Fahrberichte

Seat Leon: Sorry Gentlemen. Auch Frauensache.

16.06.2005
Kurz vor der Internationalen Automobil-Ausstellung im September wird der neue Seat Leon bei den Händler stehen: länger, höher, breiter und schöner als sein Vorgänger. Kompromissloser als andere Viertürer mit Heckklappe haben die Designer um de Silva diesen Leon auf die zur Zeit so moderne coupéhafte Linie gebürstet. Als "sportlich aufregend" beschreibt Seat den Leon und umreißt mit den Begriffen "Kurven, Muskeln, Proportionen" die Grundzüge der neuen Designlinie der Spanier. Kein Wunder, wenn dann auf der Internetseite des Unternehmens der Macho durchscheint mit: "Sorry Ladies. Reine Männersache".

Offenbar werden den Damen, von denen wir wissen, dass sie in Deutschland die Kaufentscheidungen beim Personenwagen dominieren, von den Seat-Männern nur die nützlichen Kleinen zugedacht. Angesichts des Seat Leon werden sich die Ladies aber durchzusetzen wissen. Schließlich sind die auch an Kurven, Muskeln und Proportionen interessiert. Der Leon passt zur selbstbewussten Frau, die nicht in ein Allerweltsautos steigen will, sondern - genauso wie die Herren der Schöpfung - ein Vehikel sucht, mit dem man das eigene Lebensgefühl ausdrücken und beim Fahren ausleben kann.

Willkommen, Ladies, an Bord des Leon. Dort erwartet sie ein ausreichend großer Innenraum mit viel Kopffreiheit vorn wie hinten, ausreichend Raum für die Beine hinten, in weiten Bereichen verstellbaren Vordersitzen, ebenfalls gut in der Länge und Höhe verstellbarem, kleinen, dicken Sportlenkrad, gut ablesbaren Instrumenten und einer sachlich, sportlich gestalteten Armaturentafel, alles in guter Verarbeitung  la Audi. Die Vordersitze sind außergewöhnlich bequem und geben den fürs sportliche Fahren so wichtigen Seitenhalt.

Der Basis-Benziner mit 1,6 Liter Hubraum und 75 kW (102 PS) Leistung für 184 km/h Spitzengeschwindigkeit und der Basis-Diesel-TDI mit 1,9 Liter Hubraum, 77 kW (105 PS) für 185 km/h Spitzengeschwindigkeit werden mit einem Fünf-Gang-Getriebe angeboten. Außerdem stehen für die anderen Motorvarianten ein sehr leicht schaltbares Sechs-Gang-Getriebe mit sportlich kurzen Schaltwegen, eine Sechs-Gang-Automatik und das auch in diesem Fahrzeug begeisternde Sechs-Gang-Direktschaltgetriebe (DSG) zur Wahl.

Zum ersten Mal bei Seat kommt auch FSI-Motoren aus dem Konzernbaukasten zum Einsatz, ein 2,0 FSI mit 110 kW (150 PS) für rund 210 km/h Höchstgeschwindigkeit oder mit 136 kW (185 PS) für mehr als 220 km/h Spitzengeschwindigkeit. Später soll ein 200-PS-Motor folgen, und auch ein Turbo-Motor ist geplant, der den Leon in der nach oben offenen PS-Skala dieser Klasse in eine Spitzenposition bringen soll. Der 2,0 TDI bringt es auf 103 kW (140 PS) und eine Höchstgeschwindigkeit von 205 km/h.

Die Verbrauchwerte werden mit 7,4 Liter für den 1,6 Liter Benziner und 8,4 Liter für den 2-Liter FSI mit Automatik angegeben. Die Diesel sollen 4,9 Liter für den 1,9 Liter mit Handschaltung und 5,7 Liter für den großen Diesel mit DSG liegen. Filter gibt es gegen Aufpreis. Etwa Mitte 2006 soll noch ein 1,4 Liter Benziner mit 63 kW (85 PS) die Palette nach unten abrunden

Wir fuhren jetzt den 150-PS-Benziner und den 140-PS-Diesel, beides Triebwerke, die zwar schon viel Freude beim schnellen "Kurvenfressen" aufkommen lassen, die aber auch zu erkennen gebe, dass das Fahrwerk des Leon auch mit mehr Leistung und Drehmoment kein Problem haben wird. Der Benziner schafft die 100-km/h-Marke nach 9,4 Sekunden, der Diesel nach 9,3 Sekunden, dem Diesel-Drehmoment sei es gedankt. Die Federung reagiert etwas strammer als beim eng verwandten Volkswagen Golf, aber nicht unkomfortabel. Die Seitenneigung in Kurven fällt minimal aus. Die Lenkung arbeitet exakt und ohne die bei manchen starken Fronttrieblern oft lästigen Einflüsse des Antriebs beim Beschleunigen in Kurven.

Die Sicht nach vorn ist wegen des stark abfallenden, runden Bugs nur dann akzeptabel, wenn man den Sitz ganz nach oben fahren kann. Allerdings engen die sehr flach ansteigenden, recht breiten A-Säulen das Sichtfenster nach vorn ein. Da das Fahrzeug hinten nur einen ganz kurzen Überhang hat, stellt die Sicht nach hinten keine Herausforderung dar. Dafür fällt die Sicht nach außen für die Fondpassagiere nicht gerade üppig aus, weil die Fensterflächen dort klein sind.

Das ist der ausgeprägten Keilform und besonders den hohen Schultern geschuldet. Wer schön sein will, muss auch bereit sein zu leiden. Auf diese Binsenweisheit kommt auch, wer die Heckklappe benutzen will. Durch die runde Form fällt sie kleiner aus als üblich. Außerdem liegt die Ladekante sehr hoch. Der Kofferraum selbst hat eine für die sogenannten Zwei-Volumen-Autos akzeptable Größe und lässt sich variieren mit Hilfe der im Verhältnis ein Drittel, zwei Drittel oder ganz umklappbaren Rücksitzbank. Dabei entsteht aber leider keine ebene Ladefläche.

Bei der Entscheidung für den Leon dürfte diese Schwäche nicht von seinen anderen Vorzügen und kleinen Besonderheiten wie den versenkten Griffen für die hinteren Türen ablenken. Dieser Leon hat einen eigenständigen, starken Charakter. Den zeigt er im Stand mit seiner scheinbar jederzeit zum Sprung bereiten, Form, und den beweist Ladies wie Gentlemen, wenn sie hinter dem Steuer sitzen.

Charakter ist keine Frage des Geldes, auch beim Leon nicht. Der kleinste Benziner kostet in der Grundausstattung Reference 15 690 Euro und in der teuersten Stylance-Version mit dem starken Diesel und DSG 22 990 Euro. Der 1,4 Liter wird 2006 unter 15 000 Euro kosten. Auf die Preise der zukünftigern FR- und Cupra-Versionen müssen wir noch warten. (ar/Sm)


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