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Bionik hilft bei Fahrzeugentwicklung

03.11.2005
Bionik hilft bei Fahrzeugentwicklung

Beim Bionic Car von Mercedes-Benz stand der Kofferfisch Pate
Fahrzeuge wie Fische, Motorenbauteile wie Menschenknochen: Die Natur treibt die Automobiltechnik zu Höchstleistungen an. Kein Wunder, dass zahlreiche Fahrzeughersteller seit langem in diesem Bereich forschen. "Bionik" heißt diese Kombination aus Biologie und Technik, die in den letzten Jahren immer populärer wird. "Seit mehr als 30 Jahren bedient sich die Automobilindustrie der Natur, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen", sagt Knut Braun von der Universität Saarland. Versiegende Ölquellen und steigende Kraftstoffpreise zwingen die Autobauer, ihre Fahrzeuge mittels bionischer Erkenntnisse zu optimieren. Menschliches Knochenwachstum, Quallen, Astgabeln und selbst der Kofferfisch sind Vorbilder, die in der Bionik zur Verbesserung von Fahrzeugfunktionen genutzt werden.

Schon bei der IAA-Studie G90 hat Opel auf einen minimalen Luftwiderstand durch eine Karosserie gesetzt, die die Form eines Tropfens nachahmt. Zudem sind die Bauteile aus leichtem Aluminium und Magnesium gefertigt. Daher erreicht das 750 Kilogramm schwere Fahrzeug einen Minimalverbrauch von nur 3,88 Liter auf 100 Kilometer. Dieser Methode bedient sich auch BMW. "Bionische Denkweisen ergänzen und bereichern klassische Konstruktionsmethoden", erklärt Entwicklungsvorstand Burkhard Göschel. "Im Zuge des intelligenten Leichtbaus bedeutet weniger Gewicht mehr Dynamik und weniger Verbrauch. So wurde beim aktuellen BMW 3er trotz deutlich mehr Sicherheitsausstattung das Gesamtgewicht nicht erhöht." Fein und trotzdem robust: Das Wissen über die Struktur von Quallenesseln diente der Gewichtsreduktion des 3,0-Liter-Sechszylinder-Motors. Durch die besondere Verrippungsstruktur des Magnesiumverbund-Kurbelgehäuses konnte das Gewicht um zehn Kilogramm reduziert werden.

Bäume verstärken gewisse Regionen ihrer Gabelungen, an anderen Stellen wird Material eingespart. Das Gewicht wird so gleichmäßig verteilt. Dieses Prinzip verhalf der Felge des Motorrades K 1200 S zu mehr Stabilität bei geringerem Gewicht. Sogar Evolutionsprozesse konstruierten die Forscher von BMW. "Im Zeitraffer von 15 Generationen simulierten wir menschliches Knochenwachstum", so Burkhard Göschel. "Nicht benötigtes Material wurde entfernt, zusätzliches angelagert. Das Ergebnis: Ein optimales Gewichts- und Stabilitätsverhältnis. Nach diesem Prinzip konnten die Festigkeitswerte verschiedener Motorenbauteile optimiert werden."

Bei der Entwicklung von Schaumstoffen für Armaturen und Verkleidungen des BMW 3er kommt das Wissen über menschliche Knochen - stabile Hülle mit weichem Kern - zum Einsatz. Verletzungen von Insassen bei Unfällen können so gemindert werden. Bionische Erkenntnisse finden sich auch im Bereich Scheinwerfertechnik wieder. Fern- und Fahrlicht der Audi-Studie "Shooting Brake" sind wie geöffnete Pinienzapfen- und Blüten modelliert. Ein optischer Effekt, der sicherlich ein echter Blickfang ist. Volvo hat sich bei der Beschichtung von Seitenscheiben und Spiegelgläsern den Selbstreinigungsprozess der Lotusblüte zum Vorbild genommen. Verschmutzungen und Wasser perlen dank eines speziellen Fluids vollständig ab. Auch Mercedes-Benz nutzt die Vorreiterrolle der Natur. Der Kofferfisch stand Pate für das Design des "Bionic Car". "Bei diesem Konzeptfahrzeug wurde Bionik zur Reduzierung von Luftwiderstand und Gewicht angewandt", sagt Dieter Gürtler, Teamleiter der Abteilung Advanced Concepts. "Wir haben uns für die Form des Kofferfisches entschieden, weil er besonders strömungsgünstig ist." Zudem sorgt die Verwendung leichter, aber sehr stabiler Bauteile für eine steife Karosserie, was der Insassensicherheit zugute kommt. Die Nutzung der Bionik in der Automobilindustrie hält in Zukunft noch einige Überraschungen parat: "Selbst reinigender Lack, wechselnde Außenfarben - all das kann in ein paar Jahren Realität werden", prognostiziert Knut Braun von der Uni Saarland. Victoria Kirjuschkin/mid mid/vk


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