Fahrberichte

Renault Grand Espace 2.2 dCi: Designer Raumschiff

13.12.2004
Von der praktischen Familienkutsche zum (T)Raumschiff. Der Renault Grand Espace ist der Luxusliner unter den Vans. Im Test musste der 2,2-Liter Turbodiesel zeigen, was er auf dem Kasten hat.

Typ mit Charakter

Wie ein geschliffener Diamant gleitet der Grand Espace durch die Innenstadt. Der Zweitonner sticht mit seiner extravaganten Form aus dem Meer bunter Kleinwagen und dunkler Limousinen hervor. Viel Glas, straff gespanntes Blech und sein scharf geschnittenes Gesicht sind typisch für Renault. Mit breiter Spur und kurzem Heck mischt sich sogar eine Prise Sport in das One-Box-Design.

Zukunft hat begonnen

Der Testwagen präsentiert sich Renault-Neulingen wie ein Auto von einem anderen Stern. Statt Zündschlüssel gibt es beim Topmodell Initiale die scheckkartengroße Keycard Handsfree. Wie von Geisterhand ver- und entriegeln sich die Türen, wenn sich der Fahrer dem Auto nähert oder entfernt. Der Espace verzichtet auch auf den Handbremshebel. Dessen Aufgabe übernimmt ein kleiner Schalter. Sobald der Motor ausgeschaltet wird, hält die elektronische Handbremse den Wagen fest. Sie verhindert auch, dass der Espace beim Halten am Berg zurück rollt. Die Kommandobrücke: Grüne Digitalanzeigen, die sich in einem schmalen Band quer über den Instrumententräger ziehen, informieren über Geschwindigkeit, Drehzahl und weitere wichtige Daten. Für die Mehr-Zonen-Klimatisierung gibt es Displays und Tasten in den Türen und in den hinteren Seitenverkleidungen. Riesige Klappen und Fächer, die sich fast auf das Kofferraumvolumen eines VW-Lupo summieren (117 Liter), sorgen im Innenraum für Ordnung.

Raumschiff für sieben

Der Franzose macht sich über zwei Meter breit, hält aber bei der Länge (4,68 m) Maß. Mit einem Preis von 42.250 € zielt der luxuriöse Van eher auf Geschäftsleute als auf die Großfamilie mit Kindern. Selbst wenn die mit den sieben Einzelsitzen ihre wahre Freude hätten. Umklappen, verschieben oder ausbauen - die Sitzlandschaft passt sich jedem Bedürfnis an. Der Grand Espace, der zwanzig Zentimeter längere Bruder des Espace, bietet Platz für bis zu sieben Personen und schluckt bei Bedarf über drei Kubikmeter Ladung. Und so muss kein Passagier befürchten, dass er auf der Strecke bleibt. Knieraum und Kopffreiheit sind reichlich vorhanden. Einzig auf langen Etappen kann es aus Reihe zwei und drei Klagen geben. Durch die tiefe Sitzposition finden lange Kerls mit ihren stark angewinkelten Beinen nur wenig Kontakt zu den Polstern. Dafür profitiert das agile Fahrverhalten, das einer Limousine kaum nachsteht, von der vergleichsweise niedrigen Karosserie (1,75 m). Zum Vergleich: Der VW Multivan baut 20 Zentimeter höher - und kostet mit vergleichbarer Ausstattung fast 10.000 € mehr.

Modernes Design

Das Design der Sitze und Verkleidungen ist sehr modern. Keine Spur vom Wurzelholz-Protz-Barock, den andere Hersteller allzu gern pflegen. Allerdings macht der Grand Espace auf Kopfsteinpflaster mit dezentem Rappeln klar, dass er das glatte Parkett des Business-Alltags dem rauen Landleben vorzieht. Von Alcantara-Leder über elektrische Sitze mit Memory-Verstellung bis zu Xenon-Scheinwerfern und dem Navigationssystem bleiben kaum Wünsche offen. Bemerkenswert ist auch das Sicherheitspaket: Dreipunktgurte für jeden Einzelsitz, ABS, ESP, Bremsassistent, Front-, Seiten- und Window-Airbags machten den Espace bei seiner Premiere zum sichersten Fahrzeug, das bis dato den Euro NCAP Crashtest absolviert hatte.

Immer rein damit

Ob leer oder beladen, juckt den Grand Espace kaum. Unter der Haube, die sich vom Fahrersitz aus jeder optischen Kontrolle entzieht, schlägt das Herz im Dieseltakt. 150 PS (110 kW) verteilen sich auf vier Töpfe, denen ein Turbolader mit variablen Luftschaufeln zusätzliche Kraft spendet. Ergebnis sind stramme 320 Nm Drehmoment, die den massigen Van locker im Griff haben. Auch die optionale Fünfgangautomatik kostet nur wenig Temperament. Ihre Schaltcharakteristik passt sich dem individuellen Fahrstil an. Gangwechsel gelingen meist ohne Schaltrucke - außer der Fahrer ist auf ein Ampelduell mit anderen Großkalibern scharf. Je nach Fahrweise pendelt der Verbrauch zwischen acht und zwölf Litern. Wer auf der Autobahn stur 120 fährt, wird vom Bordcomputer mit einer sechs vor Komma belohnt. Beim Tanken begeistert der in den Tankdeckel integrierte Tankverschluß, der inzwischen bei vielen Renault-Modellen zum Einsatz kommt.

Starker Transporter

Auf der Autobahn zeigt der Digitaltacho maximal Tempo 190 an. Dann hat der Fahrer allerdings nicht mehr viel zu melden. Fahrtwind, Motor und Reifenabrollgeräusche übernehmen das Kommando. Bei mittlerem Tempo präsentiert sich das Fahrzeug dagegen angenehm ruhig. Auch in punkto Fahrsicherheit und Spurtreue kann der Grand Espace überzeugen. 13,9 Sekunden von null auf 100 km/h sind für so ein Dickschiff auch nicht schlecht. Wichtiger ist jedoch, dass der Testwagen in jeder Lebenslage kraftvoll Antritt. Probe aufs Exempel: Eine Tour mit sechs Personen und viel Gepäck durch die Kasseler Berge. Weil bei voller Besatzung 456 Liter Kofferraum schnell aufgebraucht sind, musste der mittlere Sitz in der zweiten Reihe einem großen Hartschalenkoffer weichen. Der Ausbau gelingt mit wenigen Handgriffen, erfordert aber einiges an Kraft. Für den Zugang zur dritten Reihe lassen sich die mittleren Sitze nach vorne klappen. Derart schwer beladen konnte der Grand Espace 2.2 dCi selbst am Berg noch zulegen.

Fazit: Groß, komfortabel und extravagant. Der Renault Grand Espace 2.2 dCi 16V Initiale bietet immer etwas mehr. Gemessen an der Ausstattung, geht auch der stolze Preis von 42.250 € in Ordnung. Besonders, wenn man den Franzosen mit deutschen Premium-Marken vergleicht.

planbar.de, Holger Schilp


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