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Landwind und Co: Die Chinesen kommen

08.07.2005
Landwind und Co: Die Chinesen kommen

Der Brilliance Zhonghua soll noch in diesem Jahr auf den deutschen Markt kommen
Die Chinesen machen Ernst: In diesen Tagen hat in Antwerpen der erste Frachter mit 200 Fahrzeugen aus chinesischer Produktion festgemacht. Die Geländewagen Landwind der Marke Jiangling sollen künftig in Europa für rund 17 000 Euro verkauft werden und sind der Vorbote einer wahren China-Offensive.

Die nächsten Schiffe mit Landwind-Ladung dürften schnell folgen: Für die ersten 200 Fahrzeuge will der Auto-Importeur Peter Bijvelds schon Käufer in den Niederlanden gefunden haben, im laufenden Jahr rechnet er mit insgesamt 2 000 Verkäufen. Später soll der Landwind - übrigens ein Klon des bis 2003 produzierten Opel Frontera - auch in anderen europäischen Ländern einschließlich Deutschland angeboten werden. Und er bleibt nicht das einzige Fahrzeug aus dem Reich der Mitte, das in diesem Jahr nach Europa kommt. Schon auf der Leipziger Auto Mobil International (AMI) Anfang April hatte der Hersteller Brilliance, bislang nur als Joint-Venture-Partner von BMW bekannt, die Limousine Zhonghua vorgestellt, die noch in diesem Jahr zu haben sein soll.

Die Stufenheck-Limousine weist mit 4,88 Metern Länge und 550 Litern Kofferraumvolumen Gardemaße der Oberklasse auf, soll aber selbst in der Top-Ausstattung weniger als 20 000 Euro kosten. Und dabei vermeiden die Chinesen auch die Designsünden, die Japaner und Koreaner bei ihrem Start in Europa noch begangen hatten. Sie werden, glaubt Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut an der Fachhochschule Gelsenkirchen, wesentlich schneller und mit weniger Fehlern vorankommen als ihre asiatischen Konkurrenten.

Der Zhonghua ist zwar weit davon entfernt, eigene optische Akzente zu setzen, und bedient sich lieber bei BMW oder Lancia, aber er wirkt durchaus ansehnlich. Probleme dürften eher die schmale Motorenpalette ohne Diesel, die überschaubare Sicherheitsausstattung ohne ESP und Seiten- oder Kopfairbags sowie die noch unklaren Vertriebswege bereiten. Denn der Importeur Euro Motors mit Sitz in Gibraltar hat noch nicht verlauten lassen, wie er die Fahrzeuge unters Volk bringen will. Denkbar sind ein zentraler Händler für das ganze Land oder der Verkauf etwa in Kooperation mit Werkstattketten. Beide Vertriebsmodelle sind allerdings nicht dazu angetan, im Deutschland der großen Autohäuser für nachhaltigen Erfolg beim Kunden zu sorgen. Dennoch ist der Schritt nach Europa und in die USA für die asiatischen Autobauer fast zwangsläufig: Der aufgeheizte Heimatmarkt ächzt unter Überkapazitäten und einem scharfen Wettbewerb; wer weiter wachsen will, muss die Landesgrenzen überschreiten.

Das probiert momentan auch Chinas größter Autokonzern, die Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC). Deren Strategie heißt "Übernahme": Der angestrebte Kauf des insolventen britischen Herstellers MG Rover ist zwar gescheitert, nun aber wird über Pläne spekuliert, SAIC wolle sich beim ebenfalls angeschlagenen Fiat-Konzern einkaufen. Dabei sind die Chinesen längst in Europa vertreten: Seit einem Jahr ist der Konzern im Besitz des koreanischen Geländewagenherstellers SsangYong, der in Deutschland in diesem Jahr rund 1 300 Fahrzeuge und 2007 schon 3 500 Einheiten absetzen will.

Imagehürden sind für die chinesischen Marken eher nicht zu erwarten: Japaner und Koreaner haben hier in jahrelanger, mühevoller Arbeit den Boden bereitet und den deutschen Skeptikern bewiesen, dass Fahrzeuge aus Asien nicht nur konkurrenzfähig, sondern beispielsweise im Hinblick auf die Zuverlässigkeit sogar besser als europäische Modelle sein können. Wie man Autos baut, lernen die Chinesen seit Jahren in Joint Ventures mit Partnern wie VW, BMW oder General Motors.

Auch beim Design geht man auf Nummer sicher: Das Unternehmen Chery, das neben den Wettbewerbern Geely und Brilliance auf der IAA im September vertreten sein wird, hat bewährte italienische Designschmieden wie Bertone und Pininfarina mit der Gestaltung der neuen Modelle für Europa beauftragt. Auch wenn sich die italienischen Designer ihre Meisterstücke in der Regel für Alfa und Konsorten aufheben, so sind hier doch geschmackssicher gestaltete Fahrzeuge zu erwarten. Wolfgang Meinig von der Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft hat jedenfalls keinen Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit der Fahrzeuge aus Fernost: Die Chinesen erfüllten mittlerweile alle erforderlichen Qualitätsstandards und werden in spätestens fünf Jahren "die Rolle einnehmen, die heute koreanische Fahrzeugmodelle spielen". Meinigs Kollege Dudenhöffer rechnet damit, dass sie 2010 einen Marktanteil von drei Prozent in Deutschland und Europa erreichen. Vor allem Einsteigermarken wie Kia, Hyundai, Chevrolet oder Fiat gelten als Angriffsziele der Chinesen.

Geely und Chery wollen den europäischen Markt vor allem mit günstigen Klein- und Kompaktwagen aufmischen, aber in Frankfurt dürften auch ein Van und ein Pick-Up zu sehen sein. Der Hersteller Chery, der unlängst wegen einer allzu auffälligen Kopie des Kleinwagens Matiz im Clinch mit Daewoo/Chevrolet lag, hat unter allen chinesischen Autobauern die ehrgeizigsten Pläne: Derzeit sucht das Unternehmen einen Produktionsstandort in Mittel- oder Osteuropa, wo ab 2007 die ersten Fahrzeuge vom Band laufen sollen. Die Produktion in der Nähe des potenziellen Kunden: Das ist ein Prinzip, das schon Toyota oder Nissan zum Erfolg verholfen hat. Nicht die schlechtesten Vorbilder für einen aufstrebenden Autobauer. Michael Hoffmann/mid mid/mh


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