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61. IAA: Hoffnungen und Visionen der Autobranche

13.09.2005
Die aktuelle Diskussion um die Kraftstoffpreise an den Tankstellen hätte der Autobranche fast die gewollte Aufbruchstimmung verhagelt. In der Woche vor Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) haben daher gerade die deutschen Automobilhersteller noch schnell neue Bündnisse zur Entwicklung von alternativen Antriebskonzepten verkündet. So kann sich der Messebesucher mit dem Gefühl "Die tun was" beruhigt der "Faszination Auto" hingeben. Und zum Freuen und Staunen über ausgereifte Technik, raffinierte Ideen und verblüffende Konzepte in den Bereichen Antriebstechnik, Sicherheit, Design und Komfort gibt es auf dieser internationalen Leitmesse genug.

Bei den deutschen Herstellern beansprucht Mercedes-Benz mit der neuen S-Klasse eine Führungsrolle auf dieser Messe. Obgleich das Flaggschiff der Marke im Heckdesign mit dem leicht hochgesetzten Kofferraumdeckel sowie mit dem Drehknopf zur Bedienung des Kommunikationssystems Comand an den BMW 7er erinnert, wäre Mercedes nicht Mercedes, wenn nicht eine ganze Reihe von Innovationen mit an Bord wären. Dazu gehören unter anderem das verbesserte Pre-Safe-System zur Vermeidung von Unfällen, das um ein Nachtsichtsystem und einen neuen Bremsassistenten erweitert wurde, ein komfortabler Massagesitz für den Fahrer und neue Entertainmentsysteme für die Fondpassagiere. Weltpremiere feiert im S 500 der V8-Motor mit 5,5 Litern Hubraum und 285 kW/388 PS Leistung. Im Jahr der Qualitätsmängel und Managerwechsel ist es fast zwingend, dass die neue S-Klasse für Mercedes-Benz ein Erfolg wird.

Nicht im Schatten dieses Sterns stehen will das neue Luxus-SUV von Audi, der Q7. Der zusammen mit dem VW Touareg und dem Porsche Cayenne in der Slowakei gefertigte Raumriese bietet auf knapp 5,10 Metern Gesamtlänge und bei drei Metern Radstand bis zu sieben Passagieren auf drei Reihen Platz.

Im BMW-Zelt wird mit der seit dem Frühjahr 2005 neu in den Markt eingeführten 3er-Reihe die für den Hersteller vom Volumen her wichtigste Baureihe präsentiert. Besondere Aufmerksamkeit verdient die ganz frische Kombi-Version Touring und in der 1er-Reihe der neue BMW 130i, dessen Sportwagen-Talente im Stand nur zu erahnen sind. Außerdem stellen die Münchener das BMW Z4 Coupé der Öffentlichkeit vor und zeigen verschiedene Antriebskonzepte in einem BMW X3-Geländewagen.

Bei Volkswagen bildet das neue Cabriolet Eos einen glänzenden Abschluss zu einem Jahr der Neuheiten. Hinter diesem griechischen Namen verbirgt sich die Neuauflage des Golf-Cabrios, das jedoch in der Länge stark gewachsen ist und sich eher in Richtung Passat orientiert. Der Viersitzer zeigt eine nach hinten stark ansteigende Schulterlinie und ein schlicht gehaltenes Heck mit den vom Jetta bekannten Heckleuchten. Dadurch wird der "Rucksackeffekt" bei dem zu Preisen ab 25 950 Euro erhältlichen Cabrio weitgehend vermieden. VW setzt auf ein festes klappbares Stahldach genauso wie Opel beim Astra Twin Top, Volvo mit dem C70 oder Nissan beim Micra C+C, wodurch die Fahrzeuge für alle Jahreszeiten gerüstet sein sollen. In diese Riege lassen sich auch die noch als Studien gezeigten Coupé-Cabrios Mitsubishi Colt C+C sowie das Ford Focus-Cabrio Vignale einreihen, die ab 2006 bei Pininfarina produziert werden.

Peugeot tritt mit dem 407 Coupé den Beweis an, dass man auch ohne Hilfe der Italiener schöne Autos entwerfen kann. Die Front des Zweitürers wird selbstverständlich vom markentypischen "Haifischmaul" geprägt. Fiat will mit dem Grande Punto bewusst ein Stück aus der Kleinwagenklasse herauswachsen. Das angeschlagene italienische Unternehmen setzt große Hoffnungen in das um 19 Zentimeter auf 4,03 Meter Länge gestreckte Volumenmodell. Mit der weit nach unten gezogenen Frontschürze und angeschrägten, etwas nach Maserati aussehenden Scheinwerfern wirkt der als Drei- und Fünftürer erhältliche Wagen dynamisch und ganz auf der Höhe der Zeit.

