Fahrbericht VW Golf Plus: Der bessere Golf
25.01.2005
Die Golf-Familie erhält Zuwachs. Neben dem normalen Kompaktmodell steht ab Ende Januar der neue VW Golf Plus zu Preisen ab 16 740 Euro bei den Händlern. Für 720 Euro Aufpreis gegenüber dem herkömmlichen Fünftürer bietet die Hochdachversion ein Mehr an Platz, Variabilität und Raumgefühl und erweist sich damit als der bessere Golf.
Als VW bei der Vorstellung der fünften Modell-Generation erstmals eine Version mit höherem Dach ankündigte, legten viele Beobachter die Stirn in Falten. Was sollte eine lediglich um ein paar Zentimeter erhöhte Variante überhaupt bringen - abgesehen von der Möglichkeit, beim Fahren den Hut aufbehalten zu können?
Inzwischen ist die Skepsis jedoch gewichen. Und das nicht allein wegen der hinzugewonnenen Variabilität, sondern auch deshalb, weil der in Wolfsburg produzierte Golf Plus trotz seiner unübersehbaren Verwandtschaft zum normalen Golf eine recht hohe optische Eigenständigkeit aufweist. Sowohl die Scheinwerfer als auch die modernen LED-Rückleuchten sind neu, genauso wie Stoßfänger, Türen, Dach, die gegenläufig konturierte Motorhaube und der Arbeitsplatz des Fahrers samt der etwas wuchtig geratenen Mittelkonsole. Insgesamt, so heißt es bei VW, habe man 1 400 Teile neu konstruiert. Und das sieht man dem Golf Plus an.
Am meisten profitieren die Passagiere von der um 9,5 Zentimeter auf 1,58 Meter erhöhten Karosserie, alle anderen Abmessungen bleiben auf Golf-Niveau. Auf den vorderen Plätzen sitzt man um 7,5 Zentimeter höher als im Normal-Golf und genießt dadurch eine Van-typisch gute Übersicht, die Fondpassagiere sitzen sogar um 8,5 Zentimeter höher. Größter Vorzug des neuen Modells ist die um 16 Zentimeter verschiebbare Rücksitzbank, die das Kofferraumvolumen von 395 Liter auf 505 Liter anwachsen lässt. Zum Vergleich: Das normale Golf-Gepäckabteil fasst 350 Liter. Klappt man die im Verhältnis 60:40 teilbare Rückbank um, was man mit einer Hand machen kann, entsteht ein Laderaum mit 1 450 Litern Fassungsvermögen, allerdings nicht ganz ebener Ladefläche. Ausbauen kann man die Sitze nicht; trotzdem kommt der Plus bei so viel Variabilität, die man auch dem herkömmlichen Steilheckmodell wünschen würde, schon fast dem Touran ins Gehege.
Zum Marktstart bietet VW zwei Benziner mit 55 kW/75 PS und 85 kW/116 PS und zwei Diesel mit 77 kW/105 PS und 103 kW/140 PS an. Das Rennen um die Kundengunst dürfte wie beim normalen Golf der kleinere TDI machen, der auch im Plus bekannt rau, aber schon ausreichend druckvoll zu Werke geht. Auf der Benzinerseite hat dagegen schon der stärkere 1,6 Liter große FSI-Benzindirekteinspritzer mit 85 kW/115 PS mit dem um 100 Kilogramm schwereren Plus Mühe und lässt es an Spritzigkeit vermissen. Später im Jahr folgen zwei weitere Benziner und ein Einstiegsdiesel. Untadelig präsentiert sich das Fahrwerk, das Fahrbahnunebenheiten ohne Murren abfedert und auch einer sportlicheren Gangart nicht abgeneigt ist. An die Agilität des normalen Golf kommt der Plus wegen seines höheren Aufbaus allerdings nicht heran.
Einen Partikelfilter für die Dieselmotoren lässt sich VW extra bezahlen und verweist außerdem auf Lieferschwierigkeiten; die Euro-4-Norm wird auch ohne den Filter erreicht. Optional gibt es für die beiden Selbstzünder das Doppelkupplungsgetriebe DSG für 1 350 Euro Aufpreis; für die Benziner gibt es leider nur eine herkömmliche Automatik. Auch die Klimaanlage kostet Aufpreis. Sicherheitstechnisch ist dafür alles an Bord, was in der Kompaktklasse mittlerweile zum Standard gehört, darunter ESP und sechs Airbags.
Rund 25 Prozent des gesamten Golf-Absatzes sollen nach VW-Schätzungen demnächst auf den Plus entfallen, das wären dann rund 150 000 Einheiten im Jahr. Auf lange Sicht, meinen Optimisten des Hauses, könnte der Plus sogar das Volumenmodell der Baureihe werden. Angesichts des stimmigen Gesamtkonzepts des Fahrzeugs erscheint das gar nicht abwegig. Dafür wird er allerdings dem Normal-Golf und auch dem Touran, der neben dem Plus plötzlich ein wenig überdimensioniert wirkt, Kunden abspenstig machen. Denn die neue Modellvariante bietet für die meisten Bedürfnisse normaler Autofahrer genau das richtige Maß an Vielseitigkeit, ohne die Stärken der Schräghecklimousine zu vernachlässigen, und erweist sich damit als das vernünftigste und "preis-werteste" Modell in der Wolfsburger Kompaktfamilie.
Michael Hoffmann/mid