Gastkommentar: Warme Luft um Nischenautos
21.08.2008
Seit 19 Jahren kritisiert der ökologische getrimmte Verkehrsclub Deutschland (VCD) mit seiner Auto-Umweltliste die deutschen Autobauer und die Bundesregierung. Doch mit der aktuellen Liste können deutsche Hersteller gut leben. Denn „neun Pkw aus Deutschland dominieren klar die umweltbesten Kompaktautos“, so der VCD. Prompt reagierte der Branchenverband: Die Auto-Umweltliste bestätige „auf beeindruckende Weise die Strategie der CO2-Minderung der deutschen Autoindustrie“ sagte VDA-Umweltexperte Dr. Thomas Schlick und definierte den status quo sinngemäß so: Wir bieten (unseren Kunden) die jeweils effizientesten Fahrzeuge ihrer Klasse an und sind unseren Mitbewerbern einen deutlichen Schritt voraus.
Liest man hingegen die Pressemitteilung des VCD, so gewinnt zumindest der flüchtige Leser den Eindruck, einmal mehr hätten die Japaner die besten Autos, allen voran der Toyota Prius, der „sich dank Hybridtechnik durch niedrigen Verbrauch und gute Lärm- und Schadstoffwerte auszeichnet. Er machte das Rennen knapp vor dem Vorjahressieger Honda Civic Hybrid.“ Verglichen werden vom VCD nicht nur die technischen Daten wie Gewicht, Maße und Verbrauch, sondern auch das Umweltmanagement der Autokonzerne „im Hinblick auf Produktion, Produkteigenschaften und Kommunikation“.
Dass es um den Prius dank seines zusätzlichen Elektromotors einen wahren Medien-Hype gab, mag beim Prüfpunkt „Kommunikation“ zu Buche geschlagen haben. In der Praxis steht dieses Wunderauto jedoch nicht so gut da. „Der Spareffekt beim Verbrauch relativiert sich durch ungünstige Einstufungen in den Versicherungsklassen. Mit durchschnittlichen Kilometerkosten von 66,9 Cent positioniert sich der Japaner nicht gerade im grünen Bereich. Und auch in puncto Fahrspaß und Handling liegt er im Urteil hinter konventionellen Modellen zurück“ bilanzierte Umweltspezialist und Autotester Thomas Breitling vom Auto Club Europa (ACE) einen halbjährigen Dauertest seiner Redaktion „Lenkrad“, die rund 6,5 Liter Super pro 100 Kilometer ermittelt hatte. Gleichwohl verlieh der VCD diesem Nischenauto gleich zweimal Gold – einmal ist er der erste unter den Top Ten und dann wurde er noch als bestes Familienauto eingestuft.
Das machte natürlich Schlagzeilen – doch wer die Umweltliste für 5,50 Euro kauft, entdeckt schnell, welche Autos nach der Äpfel-Birnen-Methode miteinander verglichen und folglich auch bewertet werden: Einen BMW 318d oder einen Skoda Fabia als „Familienauto“ mit einem Prius zu vergleichen, orientiert sich an dem Kritierum „Pkw mit fünf Sitzen, mindestens vier Türen, ab 400 Liter VDA-Kofferraumvolumen und 4,20 Meter Länge oder Kompakt-Van-Karosserie…“ In der gleichen Gruppe findet man noch den Mercedes B 170 Blue Efficiency mit Erdgas. Immerhin wurden sechs deutsche unter die ersten neun Autos gewertet.
Und in der Kompaktklasse (ab vier Meter Länge und/oder 1,55 Meter Höhe) findet man neun Deutsche unter den ersten elf, wobei der Golf 1.9 TDI Blue Motion mit 4,6 Punkten letzter, der Honda Civic Hybrid mit 6,6 Punkten erster ist, ein Golf 1.4 mit der neuen Benzin-motorentechnik TSI und Direktschaltgetriebe wurde mit 4,96 Punkten vierter. Schließlich noch ein Lob für deutsche Autos: In der Gruppe der besten 7-Sitzer gibt es nur Opel Zafira und Volkswagen Touran auf den ersten fünf Plätzen. Dass diese wandelbaren Modelle geradezu ideale Familienautos sind, haben die Autokenner vom VCD wohl übersehen. Auch der VW-Konzern kann nicht klagen: In der Kategorie der „Klimabesten“, in der der CO2 Ausstoß in g/km gemessen wird, wird Platz 1 durch den Polo Blue Motion und den Seat Ibiza Ecomotive besetzt. Beide Fahrzeuge erreichen gleichermaßen 99g/km.
Für den Käufer wichtiger denn je sind sicherlich Verbrauch und die Einhaltung der künftigen Abgasnormen. Ebenso wichtig ist allerdings auch der Verkaufspreis (und somit der eventuell eingeräumte Rabatt oder der Gegenwert für den Altwagen) und der Standort des nächsten Händlers sowie die Ausstattung seines Betriebes. Wer nur nach Hybrid schaut mag sich als besonders umweltfreundlich selbst einstufen – die Antwort, was mit einem solchen Altwagen nach einigen Jahren passieren soll, hat noch keiner gegeben, geschweige denn bewertet.
Tübingens grüner OB Boris Palmer, eine wahre Werbefigur für Toyota, hat jedenfalls den geleasten Prius längst zurückgegeben und ist auf einen Smart mit Start-Stop-Automatik umgestiegen. Der VCD hat mal wieder viel warme Luft abgelassen… (ar/eba)
Von Ernst Bauer