Specials

Gastkommentar: Das Prinzip Freude

29.06.2009
Gastkommentar: Das Prinzip Freude

Hans-U. Wiersch
BMW polarisiert mit neuer Werbung, die sich dem Prinzip Freude widmet. Tatsächlich dürfte den Kreativen zur richtigen Zeit die optimale Werbung eingefallen sein. Denn in Zeiten, in denen eine Schreckensmeldung die nächste jagt, hat BMW absolut das richtige Rezept gegen Missmut und Depression entdeckt: Freude, das elementare Grundbedürfnis von uns allen.

Dass der Werbespot auch noch ziemlich preiswert produziert worden sein dürfte, ist ein positiver Nebeneffekt, der den sparenden Bayern zusätzlich Freude bereiten wird. Zusammengeschnitten aus alten Produktfilmen ist den Machern ein spannendes neues Werk gelungen, das von der ersten bis zur letzten Sekunde fasziniert. Es ist unglaublich, wie effektiv man sich im Archiv bedienen kann, wenn man die richtigen Botschaften auf einen Nenner bringen will. Auch das kann man unter dem Begriff „Efficient Dynamics“ zusammenfassen.

Die neue Werbung wird im Internet heftig kritisiert und gelobt. Gerade weil sie polarisiert, wird sie BMW am Ende sehr positiv ins Bewusstsein rücken. Man muss kein Werbeexperte sein, um zu erkennen, dass BMW hier einen Volltreffer gelandet hat. Eine Marke, die seit Jahrzehnten die Freude am Fahren zu ihrem Werbe-Grundsatz gemacht hat, wird auch mit dem Hinweis auf die allgemeine Freude positiv denkende Menschen ansprechen, die sich hoffentlich noch immer in der Mehrheit befinden. Wer die Wirtschaftsnachrichten dieser Tage intensiv verfolgt, muss schon aufpassen, sich nicht von der Depression anstecken zu lassen, die in ihnen steckt.

Dass der neue Werbespot von BMW gleich zu Anfang einen jung gebliebenen älteren Herrn im Cabrio auffahren lässt („Wir erfinden Zeitmaschinen“), ist vielleicht noch nicht die Abkehr der BMW-Philosophie von einer Art seriösem Jugendwahn, aber der Hinweis, dass auch BMW an der Altersentwicklung nicht vorbeikommt. Jedoch die Art und Weise, wie es den BMW-Werbern gelungen ist, das Bild von der „Zeitmaschine“ mit älterem Fahrer umzusetzen, ist absolut sympathisch und mit jenem Schuss Humor versehen, der den Spot glaubwürdig macht. Nichts wirkt aufgesetzt, sondern leicht und fröhlich. Geschickt auch, wie die Werbung die Oldtimerszene mit ihren BMW-Klubs integriert („Wir gewinnen Freunde und pflegen Freundschaften“), den Blick in die Zukunft öffnet („Wir geben der Zukunft ein Gesicht“) und das Grundbedürfnis automobiler Menschen artikuliert („Was die Menschen fühlen, ist so wichtig, wie das, was sie fahren“).

Dass sich BMW von der Werbung für einzelne Modelle jedenfalls hier verabschiedet hat, dürfte im Hause sehr umstritten gewesen sein. Zu erwarten ist aber, dass sich dies als eine kluge Entscheidung erweisen wird. Denn BMW bringt hier zum Ausdruck, was für alle Menschen auf der Welt gilt: „Freude ist das, was uns bewegt.“

Sicher haben auch andere Autofirmen in ihrer Werbung nichts anderes im Sinn, als Freude zu vermitteln. Ob fröhliche Kinder, sympathische Erwachsene, immer ist in den Spots über Autos auch die Lust am Leben zu erkennen. Erstmals hat aber ein Autounternehmen die Freude an sich zum Inhalt seiner Werbung gemacht und die Automodelle der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu Statisten degradiert. Allerdings funktioniert das nur, weil wir Menschen mit der individuellen Mobilität automatisch nichts anderes verknüpfen als Freude. Man muss nur ein kleines Experiment machen: Versuchen wir uns an außergewöhnliche Autoerlebnisse zu erinnern. Kaum einem wird Negatives einfallen, etwa ein langer Stau oder ein Unfall. Wir sehen im Kopfkino den romantischen Sonnenuntergang, den wunderschönen Alpenpass, die traumhafte Allee, die endlose Straße zum Horizont. Es ist wirklich das Prinzip Freude, das mit der individuellen Mobilität einhergeht. Wer sie auf die nüchterne Transportmöglichkeit von A nach B reduziert, wird das wohl nicht verstehen. Insofern ist die neue BMW-Kreation Werbung für die ganze Autoindustrie. Auch wenn das sicher nicht die Absicht war. (ar/automobilreport.com/Hans-U. Wiersch)

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes „PS-Automobilreport)

Von Hans-U. Wiersch


Erste Schritte
Anzeige