Zum Alltag eines jeden Autofahrers gehören Verkehrsschilder. Sie bevölkern den Rand der Fahrbahn nahezu überall in Deutschland: Schätzungen gehen davon aus, dass es mehr als 20 Millionen Verkehrsschilder an den Straßen stehen. Eine mehr als stattliche Zahl, neutral formuliert. Oder viel zu viel, wie seit Jahren von diversen Verkehrsclubs, Bürgerinitiativen und Politikern kritisiert wird. Doch bis auf den heutigen Tag scheint es keineswegs so zu sein, dass es eine Trendwende gebe: Die Zahl der Verkehrszeichen nimmt nicht spürbar ab, diversen Initiativen zum trotz.
Im wundervollen Amtsdeutsch lautet die Erläuterung für ein Verkehrszeichen "behördliche Anordnung". Diese muss von den am Verkehr teilnehmenden Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern beachtet werden.
Verkehrszeichen ist dabei der übergeordnete Begriff, denn Verkehrsschilder sind nur ein Teil der möglichen Zeichen. Auch so genannte "Wechselverkehrszeichenanlagen", bei denen mehrere Verkehrszeichen auf einem "Schild" elektronisch dargestellt werden können, oder "Lichtzeichenanlagen" (Ampeln) gehören zu den Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen ebenfalls, schließlich auch noch Personenzeichen.
Unter den Verkehrszeichen gibt es eine klare Hierarchie: Ganz oben stehen die Zeichen von so genannten "Verkehrsposten", auch "Polizeivollzugsbeamter" genannt, der zum Beispiel mit der "Polizeikelle" in der Hand auf eine Kreuzung steht und den Verkehr regeln.
Auf Rang zwei stehen die Lichtzeichenanlagen, die allen weiteren Zeichen vorgesetzt sind. Dahinter stehen die Verkehrszeichen, also Schilder und Fahrbahnmarkierungen, ehe schließlich ganz hinten die anderen Verkehrsregelungen, wie zum Beispiel die Regel, dass rechts vor links geht (bzw. fährt).
Hierarchisch stehen Verkehrsschilder ziemlich weit hinten, was antiproportional zu ihrer Auftretenshäufigkeit steht, während die Nummer eins im Gefüge, der verkehrsregelnde Polizist, Seltenheitswert hat.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es. Doch hinsichtlich der Verkehrschilder scheint sich das Sprichwort nicht zu bewahrheiten, denn international herrschen Kraut und Rüben. Eigentlich ist bereits im Jahr 1968, also vor mehreren Jahrzehnten, beschlossen worden, die Vereinheitlichung von Verkehrszeichen voranzutreiben.
Die Realtität sieht anders aus. In Europa könnten die Schilder zwar gleich sein, sind sie aber nicht, was den vielen Millionen Autofahrern, die jedes Jahr ihren Urlaub im Ausland verbringen, rasch auffällt. Zwar gibt es tatsächlich einige kleinere Initiativen, doch gehen die Länder ihre eigenen Wege. Das ist nach Ansicht von Experten in mehrfacher Hinsicht negativ zu bewerten, denn die Vielfalt bei den Schildern ist weder für die Verkehrssicherheit noch für die Verkehrsteilnehmer vorteilhaft.
Ein Problem ist sicherlich, dass die 1968 ausgehandelte Konvention nicht der Weisheit letzter Schluss ist: Sie lässt Varianten der Schilder in zahlreicher Form zu und ist alles andere als umfassend.
So ist es nicht nur nationale Eitelkeit, dass hier nichts geschieht, sondern auch politischer Unwille, sich mit dem Thema ernsthaft und zielgerichtet auseinanderzusetzen.
Umfragen von Verkehrsclubs zufolge machen Autofahrern vor allem Schilder, die ein Parkverbot aussprechen Probleme. Doch auch in heimischen Gefilden scheint es mit dem Verständnis von Verkehrsschildern nicht mehr weit her zu sein.
Die Zahl der Kritiker wächst. Das Wort vom "Schilderwald" macht zunehmend die Runde. Und tatsächlich wäre es wohl jedem Bewohner einer größeren Gemeinde in Deutschland möglich, Bilder von Schilder-Zusammenrottungen zu schießen. Wer entlang einer normalen Innenstadt-Straße blickt, kann ob der Häufung von Verkehrsschildern schon den Eindruck gewinnen, es handele sich um einen Wald.
Ein wichtiges Problem dabei ist, dass der Schilderwald mit zunehmender Dichte genauso undurchsichtig wird wie sein natürliches Vorbild. Wer ist schon in der Lage, innerhalb kürzester Zeit ein gutes Dutzend verschiedener Verkehrsschilder aufzunehmen und auch richtig zu verarbeiten?
Hier setzt die Kritik an. So weisen Verkehrsexperten darauf hin, dass die die Wahrnehmungsfähigkeit des Verkehrsteilnehmers durch zu viele Schilder schlichtweg überfordert ist. Das Auge ist demzufolge zwar noch in der Lage, die Schilder zu sehen, doch die Verarbeitung der aufgenommenen Daten erfolgt nicht mehr und damit auch nicht das korrekte Handeln. Schilder in Häufung, so lautet der Vorwurf, führen zur Verwirrung und können auch verkehrsgefährdend sein.
Auch wird der enorme Kostenaufwand beim Aufbau und Erhalt des Schilderwaldes kritisiert. So wird für die Aufstellung eines Schildes ein Betrag von 200 bis 350 Euro veranschlagt, woraus sich für den aktuellen Bestand ein Milliardenbetrag ergibt. Außerdem sind die Kosten der Erneuerung zu beachten, denn die Witterung frisst an den Schildern, bisweilen werden diese auch Opfer von Unfällen.
Glaubt man diversen Untersuchungen, dann ist ein Drittel des Schilderbestandes überflüssig. So ließe sich nicht nur hohe Geldbeträge jährlich sparen, sondern auch gleichzeitig die Verunsicherung der Verkehrsteilnehmer im undurchsichtigen Schildergestrüpp reduzieren. Überall im Land hat es in den zurückliegenden Jahren Initiativen gegeben, überflüssige Schilder zu entfernen. Das betrifft vor allem jene, die eine ohnehin geltende Verkehrsregelung noch einmal wiedergeben.
Die freiwerdenden finanziellen Mittel sollten nach Einschätzung von Verkehrsexperten in die Sanierung von Straßen und den Umbau dieser gesteckt werden. Verwiesen wird dabei darauf, dass eine gut gebaute Straße eben mehr oder weniger selbsterklärend ist.
In einigen Ortschaften hat es bereits umfassende Versuche gegeben, den Schilderwald einzudämmen. Die vorläufigen Ergebnisse sind ermutigend, allerdings zeigt die Realität, dass gerade in den Verwaltungen vielfach noch immer nach dem Motto verfahren wird, dass viel auch viel hilft.