Rallye Dakar 2006: größer, härter, schneller (1)
14.12.2005
Die 28. Auflage der berühmt-berüchtigten Wüsten-Tour glänzt mit klassischer Route und bekannten Namen. Von wegen die Wüste lebt, spätestens ab dem 2. Januar 2006 bebt sie. Denn dann nimmt der Tross der Rallye Dakar afrikanischen Boden unter den Rädern. Der Startschuss fällt am 31. Dezember in Lissabon, von wo die - passend zur Wüstenlotterie von einem Wettanbieter gesponserte Rallye - auf die Reise geht. Das europäische Vorspiel bleibt auch bei der 28. Auflage des Marathon-Klassiker Nebensache. Eine Tagesetappe am Neujahrstag bis an die Spanische Küste und Europa liegt hinter dem Feld. Richtig heiß wird es erst auf dem schwarzen Kontinent. Hier stehen weitere 8000 Gesamtkilometer, davon 4750 km Wertungsstrecke, auf dem Programm - Action garantiert. Telegen aufbereitet kommt die Mammuthatz tagesaktuell in die gute Stube.
Mediale Konkurrenz im Januar: keine! Sicher ein Grund, warum Hersteller wie Volkswagen und Mitsubishi Gefallen an der Dakar finden. Auch wenn die Grand Dame der Marathonfahrten - und dies ist die andere Seite der Medaille - mit zahlreichen Unwägbarkeiten und Tragödien (49 Todesopfer in 27 Jahren) aufwartet.
Dennoch, der kollektive Wüsten-Wahn scheint stärker - wie das neuerliches Rekordfeld bestätigt: Nach 2004 (563 Fahrzeuge) und 2005 (695) gehen diesmal 747 Fahrzeuge (187 Autos, 240 Motorräder 80 Racetrucks sowie 240 Servicefahrzeuge) ins Rennen. 40 Nationalitäten sind mit von der Partie. Zuwachs auch in anderen Bereichen: Mit 15 Fahrerinnen steigt die Zahl der weiblichen Piloten in Autos und Trucks ebenso, wie die der Debütanten. Hier verzeichnet die Statistik ein Plus von acht Prozent. Die prominentesten Vertreter: Volkswagen-Neuzugang und zweimalige Weltmeister Carlos Sainz sowie seine Rallye-Kollegen, der sechsmaliger Deutsche Meister Matthias Kahle, der frühere österreichische Champion Raphael Sperrer sowie der belgische WM-Pilot Freddy Loix. Vom charismatischen Spanier Sainz abgesehen, müssen die Rallyeprofis froh sein, durchzukommen, geschweige vorne mitzumischen. Den Sieg machen andere unter sich aus.
Das Duell heißt Mitsubishi gegen Volkswagen. Die japanische Werksmannschaft und ihr französischer Toppilot Stéphane Peterhansel sind bei der härtesten Rallye der Welt das Maß der Dinge. Zusammen wiederholte man im Januar diesen Jahres den Sieg aus 2004. Für Mitsubishi war das der fünfte Erfolg in Folge und zehnte insgesamt. Nur die Leistungen von "Peter dem Großen" überstrahlen die Bilanz seines Arbeitgebers. Er gewann die Dakar nicht nur zum zweiten Mal mit dem Auto, sondern siegte zuvor sechsmal auf dem Motorrad. Auch seine drei Teamkollegen, allesamt wie Peterhansel mit einem Mitsubishi Pajero Evo (Reihen-Sechszylinder 4,0l mit rund 206 kW/ 280 PS) der neusten Generation am Start, wissen was sie tun. Luc Alphand, Ex-Ski-Weltcupgewinner, surfte bei der vergangenen Ausgabe auf Gesamtrang zwei. Hiroshi Masuoka gewann 2002 und 2003. Juan Roma siegte auf dem Motorrad 2004 und landete beim Debüt im Auto 2005 auf Rang sechs.
Die Wolfsburger Autobauer haben für diese 28. Auflage der Dakar kräftig aufgerüstet. Statt vier nun fünf VW Race Touareg 2 (Reihen-Fünfzylinder 2,5l-Doppelturbodiesel, ca. 202 kW/ 275 PS) allesamt komplette Neukonstruktionen. Dazu über 20 Servicefahrzeuge und rund 75 Begleitpersonen. Mechaniker, Ingenieure, Computer- und Wetterspezialisten, Ärztin und Physiotherapeut kümmern sich um die Toppilotin Jutta Kleinschmidt, die als erste Frau 2001 triumphierte, und ihre Teamkollegen, den Marathon-Weltcup-Gewinner 2005 und Dakar-Sieger von 1993, Bruno Saby sowie Giniel De Villiers, Mark Miller und eben Doppelweltmeister Carlos Sainz.
Daneben schielen die werksunterstützten Topteams von X-raid BMW aus dem hessischen Trebur und die französische Equipe Schlesser-Ford auf einen Podestplatz. Die von Sven Quandt geführte X-raid-Truppe bringt drei neuentwickelte BMW X3 CC (Reihen-Sechszylinder 3,0l-Doppelturbodiesel mit rund 210 kW/ 285 PS sowie einen nahezu baugleichen X5 an den Start. Topfahrer ist Nasser Al-Attiyah aus Katar. Das Team Schlesser schickt erstmals drei heckangetriebenen Buggys (V8, 5,4l, ca. 213 kW/ 290 PS) in die Wüste. Klar, dass dabei der Patron und zweimalige Dakar-Sieger (1999/2000) Jean-Louis Schlesser höchstselbst den Werksteams den Schneid abkaufen will. Am 15. Januar wird man wissen, ob im das gelungen ist. Denn dann hat die Hightech-Karawane das Ziel der wilden Wüsten-Wallfahrt erreicht. Den Lace Rose vor den Toren der senegalesischen Hauptstadt Dakar. (ar/rk)
Von Reiner Kuhn