Fahrberichte

Fahrbericht Caterham Seven 165: Alles außergewöhnlich

01.07.2016
An diesem Auto ist so gut wie alles außergewöhnlich: Als Antrieb dient ein Dreizylinder mit gerade einmal 660 Kubikzentimetern Hubraum, dennoch geht es innerhalb von sieben Sekunden von null auf 100 km/h. Es gibt Platz für Zwei und ein Verdeck, aber keinerlei Hilfssysteme wie ABS oder ESP. Und an Airbags sollen wir hier gar nicht erst denken. Das klingt nach altmodisch, ist es auch, aber neu zu kaufen – und keine Verzichts-, sondern eine Spaßerklärung. Caterham Seven 165 lautet die Zauberformel, die bei unter 25 000 Euro mindestens genauso viele Blicke auf sich zieht wie ein Ferrari oder Lamborghini und mehr Freude bereitet als ein Golf GTI. Dabei gehen das Konzept und die Grundkonstruktion immer noch auf den legendären Lotus-Gründer Colin Chapman und die zweite Hälfte der 1950er-Jahre zurück.

Ob es etwas Besonderes gibt, worauf zu achten wäre? Der freundliche Herr Hoffmann von Caterham Deutschland nennt den ungewöhnlichen Blinkerschalter und den schwarzen Knopf links neben dem Lenkrad auf dem Armaturenbrett. Als wir dann beim Anlassen erst einmal den Fuß auf die Bremse stellen und ungewollt auch gleich noch Gas geben, fällt ihm doch noch etwas ein: „Ach ja, die Pedale liegen recht eng beieinander.“

Auch über die Blinkerbetätigung darf im so stark reglementierten Deutschland immer wieder gestaunt werden. Der Fahrtrichtungsanzeiger, wird mittels eines um 90 Grad gedrehten Kippschalters betätigt und stellt sich – natürlich – nicht von alleine wieder zurück. Mit auf dem Schalthebel ruhenden Handgelenk geht das Hin- und Herswitchen aber erstaunlich gut. Darüber hinaus finden sich insgesamt neun Wipp- und Kippschalter von den Scheibenwischern bis zur Lüftung. Stockhebel an der Lenkradsäule benötigt ein Caterham nicht, für sie wäre ohnehin kein Platz im Auto.

Türgriffe kennt der Caterham Seven ebenfalls nicht. Die schmalen und dünnen Kunststofftürchen werden mit zwei Druckknöpfen arretiert und beim Öffnen einfach zur Seite weggeklappt. Ein Handschuhfach? Gibt es nicht. Wenigsten eine kleine Ablage? Fehlanzeige. Platz für ein Radio ist auch nicht im Auto. Es würde ohnehin nur den betörenden Caterham-Klang stören. Ebenfalls nicht lange grübeln mussten die Konstrukteure bei der Frage, wo sie denn die Heizung unterbringen sollten. Sie ist gar nicht nötig, denn der Motor gibt genug Wärme ab, die einfach über zwei tiefliegende Schlitze in der Trennwand direkt in den Fußraum wandert. Reguliert werden kann das nur über einen zweistufigen Ventilator, von dem man im Sommer aber am besten ganz die Finger lässt. Zur Kühlung müssen die hinter der flachen Scheibe ohnehin im Wind stehenden Haare reichen.

Die nostalgische Optik trüben ein wenig die nicht ganz stimmigen Blinker und die aufgesetzte dritte Bremsleuchte am Heck. Sie fallen stilistisch aus dem Rahmen, doch dem Fahrer kann das egal sein, denn er sieht beides nicht. Der Blick nach hinten erfolgt am besten über den Innenspiegel, denn die beiden Außenspiegel lassen sich nur schwer einstellen und zeigen ohnehin wenig, und wenn, dann fast immer auch einen Teil der wuchtigen Heckkotflügel.

Eng geht es zu im dicht über dem Asphalt hockenden Zweisitzer, bei dem eine mächtige und hohe Mittelkonsole Fahrer und Beifahrer trennt. Vor allem an die extrem dicht gesteckte Pedalerie müssen sich Caterham-Novizen erst einmal gewöhnen. Wer die Bremse tritt, trifft sonst auch noch gleich das Gaspedal und steht mit heulendem Motor da. Umgekehrt erwischt es gerne einmal auch die Bremse beim Gasgeben. Und beim Kuppeln tritt sich der Fahrer anfänglich oft selbst auf den daneben liegenden Bremsfuß. Nach ein wenig Übung und mit im wahrsten Sinne des Wortes Fuß- statt Fingerspitzengefühl (mit Betonung auf Spitze) klappt es dann am Ende aber doch ganz manierlich.

