließlich konzentriert sich alles auf den neuen Clio. Bleibt zu hoffen, dass dem kleinen Franzosen nicht von der Kombi-Version des Billigheimers Dacia Logan die Show gestohlen wird.
Während VW-Tochter Seat mit dem neuen, im Vergleich zum Vorgänger noch einmal etwas sportlicher geratenen Leon antritt, hat die andere VW-Tochter Skoda in Frankfurt die RS-Version des Erfolgsmodells Octavia dabei. Aus Italien direkt in die Herzen der Alfisti will die Kombi-Version des neuen Alfa 159 fahren. Mindestens ebenso emotional ist der GTV-Nachfolger Brera mit einer aufregenden Linienführung ausgefallen. Und vom Alfa 147 wird es am Main eine 4x4-Version zu sehen geben. Bei Fiat selbst gibt es ebenfalls Neues zu sehen, so etwa den Punto, ein SUV auf Basis des Idea und einen allradgetriebenen Panda als SUV auf Simba-Basis. Dem Doblo haben die Italiener zu guter Letzt noch ein Facelift mit auf die Reise nach Deutschland gegeben. Ferrari hat voraussichtlich den F600 Imola dabei. Der Nachfolger des 575 hat einen 6,0-Liter-Motor mit 600 PS Leistung. Lamborghini setzt ebenfalls auf absolute Sportlichkeit mit dem Gallardo Spider, der für die Kleinigkeit von 160 000 Euro zu haben sein wird.
Neben Bentley, die den Arnage Drophead vorstellen, und Rolls-Royce, die den auf Basis des Phantom erstellten Corniche zeigen, hält so richtig eigentlich nur noch Jaguar das Fähnlein der Autonation Großbritannien in den Wind. Bei der Ford-Tochter ist allen voran der neue XK8 - auf jeden Fall als Coupé und vielleicht auch als Cabriolet - zu sehen. Der XJ als Sovereign mit langem Radstand und als Spitzenmodell Daimler sowie der neue XJD mit 2,7-Liter Dieselmotor vervollständigen das recht umfangreiche Aufgebot an Jaguar-Neuheiten für Frankfurt. Aus Europas Norden reisen Volvo und Saab an. Volvo zeigt das neue C70 Cabriolet, an dem Pininfarina mitgewirkt hat. Saab hat den 9-5 noch einmal überarbeitet und präsentiert zudem den 9-7 X, ein SUV auf Basis des Chevrolet Trail-Blazer wahlweise mit 4,2-Liter-V6 oder 5,3-Liter-V8-Motor.
Apropos Amerikaner: Cadillac hat den BLS im Gepäck, ein bei Saab produziertes Fahrzeug auf Basis des Opel Vectra mit 2,8-Liter-V6-Motor, das wahlweise aber auch mit den 1,9-Liter-Turbodieseln aus der Opel/Fiat-Entwicklung zu haben ist. Für die Modelle XLR und STS gibt es jeweils eine V-Serie. Dahinter versteckt sich ein 4,4-Liter-Kompressor-Motor mit 324 kW/440 PS. Chrysler hat den PT Cruiser überarbeitet und dem Crossfire ein neues Interieur verpasst. Neu für den 300 C ist eine Diesel-Motorisierung für Europa und die Spitzenversion SRT-8 mit einem 6,1-Liter-V8-Motor, der es auf 313 kW/425 PS bringt.
Bleiben noch die Koreaner, zu denen neuerdings ja auch Chevrolet zu zählen ist. Die ehemalig als Daewoo bekannte Marke fährt mit dem neuen Evanda, dem SUV S3X sowie der Crossover-Studie T2X vor. Kia hat einen Dieselmotor für den Kleinwagen Picanto dabei und zeigt zudem die neue Generation der Mittelklasse-Limousine Magentis. Hyundai präsentiert den zur oberen Mittelklasse gehörenden Grandeur und eine Studie des kommenden SUV Santa Fé. Facelifts vom Getz und vom Matrix sowie das Coupé mit neuer Spitzenmotorisierung ergänzen das Aufgebot des größten koreanischen Herstellers. Schließlich ist auch Ssangyong in Frankfurt präsent: Der Kyron tritt in die Fußstapfen des Musso und der SUC in die des Korando.
Bis zu Messebeginn Mitte September ist es noch einige Zeit hin. Es darf also damit gerechnet werden, dass die jetzt schon große Zahl der Neuheiten bis dahin noch weiter anwächst. Einerseits schön für die Zuschauer, andererseits aber auch schwierig, denn wie immer ist die IAA an einem Tag praktisch nicht zu schaffen. So heißt es also, den Weg durch Frankfurts Messehallen genau zu planen und schweren Herzens einige Stände auszusparen. Peter Eck/Michael Hoffmann/Wolfram Nickel/mid