Fahrberichte

Vorstellung Volvo S90 und V90: Willkommen im Club!

10.06.2016
Es geschieht nicht alltäglich. Aber manchmal geht das Design eines Autos einem schon beim ersten Blick ans Herz. Da wird es emotional. Bei Volvo gab es bisher nicht viele solcher Momente. Vielleicht löst bei Oldtimerfreunden die Ikone P 1800 solch ein Gefühl aus. Ich erlebte das erstmals beim viersitzigen V70 Cabriolet am Ende der 90er-Jahre beim ersten Zusammentreffen in Frankfurt auf der IAA. Und nun geschah es wieder beim Volvo V90, dem Kombi zum neuen Spitzenmodell S90.

Nicht, dass die Limousine S90 nicht auch gut aussähe. Sie folgt dem klassischen Three-Box-Design mit Motorraum, Passagierabteil und Kofferraum, allerdings nicht nach der alten Definition der Schweden, die mit der deutschen Übersetzung als Drei-Kästen-Design jahrelang treffend beschrieben war. Jetzt ist alles anders. Der Volvo S90 zeigt die typischen Proportionen, die auch einem großen Münchner zur Ehre gereichen würden: sportlich kurzer Überhang vorn, lange Motorhaube und ein geschwungen in das Stummelheck auslaufendes Dach. Die hohe Schulterlinie und die flache Fenstergrafik strecken den S90, alle Linien sind sorgfältig, fast zurückhaltend gesetzt. Gradlinigkeit und klare Eleganz sind das Ergebnis. Dieses Design beweist mehr noch als das des SUV XC90, was die Schweden mit den chinesischen Eignern im Hintergrund vorhaben: Sie wollen neben Audi, BMW und Mercedes-Benz nicht nur von den Andersdenkenden zu den europäischen Premiummarken gerechnet werden.

Bei dem Bemühen um die Teilnahme am Finale der automobilen Champions League muss heute der Innenraum mehr denn je punkten. Die Aufgaben bewältigen die Schweden ebenfalls mit Bravour. Viel Licht und vorzugsweise helle Innenausstattungen, Holz, das nach Holz aussieht und sich auch so anfasst, gute Materialien rundum, eine bespannte Armaturentafel, aufwendig gestaltete integrierte Sitze, die sich auch noch als langstreckenbequem und kurventauglich erweisen, ein zweifarbiges, recht kleines aber dickes Lenkrad mit Bedienelementen und als auffälliger Höhepunkt ein senkrecht stehendes 12,3-Zoll-Display. Das hat nicht nur die Größe eines Tablet-Computers, es lässt sich mit Tippen und Wischen auch so bedienen. Mit dieser zentralen Bedieneinheit kann Volvo die Zahl der Knöpfe und Regler in der Armaturentafel reduzieren und das Internet an Bord holen. Apple Carplay ist Bestandteil, Android Auto soll bald dazukommen. Das alles kennen wir schon vom Volvo-SUV XC90, und es sieht auch so aus.

Hier scheint die Strategie durch, mit der ein relativ kleiner Automobilhersteller wie Volvo ein rundes Fahrzeugangebot auf den Markt bringen kann: Alle Neuen sprechen dieselbe Design-Sprache – außen wie innen. Die Marke zeigt ein klares Gesicht. Das lässt sich auch ins Technische übertragen. Mit dem XC90 hat Volvo eine Fahrzeugarchitektur begonnen, die nur in einem Maß festgelegt ist: Abstand von der Vorderachse bis zur Pedalebene. Alles andere kann frei gestaltet werden, von den 60-gern bis zu den 90-gern. Bei den Motoren gilt Ähnliches. Die Schweden haben Vier-Zylinder-Motoren (Drive E) entwickelt, deren Kernkomponenten identisch sind und mit dem sie sowohl Diesel als auch Benziner bauen können.

Beim XC90 schon war die Frage aufgekommen, ob ein Premiumfahrzeug mit vier Zylindern überhaupt erfolgreich sein könne. Volvo sagt heute, der Markt gebe ihnen Recht. Und unsere eigene Erfahrung lehrte uns, dass es im Turbozeitalter bei der Leistung sowieso zu keinem Verzicht kommt und es für den Fahrer angesichts des geringen Geräuschniveaus im Innenraum sowieso nur beim Tritt aufs Gaspedal hörbar wird, ob es dieselt oder nicht.