Viel Raum zum Schalten steht dem Fahrer ebenfalls nicht zur Verfügung, doch kurze Schaltwege zeichnen einem Sportwagen ja ohnehin aus. Dies sind die kürzesten, die wir bislang kennengelernt haben. Weniger dürfte kaum noch möglich sein. Dabei verblüfft, wie exakt die Gänge trotz der extrem engen Gassen einrasten. Beim Fahren ruht der linke Ellbogen immer auf der oberen Kante der Einstiegsleiste und der rechte Arm automatisch auf dem hohen Getriebetunnel des Hecktrieblers. Entsprechend kann eine gewissen Gelenkigkeit nicht schaden, um sich zwischen Seitenwand, Mittelkonsole, Lenkrad und Sitz einzufädeln.

Der Blick des Fahrers fällt auf zwei freistehende Chrom-Scheinwerfer, ebenfalls freistehende und mitlenkende Kotflügel sowie eine Armada von Entlüftungsschlitzen auf der sehr langen Motorhaube. Zum Fahrgenuss trägt auch die Positionierung des Auspuffs bei. Sein Endrohr mündet noch vor dem hinteren Kotflügeln dort ins Freie, wo auch der Sitz positioniert ist, so dass der Fahrer das Ohr fast unmittelbar an der Soundquelle hat. Der faszinierende Klang, der dem einer Turbo-Prop-Maschine schon recht nahekommt, muss seine akustische Herrschaft erst ab etwa 140 km/h und 5000 U/min im letzten Gang ein wenig an den Wind abtreten. So tief über dem Asphalt und so eingeengt im Cockpit machen sogar Fahrten mit Ortsgeschwindigkeit Spaß. Auch auf der Landstraße hat der Fahrer immer das Gefühl, schneller zu fahren, als es tatsächlich der Fall ist.

Die Bremsen (hinten Trommel) empfehlen sich bei allem sportlichen Auftritt für eine vorausschauende Fahrweise. Ihre Leistung ist nach modernen Gesichtspunkten eher bescheiden, und sie verlangen bei äußerst geringer Rückmeldung nach einem beherzten Tritt. Dass der TÜV da keinen Einspruch erhebt, ist schon erstaunlich. Auf jeden Fall (s.o.) sollte der linke Fuß vor dem Bremsen mit dem rechten rasch aus der Kupplungsecke gezogen werden, damit sich die Zehen nicht in die Quere kommen.

Der Motor sollte mit mindestens 2500 bis 2700 Umdrehungen in der Minute bei Laune gehalten werden, damit die Vibrationen des Leichtbauroadsters im Zaum gehalten werden, der ohnehin immer wieder mal an einigen Ecken schnarrt. Der Drehzahlmesser geht bis 8000 Touren und kennt keinen roten Bereich. Der kleine Motor von Suzuki trifft mit seinen 60 kW / 81 PS auf 490 Kilogramm Fahrzeuggewicht. Davon leitet sich auch die Typenbezeichnung ab: Sie gibt den PS-Wert pro 1000 Kilogramm an. Trotz der PS-Leistung eines Kleinwagens und des mickrigen Hubraums ist das Kasseler-Berge-Syndrom der kleinen Sportskanone unbekannt. Der Dreizylinder mit Turbolader röhrt bei jedem Gasstoß dumpf auf und baut auch im fünften und letzten Gang noch mächtig Druck auf. Ab 5000 Touren scheint er noch einmal tiefer durchzuatmen. Und auch bei 7700 Umdrehungen macht der Motor noch keine Anstalten, in den Begrenzer zu laufen.

Trotz seiner Gokart-artigen Agilität ist der Caterham gar nicht so sehr ein Asphaltjäger für enge Kreisstraßen zweiter Ordnung, sondern vor allem ein Kandidat für gut ausgebaute Land- und Bundesstraßen mit langgezogenen Kurven. Caterham bietet nicht umsonst immer wieder Rennstreckenfahrten für die Kundschaft an.

Der Caterham ist das wohl puristischste Auto, das man neu für Geld kaufen kann. So viel Fahrfreude mit so wenig Leistung bietet niemand sonst. Ach so, das mit dem Blinker funktioniert übrigens erstaunlich gut, wenn der Handballen auf dem kugelförmigen Schaltknauf ruht. Man fährt ohnehin meist nur mit der linken Hand am Lenkrad.

Daten Caterham Seven 165

Länge x Breite x Höhe (m): 3,38 x 1,58 x 1,12 Motor: R3-Benziner, Turbo, 658 ccm Leistung: 59 kW / 81 PS Max. Drehmoment: 107 Nm bei 7000 U/min Kraftübertragung: 5-Gang-Schaltgetriebe Höchstgeschwindigkeit: 161 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,9 Sek. Verbrauch (Durchschnitt nach EU-Norm): 4,9 Liter CO2-Emissionen: 114 g/km Leergewicht: 490 kg Bereifung: 155/65 R 14 Preis: 23 795 Euro


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