Fahrbericht Piaggio MP3
19.10.2007

Die Aufmerksamkeit von Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern ist einem sicher, wenn man auf dem Piaggio MP3 sitzt. Denn der Roller mit den zwei Vorderrädern und einem Hinterrad sticht sofort ins Auge. Doch das dritte Rad ist nicht nur optischer Gag, sondern erhöht deutlich die Stabilität in der Kurve.
Beim Aufsteigen ist zunächst alles wie immer. Weil die beiden Vorderräder von der mächtigen Frontpartie mit den Scheinwerfern, die zu lächeln scheinen, verdeckt werden, fällt das Besondere an diesem Fahrzeug nicht sofort auf. Also Zündung an, Bremsgriff ziehen, starten, Gas geben, losfahren. Die ersten Meter ist der Fahrer sich noch in dem Bewusstsein unterwegs, dass er auf etwas Anderem sitzt und ist dementsprechend vorsichtig. Aber das ist schnell vergessen. Beim Fahrverhalten auf gerader Strecke unterscheidet sich das Dreirad im Prinzip nicht von so ziemlich jedem anderen üppigen Achtelliterroller.
Der Piaggio-Scooter ist allerdings schwerer als alle seine Wettbewerber. Dementsprechend zögerlich kommt er auf Trab. Gerade mal 11 kW/15 PS müssen mit dem 219 Kilogramm wiegenden Gefährt fertig werden. Da ist Geduld angesagt, bis das Dreirad sicher und souverän im Verkehr mitschwimmt, Überholvorgänge müssen sorgfältig vorbereitet werden. Und um die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h zu erreichen, sollte die Straße ein dezentes Gefälle aufweisen. Das nicht ganz stimmige Verhältnis von Gewicht und Leistung schlägt sich auch im Verbrauch nieder: Stattliche 4,6 Liter Superbenzin konsumierte der Roller auf 100 Kilometern. Der 12,8 Liter fassende Tank erlaubt lange Etappen, der unübersichtliche Einfüllstutzen sorgt beim Spritfassen jedoch schnell für überquellenden Kraftstoff. Bei der Kfz-Haftpflicht verlangt etwa die AXA im Jahr 52,75 Euro.
Nach kurzer Fahrzeit hat der Fahrer ein Gefühl dafür entwickelt, was der MP3-Motor kann, und dann wird es Zeit für die große Überraschung: das Kurvenfahren. Den Lenker fest im Griff fährt man in den ersten Kreisverkehr und staunt. Sauber und sicher kippt das Dreirad in die Kurve, hält die gewählte Linie und erlaubt erstaunenswerte Schräglagen, bis der Hauptständer auf dem Asphalt Funken schlägt. Nur bei welligem Fahrbahnbelag kommt bei flotter Gangart eine ungute Eigendynamik in die Vorderräder, ansonsten verleiht das Doppelrad dem Roller zusätzliche Stabilität. Vor allem auf Trambahnschienen und Bitumenstreifen oder auch bei Nässe ist der MP3 deutlich ruhiger als ein konventionelles Zweirad. Viel Lob verdienen auch die Bremsen, die vor allem an den Vorderrädern gut dosierbar und sehr wirkungsvoll verzögern. Pluspunkte gibt es auch für die großen und vibrationsfreien Rückspiegel sowie das geräumige Gepäckfach unter Sitz und Heckklappe, in das ein Integralhelm jedoch nur mit großer Mühe passt. Das Cockpit ist bestens ausgestattet, allerdings spiegeln die Instrumente bei Sonneneinstrahlung.
Ein besonderer Gag ist der Ampel-Trick. Der Piaggio MP3 verfügt über eine Feststell-Funktion, mit der die beiden Vorderräder arretiert werden, so dass der Roller nicht kippen kann. Gegen Wegrollen sichert eine Handbremse. Mit etwas Übung können per Knopfdruck am rechten Lenkerende die Doppelräder schon beim langsamen Rollen an die Ampel fixiert werden, ohne die Füße vom Trittbrett nehmen zu müssen. Bei Grün wird dann mit Vollgas losgedüst, die Arretierung wird bei steigender Drehzahl automatisch gelöst. Zurück bleiben staunende Passanten und Autofahrer, die dem 5 450 Euro teuren Überraschungs-Ei hinterherblicken. Werner Wagner/mid
Teststeno Piaggio MP3 125: Roller mit flüssigkeitsgekühltem Einzylinder-Viertaktmotor, 124 ccm Hubraum, 11 kW/15 PS Leistung bei 9 500 U/min, max. Drehmoment 12 Nm bei 7750 U/min, vier Ventile pro Zylinder, U-Katalysator, Gleichdruckvergaser, Fliehkraft-Trockenkupplung, stufenlose Variomatik, Reifen vorn 120/70-12, Reifen hinten 130/70-12, Höchstgeschwindigkeit 100 km/h, Leergewicht (ohne Zubehör) 158 Kilogramm, zulässiges Gesamtgewicht 219 Kilogramm, Zuladung 191 Kilogramm, Sitzhöhe 79 Zentimeter, Tankinhalt 12,8 Liter, Verbrauch 4,6 l/100 km Super, Jahresbeiträge bei der AXA-Versicherung KH: 52,75 Euro (SF 1, Zulassung Düsseldorf, 100 Mio. Euro pauschal mit Schutzbrief), TK: 42,82 Euro (150 Euro Selbstbeteiligung); Garantie zwei Jahre ohne Kilometerbegrenzung, Serviceintervall 6 000 Kilometer; Preis 5 450 Euro. mid/ww