Fahrberichte

Mercedes-Benz GL-Klasse: Ganz große Klasse

17.03.2006
Bald hat der Allrad-Freund bei Mercedes-Benz die komplette Auswahl an allradgetriebenen Fahrzeugen, denn neben den 4Matic-Limousinen, dem G-Modell als klassischem Geländewagen, der M-Klasse als Sports Utility Vehicle (SUV), der R-Klasse als Großraum-Limousine Sports Tourer mit Allradantrieb kommt im September nun auch die ganz große Klasse nach Deutschland: die GL-Klasse. Wir hatten jetzt schon Gelegenheit, die Variante für den US-Markt in Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu erleben.

Der Mercedes-Benz GL bekennt sich zu seiner Größe. Er ist nicht nur 5,09 Meter lang, er sieht auch so aus. Keines der heute so oft gepriesenen coupéartigen Dächer kaschiert das Volumen. Die Formensprache unterscheidet den GL auch vom hauseigenen Wettbewerb. Er kommt nicht so militärisch aufrecht daher wie der G, doch orientiert sich seine Außenhaut deutlich weniger an dem sportlichen Chic des M oder der lang gestreckten Eleganz der R-Klasse. Der GL gibt sich markant und maskulin mit steilem Kühler und vielen anderen Stilelementen, die Dynamik ausdrücken sollen - gerade richtig gestaltet für den wohlhabenden Herrn des Hauses in Amerika.

Die Europa-Variante wird sich bei den technischen Innereien deutlich von der US-Variante unterscheiden. So wird sich der Amerikaner mit dem elektronisch über Bremseneingriff geregelten 4ETS-Allrad-Antrieb zufrieden geben müssen (Erklärung aus dem US-Markt: "Der Amerikaner hat kein Interesse an der Geländegängigkeit. Will er die, kauft er einen klassischen Geländewagen"). In Deutschland wird die Geländegängigkeit allerdings gleich ab Werk geliefert mit Luftfederung zur Erhöhung der Bodenfreiheit auf mehr als 30 Zentimeter sowie Sperren für die Hinterachse und das Zentraldifferenzial. Wir konnten bei unserer ersten Bekanntschaft im Schlamm der verregneten Weinberge im Nappa Valley erleben, dass die europäische Ausstattung zu erstaunlichen Leistungen befähigt.

Statt der kompletten Allrad-Technik bekommen die Amerikaner die dritte Sitzreihe serienmäßig. Mit dem Verzicht auf ein "Coupédach" fällt dort hinten die Innenraumhöhe sogar so aus, dass selbst nicht allzu groß gewachsene Erwachsene gut Platz finden. Der Einstieg wird durch einen Mechanismus erleichtert, der den rechten Sitz der zweiten Reihe weit nach vorn rückt und klappt. Die dritte Reihe selbst lässt sich per Knopfdruck elektrisch umlegen, was den erwartet großen Kofferraum freigibt, der sich durch weiteres Umklappen von Sitzen bis zu 2300 Litern vergrößern lässt.

Natürlich hat nicht nur das Gepäck viel Platz im Innenraum. Der Fahrer einer neuen M-Klasse wird sich in diesem großzügigen Umfeld gleich zu Hause fühlen; denn die Innenraumgestaltung ist nahezu identisch - gediegen modern, gut ablesbare Instrumente, gute Verarbeitung und der Verzicht auf den Schalthebel auf dem Mitteltunnel, weil der GL serienmäßig mit dem 7Gtronic-Automatikgetriebe ausgerüstet ist. Die Fondpassagiere haben auch etwas von der gekonnten Gestaltung, denn sie können der erhöhten Sitzposition wegen Fahrer und Beifahrer über die Schulter schauen. Die Passagiere in der dritten Reihe sitzen noch einmal höher, so dass auch sie den fast ungetrübten Blick nach vorn haben.

Fast entschuldigend wiesen die Stuttgarter Ingenieure darauf hin, das Fahrwerk des GL werde für Europa natürlich anders abgestimmt, und auch die Lenkung werde direkter und exakter ausfallen. Wir fanden das Fahrerlebnis - speziell in der Sport-Stellung der Luftfederung - aber auch mit der US-Version nicht etwa als typisch amerikanisch. Das bei diesem Auto der Komfort mehr betont wird, ist auch seiner Klasse geschuldet. Das Handling fiel dennoch auf den engen Straßen an der Pazifikküste nicht unangenehm auf. Hier scheint sich auch schon bei der US-Version auszuzahlen, dass der GL mit rund 2,5 Tonnen Leergewicht deutlich leichter ist als seine Wettbewerber amerikanischer Herkunft.

Das verhältnismäßig geringe Gewicht und der mit 0,37 ebenfalls im Vergleich immer noch niedrige Luftwiderstandsbeiwert bleiben natürlich nicht ohne Folgen für den Verbrauch. Nach Mercedes-Angaben liegt der - rund ein Drittel niedriger als beim US-Wettbewerb - bei durchschnittlich 13,4 Litern auf 100 Kilometer.

Das Hauptverdienst an diesem Wert kommt aber wohl dem neuen "kleinen" Achtzylinder des GL 450 zu. Dieser Motor wird in den USA zunächst als einziger angeboten werden. Deutschland steht von Anfang an das volle Programm zur Wahl. Der V8-Motor mit 4663 Kubikzentimeter Hubraum leistet 250 kW (340 PS) bei 6000 Umdrehungen pro Minuten (U/min) und entwickelt sein maximales Drehmoment von 460 Newtonmeter (Nm) zwischen 2700 U/min und 5000 U/min. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 235 km/h, die 100 km/h werden nach 7,6 Sekunden erreicht. Der GL 500 mit 5461 Kubikzentimeter Hubraum leistet 285 kW (388 PS), was für 240 km/h Spitze und eine Beschleunigung auf 100 km/h in 6,6 Sekunden reicht. Sein maximales Drehmoment liegt bei 530 Nm.

Der GL 320 CDI könnte In Europa zum Erfolgsmodell werden. Sein Sechszylinder leistet 165 kW (224 PS) und liefert ein Drehmoment von 510 Nm zwischen 1600 U/min und 2800 U/min. Die Fahrleistungen: 9,5 Sekunden bis 100 km/h und 210 km/h Spitze. Der Verbrauch soll bei durchschnittlich 9,9 Litern liegen. 1,7 Liter mehr soll der Achtzylinder-Diesel im GL 420 CDI im Durchschnitt verbrauchen. Dafür bietet er 225 kW (306 PS) und das bärenstarke Drehmoment von 700 Nm zwischen 2200 U/min und 2800 U/min. Als Höchstgeschwindigkeit werden 230 km/h und für die Beschleunigung auf 100 km/h 7,2 Sekunden angegebn.

Die ganz große Klasse des GL drückt sich auch in seinen Preisen aus. Doch fürs gute Geld geben die Stuttgarter dem GL auch gleich eine ungewöhnlich umfangreiche Ausstattung mit auf seine Reise: neben dem permanenten Allradantrieb eben auch das Offroad-Paket, die Luftfederung, ein Panoramadach über der dritten Sitzreihe, eine Klimaautomatik und elektrisch verstellbare Vordersitze. Ab GL 450 gibts unter anderem die Multizonen-Klimaautomatik, Memory-Multikontursitze, Sitzheizung vorn und statt 18-Zoll die 19-Zoll-Räder serienmäßig. Die Preise beginnen beim GL 350 mit 63 585 Euro und reichen bis zu 85 898 Euro für den großen Achtzylinder-Benziner GL 500. (ar/Sm)

Von Peter Schwerdtmann


Erste Schritte
Anzeige