Mercedes-Benz CL: Das Maß der Dinge?
16.09.2006
Nur Fliegen ist schöner? Der Slogan, der einst für ein Auto warb, als der Traum vom Fliegen noch nicht durch Erfahrungen in Touristenbombern entzaubert worden war, gilt jedenfalls ganz bestimmt nicht für den Mercedes-Benz CL. Denn mit diesem Coupé ist das Fahren schöner. Der Passagier im Flugzeug leidet immer noch unter den so genannten Luftlöchern, den Schlaglöchern der Luft. Im CL aber kann man Schlaglöcher getrost vergessen. Das Fahrwerk des CL bügelt alles glatt. Nicht nur in dieser Hinsicht wird das Coupé dem Anspruch der Stuttgarter gerecht, mit dem neuen CL auf der Basis der S-Klasse das Maß der Dinge in der Coupé-Welt gesetzt zu haben.
Selbstbewusst hat Mercedes-Benz die Latte für den Neuen sehr hoch gelegt. Immerhin konnten von seinem Vorgänger mit rund 47 000 Exemplaren mehr als von jedem anderen Fahrzeug seiner Klasse abgesetzt werden. Aber es geht Mercedes-Benz nicht nur um das Überspringen dieser wirtschaftlich interessanten Rekordmarke. Mit dem CL wollen die Stuttgarter einen neuen Standard in Sachen Sicherheit, Leistung und Komfort setzen. Es geht Ihnen um den Superlativ auf Rädern.
Dafür haben sie alles in den CL gepackt, was der Technik-Baukasten der Schwaben so an Innovationen und Bewährtem hergibt: die dritte Generation der Active Body Control (ABC), die Nicken und Wanken verhindert und den Wagen immer in der Waage hält sowie alle gängigen Fahrer-Assistenzsysteme in ihrer modernsten Form bis hin zur Presafe-Bremse. Die warnt, wenn der Wagen auf ein Hindernis zurollt und verschafft dem Fahrer die Möglichkeit zur Bremsung oder zum Ausweichen. Sie bremst sogar selbsttätig mit rund 40 Prozent der Bremsleistung, falls er gar nicht reagiert.
Doch was bringts? Viele dieser Technologien wirken im Verborgenen und kommen hoffentlich nie zum Einsatz. Anders ist das mit dem Design, dem Innenleben und dem Fahrerlebnis. Diese Eigenschaften begegnen dem CL-Fahrer täglich, und er wird seine Freude daran haben. Zum Beispiel am Design. Dem neuen CL hat man auf seinen Weg nicht nur die bekannte Eleganz der Coupés des Hauses mitgegeben. Jetzt darfs auch noch ein bisschen mehr Dynamik sein, mit ausgestellten Radhäusern, markanter Seitensicke - bei Mercedes-Benz "Charakterlinie" genannt - und einem Gesicht, das Respekt verschafft.
Trotz des gegenüber der S-Klasse um 8 Zentimeter auf knapp 3 Meter verkürzten Radstands ist der CL mit rund 5,07 Meter Länge keineswegs zum zarten Brüderchen der S-Klasse geraten. Auch die Maße und die Massen schaffen Respekt. Die 2 Tonnen Leergewicht für den Achtzylinder CL 500 und 2,2 Tonnen für den Zwölfzylinder CL 600 vergisst der Fahrer aber rasch, wenn er erst einmal hinter dem Steuer Platz genommen hat und die Pferdchen laufen lässt. Der kürzere Radstand, die etwas straffer als bei der S-Klasse ausgelegte Federung und das neue ABC-System verschaffen dem Fahrer im CL einen Eindruck von der Leichtigkeit des Seins in einem echten Premium-Fahrzeug.
Dazu trägt auch die reichliche Motorisierung bei. Der Achtzylinder leistet 285 kW (388 PS) und wuchtet ein maximales Drehmoment von 530 Newtonmeter (Nm) auf die Kurbelwelle. Der Zwölfzylinder bietet 380 kW (517 PS) und 830 Nm an. Das reicht allemal, beim CL 500 für eine Beschleunigung auf 100 km/h in 5,4 Sekunden und beim CL 600 in 4,6 Sekunden. Auch den "kleinen" Motor überfordert der CL in keiner Weise. Er hat stets Kraft im Überfluss. Der Große hat eben noch mehr Überfluss zu bieten, und das eben in der typischen seidenweichen Art der Zwölfzylinder.
Mercedes-Benz ist stolz darauf, dass bei der neuen Generation dieser Motoren der Verbrauch gesunken, die Leistung aber gestiegen ist. Das Unternehmen gibt als Durchschnittswert 12,1 Liter Superbenzin für den CL 500 und 14,3 Liter Super Plus für den CL 600 an. Angesichts der Leistung und der Masse sind dies günstige Werte.
Kraftstoffkosten spielen in dieser Klasse nur eine untergeordnete Rolle bei der Kaufentscheidung. Viel gewichtiger ist das Fahrerlebnis, dass bereits mit dem Öffnen der großen Tür beginnt. Der erste Eindruck ist der von Raum, Luxus und gediegener Qualität - ein opulentes Mahl für die Augen. Dieser Eindruck verfestigt sich im Laufe der Bekanntschaft. Edle Materialien, natürlich gut verarbeitet, feines Leder überall, kombiniert mit edlem Holz oder anderen Intarsien - alles vom Feinsten, alles gut anzuschauen und trotz der scheinbaren Überfülle an Anzeigen und Bedienelementen schon nach kurzer Gewöhnung auch gut zu bedienen.
In dieser Umgebung hinter der Doppelverglasung entsteht mit dem Schließen der Tür eine eigene, abgeschlossene Welt, in die nicht einmal Motorlärm vorzudringen vermag. Nur beim Kickdown der sehr schnell schaltenden Sieben-Gang-Automatik meldet sich das Triebwerk zurückhaltend aus dem Untergrund. Sonst bleibt dringt nur leises Rauschen an die Ohren der Passagiere.
Denen geht es übrigens nicht nur auf den vorderen Sitzen gut. Denn trotz des verkürzten Radstands bleibt hinten ein Fahrgastraum bestehen, auf den so mancher Fünf-Sitzer neidisch wäre. Doch der volle Genuss des Gefühls, allen Lebenslagen des Verkehrs mit Gelassenheit begegnen zu können, bleibt Fahrer und Beifahrer vorbehalten. Hinten sind die Plätze, auf denen die Träume vom eigenen CL geboren werden.
Träume kosten nichts. Der CL aber schon. Für den CL 500 ist ein Basispreis von 105 850 Euro fällig, für den CL 600 liegt der Preis bei mindestens 149 640 Euro. Beide Preise sind trotz umfangreicher Serienausstattung aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Auch diese Latte liegt hoch, zu hoch für die meisten. Aber der Mensch braucht Ziele, die Automobiltechnik auch. Irgendwann wandern auch einige der vorbildlichen CL-Technologien aus dem CL und der S-Klasse in die kleineren Klassen. Bis dahin bleiben sie denen vorbehalten, die ihre Träume leben können. Es sei ihnen gegönnt, wenn auch mit einer Spur von Sehnsucht. (ar/Sm)
Von Peter Schwerdtmann