Schon fast futuristisch ist dagegen der neue Honda Civic ausgefallen. Mit dem Leuchtenband an Front- und Heck zeigen die Japaner, dass Autos der Kompaktklasse keineswegs langweilig sein müssen. Honda hat beim neuen Civic auch gleich einen Hybridantrieb im Programm, allerdings nur in Kombination mit der in Europa wenig beliebten Stufenheckversion. In Sachen Hybridantrieb drohen die deutschen Hersteller genauso ins Hintertreffen zu geraten wie beim Partikelfilter. Mit den ersten Fahrzeugen aus der gerade erst bekannt gegebenen Kooperation zwischen BMW, DaimlerChrysler und General Motors ist frühestens Ende 2007 zu rechnen.

Mit einer gewissen Gelassenheit dürfte Toyota die hiesige Diskussion um alternative Antriebskonzepte betrachten, läuft doch bei ihnen im Prius nun schon die zweite Generation eines Hybridantriebs. Zudem hat gerade die Tochtermarke Lexus mit dem RX 400h ein SUV mit der Kombination eines Benzin-Elektro-Motors vorgestellt. Jetzt wird die Offensive mit dem Lexus GS 450h fortgesetzt. Die Limousine der oberen Mittelklasse verfügt über einen 3,5-Liter-V6-Benzin- und einen Elektromotor, die zusammen auf 250 kW/340 PS kommen und die Hinterräder antreiben.

Auf den alternativen Antrieb mit Erdgas setzen bereits zahlreiche Hersteller und stellen auf einem gemeinsamen Stand ihre Fahrzeuge vor. Ganz neu ist der Opel Zafira 1.6 CNG, außerdem gibt es unter anderem den Fiat Multipla Natural Power sowie den Opel Combo zu sehen, genauso wie die Bi-Fuel-Versionen von Volvo für den S60, V70 und S80, den neuen Ford Focus C-Max CNG oder die Eco-Fuel-Modelle von VW. Dass aber auch der Verbrennungsmotor eine Zukunft hat, beweist Volkswagen im Golf GT mit dem neuen aufgeladenen 1,4-Liter-Motor, der 170 PS leistet, den Wagen auf bis zu 220 km/h beschleunigt und dabei nur 7,2 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen soll.

Nun darf aber nicht der Eindruck entstehen, die Autoindustrie sei plötzlich von einer grünen Welle erfasst worden. Auch PS-Boliden stehen in diesem Jahr wieder in der ersten Reihe. Begehrlichkeiten weckt die geschlossene Version des Porsche Boxster, der Cayman, der ein hübsches Heck erhalten hat und gegenüber dem Cabrio überraschend eigenständig auftritt. Bei Jaguar soll die neue Generation des Sportwagens XK der unprofitablen Ford-Tochter wenigstens in Sachen Image wieder auf die Beine helfen.

Zwischen all den Fahrzeugneuheiten gibt es aber auch eine Reihe von Konzeptautos, die einen ersten Blick auf die Visionen der Hersteller für die Autos von morgen erlauben. Neben Skurrilem wie dem dreirädrigen Peugeot "20Cup" ist da etwa in Form der Mazda-Studie "Sassou" ein erster Hinweis auf den neuen Mazda2 zu sehen. Oder es gilt beim Renault "Egeus" die französische Vorstellung von einem Oberklasse-SUV mit Allradantrieb zu begutachten.

Von den zwei Wochen Autofest am Main kann durchaus der gewünschte psychologische Impuls ausgehen, der die Menschen zum Autokauf animieren soll: Wenn es allein nach dem Neuheiten-Feuerwerk geht, das diese 61. IAA versprüht, dann brauchen sich die Automobilhersteller keine Sorgen machen. Allgemein wird mit einem ausgeglichenen Jahresergebnis gerechnet. In den ersten acht Monaten hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit über 2,2 Millionen Neuzulassungen in Deutschland ein Plus von 3,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum festgestellt.

Insgesamt hat der Messeveranstalter, der Verband der Automobilindustrie (VDA), 122 Weltpremieren gezählt. Rund 1 000 Aussteller aus 44 Ländern sind bei der 61. Auflage dabei, erwartet werden erneut eine Million Besucher. Zum Begleitprogramm gehören unter anderem die Modellautobörse "Automania", eine Oldtimer-Ausstellung des Deutschen Roten Kreuzes oder die Sonderschau "Meilensteine des Automobildesigns". Wer von den vielen neuen Eindrücken überfüttert ist, kann selbst aktiv werden, etwa bei einem Motorrad-Schnuppertraining, bei der Bewältigung eines Offroad-Parcours oder auf der Kartbahn. Vernünftigen steht die Teilnahme bei einem Spritspartraining offen. Die Tageskarte kostet am Wochenende 15 Euro, unter der Woche 13 Euro. Der ermäßigte Eintritt beträgt 7,50 Euro, in der zweiten Messewoche wird ab 15 Uhr ein Feierabendticket zu acht Euro angeboten. Die IAA ist für das Publikum vom 17. bis 25. September täglich von neun bis 19 Uhr geöffnet; Fachbesucher haben am 15. und 16. September Zutritt. Dorothee C. Tschampa/mid mid/dt


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