Audi RS 4: Das tägliche Sport-Programm
15.09.2005
Sie tragen unauffällige Kürzel wie AMG, RS oder sogar nur schlicht M, doch unter den auffälligen Karosserieschwellungen spannen sich kräftige Muskeln: Die deutschen Premium-Hersteller Mercedes-Benz, Audi und BMW werten ihre eigentlich eher für Business und Familie konzipierten Limousinen-Baureihen fast ausnahmslos mit sportlichen Ablegern auf und überbieten sich dabei mit Pferdestärken oder Drehmomenten. Neuestes Kind ist der Audi RS 4, das neue Spitzenmodell der nicht mehr ganz frischen A4-Baureihe. Die Ingolstädter haben in ihre Mittelklasse-Limousine einen V8-Benzinmotor mit Direkteinspritzung eingebaut. Dessen wichtigsten Daten lauten: 4,2-Liter Hubraum, 309 kW/420 PS Leistung, bis zu 430 Nm Drehmoment und 16,6 Sekunden für den Spurt, aber den von null auf 200 km/h wohlgemerkt. Für das Erreichen der 100 km/h-Grenze benötigt die Tachonadel lediglich lässige 4,8 Sekunden. Das tägliche Sport-Programm für den wohlhabenden Familienvater ist natürlich nicht ganz billig. Fast 70 000 Euro kostet der neue Audi RS 4 mit einem Minimum an Ausstattung, wobei in der Praxis wohl kaum ein Fahrzeug unter 80 000 Euro aus dem Audi-Showroom gefahren werden dürfte.
Fahrspaß ist also das Mindeste, was man vom neuen Audi RS 4 erwarten darf, zumal Fahrzeuge mit solchem Kürzel bereits eine kleine Tradition haben. Erstmals brachte die VW-Tochter 1994 einen RS auf den Markt, der RS 2 Avant leistete damals schon beachtliche 315 Pferdestärken. Der Neue enttäuscht die hochgesteckten Erwartungen motorseitig nicht. Bissig im Antritt, mühelos bis unglaubliche 8 250 Touren hochdrehend und dabei zwischen 2 250 und 7 600 U/min immer mit mindestens knapp 390 Nm der maximal möglichen 430 Nm aufwartend, giert der Achtzylinder einerseits geradezu danach, gefordert zu werden. Da die möglichen absoluten Fahrleistungen aber in der Praxis wohl kaum oder nur unter Umgehung der Verkehrsvorschriften umgesetzt werden können, ist eine andere Eigenschaft des RS 4 viel wichtiger. Die souveräne Kraftentfaltung des Motors macht auch im Normalbereich viel Spaß, natürlich in Verbindung mit dem Wissen, bei Möglichkeit oder Bedarf auch ganz anders zu können.
Natürlich darf angesichts eines offiziellen Durchschnittsverbrauchs von 13,7 Liter Super plus, der im Alltag wohl noch um einiges höher liegen dürfte, die Frage nach dem Sinn einer rasenden Familienkutsche mit 460 Litern Kofferraumvolumen gestellt werden. Zielführend ist diese Frage jedoch nicht. Wer sich den Audi RS 4 leisten will und kann, der darf und sollte es tun. Für sein Geld erhält der Käufer eine angemessen, aber keinesfalls üppig ausgestattete Limousine, mit der man bei Bedarf auch bei den Schwiegereltern noch als seriös durchkommt. Zumindest wenn denen bei der Testfahrt die harte Federung nicht ins Kreuz schlägt. Understatement - wie man es mit solch motorisierten Familiensportlern gerne in Zusammenhang bringt - vermittelt dieses Fahrzeug allerdings nicht. Dazu ist das Feuerwerk von ausgestellten Radhäusern, speziellen Stoßfängern, Schwellern, Spoilern, Riesenrädern und der Auspuffanlage, das alles garniert mit reichlich RS 4-Schriftzügen, wohl kaum geeignet. Aber mal ehrlich: Wer gibt schon 70 000 Euro für einen Sportschlitten aus und will dann so gar nicht erkannt werden? Peter Eck/mid