Für den Diesel hat sich Volvo übrigens etwas Neues ausgedacht: Power Pulse. Das ist ein Kompressor, der beim Diesel im Volvo S90/V90 D5 AWD einen Presslufttank füllt, mit dessen Überdruck der große Turboauflader so auf Trab gebracht wird, dass ein Turboloch nicht entstehen kann. Einsteiger-Motor ist der T5-Turbobenziner mit 187 kW / 254 PS, dann folgt der per Kompressor aufgeladene Turbobenziner T6 AWD mit 235 kW / 320 PS. Die beiden Diesel sind der D4 mit 140 kW / 190 PS und der D5 AWD mit 173 kW / 235 PS.

Die aktive und passive Sicherheit gehören bei Volvo zum Pflichtprogramm. Auch hier gibt es etwas Neues, was über das Angebot im XC90 hinausreicht. Das Pilot Assist System in seiner Stufe 2 ermöglicht nun teilautonomes Fahren bis 130 km/h, erstmals auch ohne ein vorausfahrendes Fahrzeug. Zu den neuen Systemen kommt eine „Road Edge Detection“, die den Fahrbahnrand auch ohne Linien erkennt und das Fahrzeug in der Spur hält. Und der Notbremsassistent erkennt nicht nur Fußgänger und Radfahrer bei Tag und Nacht, sondern auch große Tiere. Volvo denkt dabei natürlich an Elche. Aber auch mit Kängurus haben die Schweden das System erprobt.

Den S90 gibt es in drei Ausstattungsvarianten: Kinetic, Momentum und Inscription. Schon die Kinetic-Ausstattung bringt viele Sicherheitssysteme im Serienumfang mit. Die Basispreise reichen von 45 800 Euro für den D4 und 57 500 Euro für den D5 AWD sowie 53 000 Euro für den T5 bis zu 60 600 Euro für den T6 AWD. Die Limousine wird Volvo Ende Juli in den Markt einführen, dem Kombi V90 Ende September.

September – das bringt uns zurück an den Anfang. Bis in den Herbst werden die Interessenten in Deutschland warten müssen, bis sie sich selbst ein Bild davon machen können, ob der Volvo V90 wirklich den Schönheitswettbewerb der Kombis gewonnen hat. Bisher wurde der oft Audi zugesprochen und auch schon mal Jaguar für den XF-Kombi. Aber dieses Jahr steht der Sieger für mich fest. So gestreckt, schnell, elegant und wertig wirkt keiner seiner Klasse. Beim Heck gelang den Volvo-Designern das Kunststück, ihm Leichtigkeit mit auf den Weg zu geben. Das große Heckfenster, der massive Stoßfänger mit den integrierten, rautenförmigen Endrohren und die traditionell bei Volvo-Kombis aufrecht stehenden Rückleuchten lassen nur wenig Platz für massig wirkendes Blech.

Warum das Vierteljahr zwischen dem ersten Auftritt der Limousine und des Kombis? Bei der Präsentation des Neuen im spanischen Barcelona wähnten Spötter, den Grund gefunden zu haben. Dann könne Volvo eben erst einmal mehr Limos verkaufen. Und in der Tat rechnet das deutsche Management erst fürs kommende Jahr damit, dass für jede Limousine in Deutschland zwei Kombis verkauft werden. Dieses Jahre wird der S90 den V90 aber noch übertrumpfen können. (ampnet/Sm)

Daten Volvo V90 T6 AWD

Länge x Breite x Höhe (in m): 4,93 x 1,89 (mit Außenspiegeln 202,0) x 1,48 Radstand (m): 2,94 Motor: R4-Benziner, 1969 ccm, Kompressor, Turbo, Direkteinspritzung Leistung: 235 kW / 320 PS bei 5700 U/min Max. Drehmoment: 400 Nm von 2200 - 5400 U/min Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,1 Sek. ECE-Durchschnittsverbrauch: 7,4 Liter CO2-Emissionen: 169 g/km (Euro 6) Leergewicht: min. 1833 kg Kofferraumvolumen: 560 - 1526 Liter Reifen: 245/45 R 18 Max. Anhängelast: max. 2200 kg Luftwiderstandsbeiwert: 0,30 - 0,33 Preis: 60 600 Euro


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