Fahrbericht Corvette C6 Coupé: Die Legende lebt
07.05.2004
Seit über 50 Jahren ist die Corvette in den USA die Nummer eins der Supersportwagen. Im Herbst fährt die sechste Generation der Kunststoff-Flunder auf den Markt. Stärker, kompakter und hochwertiger - so kommt vielleicht endlich auch in Europa der Erfolg.
Porsche im Visier
Lange Motorhaube, knappes Passagierabteil und ein Stummelheck mit den seit 1961 charakteristischen vier Rückleuchten. Auch die sechste Generation der Corvette hält daran fest - und ist doch ganz anders. In der Länge um 13 Zentimeter auf das Format eines Porsche 911 geschrumpft, duckt sich die Karosserie noch aggressiver auf den Asphalt als beim Vorgänger. Hinter den vorderen Radkästen sorgen mächtige Entlüftungsschlitze dafür, dass das V8-Aggregat beim fröhlichen Toben nicht vor Hitze kollabiert.
Reichlich eingeschenkt
Sechs Liter Hubraum werden bei GM noch als "small block" bezeichnet. Damit macht die Vette ordentlich Dampf. 405 PS (298 kW) attackieren die Hinterräder. 4,3 Sekunden - schon sind 100 km/h erreicht. Auch ein Porsche Turbo kann das kaum besser. Und 400 Nm Drehmoment sorgen für den richtigen Kick beim Zwischenspurt. Erst bei 300 Stundenkilometer findet der Vorwärtsdrang sein Ende. Geschaltet wird per manueller Sechsgangbox. Die für die USA sonst obligatorische Automatik muss extra geordert werden. Sie beschränkt sich auf vier Fahrstufen und kennt keinen manuellen Schaltmodus. Wie viel Chevrolet für den Automaten verlangt, steht noch genauso wenig fest wie der Verkaufspreis. Er dürfte jedoch kaum unter 60.000 € liegen.
Bewährtes und Neues
In Erinnerung an die legendären Corvettes der 50er Jahre ziert die Schnauze der C6 ein schmaler Kühlergrill mit grober Wabenstruktur. Damit genug der Tradition. Nach immerhin vierzig Jahren haben die Klappscheinwerfer ausgedient - angeblich wegen der in unseren Breiten so beliebten Lichthupe. Unter der Kunststoffkarosserie steckt eine hydrogeformte Stahlkonstruktion, die mit besonderer Verwindungssteifigkeit glänzt. Für eine optimale Gewichtsverteilung (51/49 Prozent) kommt das Transaxle-Prinzip - Motor vorne, Getriebe hinten - zum Einsatz. An der Hinterachse kommen wie bisher Querblattfedern und Einzelradaufhängung zum Einsatz. ABS, Traktionskontrolle und Active Handling, wie das elektronische Stabilitätssystem bei der Corvette heißt, sind serienmäßig an Bord.
Hightech für die Passagiere
Zum Türöffnen braucht der Corvette-Pilot dank Keyless Access System keinen Schlüssel mehr. Gestartet wird per Knopfdruck. Beim Design des Innenraums haben die Amerikaner entdeckt, dass ein Auto nicht unbedingt den Charme einer Fast-Food-Filiale verströmen muss. Leder und gebürstetes Aluminium dürften besonders dem europäischen Publikum besser schmecken. Das Metall ist mit einer hauchdünnen Schutzschicht überzeugen, die es unempfindlich gegen Fingerabdrücke machen soll und auch blendende Reflexe bei Sonnenschein verhindert. Optional wird die Corvette mit einem Head-up-Display geliefert, das Fahrzeuggeschwindigkeit und andere wichtige Informationen im Sichtfeld des Fahrers auf die Windschutzscheibe projiziert. Die Zukunft hat auch bei der traditionsreichen Corvette längst begonnen. Dann viel Glück also für die nächsten 50 Jahre.
Fazit: Die Corvette hat sich mit der sechsten Modellgeneration endgültig zum ernsthaften Gegner von Porsche und Co gemausert. Die Zeiten, als die amerikanische Sportwagenlegende als Plastikbomber mit starkem Motor und lausigem Fahrwerk verspottet werden konnte, sind definitiv vorbei.
planbar.de, Holger Schilp