Fahrbericht Jaguar X-Type Estate
24.01.2005
Der Jaguar X-Type Estate steht beispielhaft für die zwiespältige Entwicklung der Marke in der jüngeren Vergangenheit: Das Design ist je nach persönlicher Sichtweise konservativ bis nichtssagend. Die Technik stammt aus dem Ford Mondeo, was ohne Frage kein schlechtes Auto ist, aber dem Exklusivitätsgedanken des Jaguar-Kunden nicht gerade entgegen kommt. Und der gefahrene Motor, ein 2,0-Liter-Diesel mit 96 kW/130 PS, hält das Markenversprechen von Sportlichkeit nicht ein.
Und trotzdem macht dieser X-Type Estate ein wenig Hoffnung darauf, dass sich die Briten aus der Krise kämpfen können, wenn sie sich dem einen oder anderen Trend öffnen, anstatt auf Traditionen zu beharren. Denn der Estate ist nach langen Jahren des Zögerns und Zauderns der erste Kombi, den der Hersteller auf den Markt gebracht hat. Und der Diesel ist immerhin der erste, der je in einem Jaguar eingebaut wurde. Beide Dinge, Kombi und Diesel, sind gerade in der europäischen Mittelklasse zwei unverzichtbare Erfolgsvoraussetzungen. Insofern muss man Jaguar erstmal dankbar dafür sein, dass es den Estate überhaupt gibt.
Die Kombiversion macht in Deutschland bereits rund die Hälfte aller X-Type-Verkäufe aus, und der Dieselanteil liegt bei drei Viertel aller Zulassungen. Hinzu kommt, dass der 96 kW/130 PS starke Selbstzünder mit 28 850 Euro Grundpreis gegenüber den beiden V6-Benzinern das günstigste Angebot der Baureihe ist. Mit an Bord sind unter anderem ESP und sechs Airbags, eine Klimaanlage und ein Kassettenradio.
Wenn man auf dem Fahrersitz Platz genommen hat, verfliegen die Gedanken an die schlichte Außenoptik. Innenräume zu gestalten, dafür haben die Briten ein Händchen. Kaum irgendwo sonst werden Eigenwilligkeit und Eleganz so stilsicher zu einer behaglichen Atmosphäre kombiniert. Das gilt erst recht, wenn man ein wenig aufpreispflichtiges Leder oder auch den Touchscreen-Monitor ordert, über den alle Funktionen wie Radio und Klima geregelt werden können. Platz ist ohnehin genügend vorhanden, sowohl vorne als auch hinten, und der Kofferraum schluckt klassengerechte, wenn auch nicht üppige 452 Liter. Sie können durch Umklappen der Rückbank auf 1 415 Liter erweitert werden.
Unter der Motorhaube geht deutlich vernehmbar der zwei Liter große Vierzylinder-Diesel ans Werk, der für entspanntes Reisen völlig ausreicht. Das Fahrwerk ist komfortabel ausgelegt und steckt alle Stöße locker weg, hat aber auch gegen eine zügigere Kurvenfahrt nichts einzuwenden; eher schon die Lenkung, die bisweilen etwas unpräzise und schwammig wirkt. Aber man bleibt ohnehin meist freiwillig bei der gemütlicheren Fahrweise. Denn dem Selbstzünder fehlt es trotz seiner 330 Nm Drehmoment ein wenig an Spritzigkeit, und er verlangt Geduld, bis die Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h erreicht ist. Zudem müssen die Briten bis zum Jahresende noch nachbessern, denn vorerst erfüllt der Motor nur die Abgasnorm Euro 3. Der Durchschnittsverbrauch von gut sieben Litern pro 100 Kilometer geht dagegen in Ordnung. An Steuern müssen pro Jahr 309 Euro einkalkuliert werden; für die Haftpflicht verlangt etwa die AXA-Versicherung in der SF1 und bei Großstadt-Zulassung 483 Euro pro Jahr.
Größter Vorzug des Briten ist vielleicht das, was wir bei einem Jaguar am wenigsten erwarten: sein Preis. 28 850 Euro sind ein Wort in der Kombi-Mittelklasse und reichen, um den Audi A4, BMW 3er und die Mercedes C-Klasse zu unterbieten. So empfiehlt sich der X-Type Estate am Ende ausgerechnet für Schnäppchenjäger.
Michael Hoffmann/mid