Motor Show in Detroit: Premierenfeuerwerk
09.01.2006
Die amerikanischen Automobilhersteller haben es noch nicht verlernt. Zwar kämpfen vor allem General Motors und Ford mit ihrer wirtschaftlichen Schieflage. Doch wenn die automobile Welt wie alle Jahre wieder im Januar auf Detroit blickt, dann strotzen die "Big Three" nur so vor Zuversicht. Pünktlich zur North American International Auto Show (NAIAS) zünden sie ein Premierenfeuerwerk, das Absatzrückgänge, Umsatzeinbußen und Marktanteilsverluste zumindest vorübergehend vergessen machen soll. Mit einem ganzen Heer neuer Serienmodelle und zahlreichen Designstudien hoffen sie beim Heimspiel in der Cobo Hall auf bessere Zeiten.
Dabei sind die US-Marken in diesem Jahr hin und her gerissen zwischen luxuriösen Limousinen, kräftigen Sportmodellen und gewaltigen Geländewagen auf der einen Seite und kompakten, preiswerten und halbwegs vernünftigen Alltags- und Spaßautos auf der anderen Seite. So stehen auf dem Stand der Chrysler Group neben dem kraftstrotzenden Dodge Challenger und dem riesigen Retro-Flaggschiff Chrysler Imperial so bodenständige Modelle wie der neue Jeep Compass oder der Dodge Caliber. Und Ford lockt die Messegäste einerseits mit dem F-250 Super Chief als vermutlich größtem und ohne Zweifel luxuriösesten Pick-Up der Show, zeigt aber mit dem "Crossover Utility Vehicle" Edge auch einen durchaus vernünftigen Pkw für die amerikanische Kompaktklasse, der irgendwo zwischen Van, Kombi und Geländewagen angesiedelt ist. Dass es sogar noch eine Nummer kleiner gehen könnte, soll die Coupé-Studie Reflex zeigen.
Außerdem tragen die US-Hersteller in diesem Jahr dem wachsenden Leidensdruck an der Tankstelle Rechnung: General Motors präsentiert deshalb neben vielen neuen Geländewagen und Sport Utility Vehicles auch eine Reihe von neuen Hybridfahrzeugen. Bei Jeep gibt es immer mehr Modelle mit Diesel. Und Ford zeigt neben dem im Reflex eingebauten Diesel-Hybrid auch einen Zehnzylinder, der wahlweise mit Benzin, Ethanol oder Wasserstoff betrieben werden kann und so dem Super Chief einen grünen Anstrich gibt.
Die deutschen Hersteller halten sich in Detroit diesmal ungewöhnlich zurück. Nachdem VW und Porsche mit dem Dreirad G3X und dem Cayenne Turbo S ihr Pulver bereits vor einer Woche in Los Angeles verschossen haben, gehört die Bühne an der Ostküste jetzt allein Audi, Mercedes und BMW. Diese Chance nutzen vor allem die Herren der Ringe, die in der Cobo Hall nicht nur den neuen S6 mit einem 309 kW/420 PS starken V10-Motor präsentieren, sondern gleich auch noch den nächsten Schritt zur möglichen Erweiterung des Modellprogramms in Angriff nehmen. Während die VW-Tochter mit dem Q7 gerade den ersten Geländewagen an den Start bringt, zeigt sie deshalb jetzt mit dem Roadjet die ersten Fingerübungen für die sportlich-komfortable Interpretation eines geräumigen Reisewagens zwischen A4 und A6 - und dreht dem Erzrivalen BMW damit einmal mehr eine lange Nase. Denn die Münchner reden zwar schon seit Jahren über ein "raumfunktionales Konzept", das aber bislang zumindest vor Publikum nicht so recht in die Gänge kommt. Stattdessen bleibt es in Detroit vor allem beim Facelift und der M-Version des Z4 und einer weiteren Interpretation der Kombi-Studie von Mini. Mercedes dagegen trumpft am automobilen Nabel der USA ebenfalls groß auf und präsentiert mit Feuerwerk und Lasershow den GL, der künftig als großer Bruder der M-Klasse über Highways und Schotterpisten rollt. Außerdem kommen die Schwaben eiligen Managern mit dem S 65 AMG entgegen. Doch die wichtigste Botschaft von Konzernchef Dieter Zetsche sind einmal mehr die Vorzüge des Diesel-Motors, der in Detroit mit neuen Denox- oder SCR-Katalysatoren zum "Bluetec"-Aggregat und damit zum saubersten Selbstzünder der Welt wird.
Auch aus dem restlichen Europa stehen in Detroit einige aufsehenerregende Premieren auf dem Programm: Volvo zeigt eine beinahe serienreife Version des künftigen Einstiegsmodells C30, das als Dreitürer mit dem Heck des legendären "Schneewittchensargs" in der Kompaktklasse antritt. Aston Martin enthüllt mit dem Rapide die Studie eines ebenso sportlichen wie luxuriösen Coupés mit vier Türen, das in wenigen Jahren dem Maserati Quattroporte, dem Bentley Continental GT oder dem Porsche Panamera Konkurrenz machen könnte. Und Lamborghini lässt mit einem Showcar den Miura wiederauferstehen.
Eine Reihe interessanter Studien und Serienmodelle zeigen auch die asiatischen Hersteller. So präsentiert Toyota in den USA als neues Flaggschiff den Lexus LS 460, den Geländewagen FJ Cruiser und die nächste Generation des Camry. Nissan zeigt unter anderem das kleine Coupé Urge sowie die Studie eines großen Zweitürers für die Luxusmarke Infiniti, Mazda bringt den Ford Edge als CX-7 und testet mit dem Showcar Kabura die Reaktionen auf ein kleines Sportcoupé, Mitsubishi zeigt den Eclipse auch als Spyder, und Honda reagiert auf die hohen Benzinpreise in den USA mit der Einführung des Jazz, der jenseits des Atlantiks wie daheim in Japan Fit heißt. Außerdem enthüllt Hyundai neben einer großen Crossover-Studie die Neuauflage des Santa Fe, während Kia einen kleinen Geländewagen und eine weitere Großraumlimousine präsentiert. Claire Stahl/mid mid/mh