Gastkommentar Formel 1: Kluge Entscheidung
03.08.2009
Hans-U.Wiersch
Diese Nachricht hätte niemand erwartet. Nicht einmal die Betroffenen im Formel-1-Rennstall von BMW Sauber. Die Entscheidung zum Ausstieg hat viele Ursachen, viel mehr jedenfalls als die eindimensionale Begründung einer neuen strategischen Ausrichtung des Konzerns, denn BMW hat sich mit EfficientDynamics und der Modellpolitik schon lange auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Diese Begründung hätte vielleicht vor drei Jahren ihre Berechtigung gehabt. Jetzt wirkt das Argument nicht wie eine Begründung, sondern klingt eher wie eine Erklärung, mit der alle leben können, ohne das Gesicht zu verlieren.
Ganz klar: Der Ausstieg von BMW ist eine kluge Entscheidung. Und wenn jetzt das Wehklagen der FIA und der Funktionäre noch so groß ist: Sie haben mit Schuld an dieser Entwicklung. Das Gerangel um Regeln, Limitierungen und Kostendämpfung hat genervt. Die Herren Funktionäre haben ihre teils kleinkarierte Machtpolitik für wichtiger gehalten als den Sport. Wahrscheinlich musste BMW-Teamchef Mario Theissen jeden Tag seinen Vorstand anrufen und von neuen Entwicklungen berichten. Das Gezerre und die Manpower, die damit vergeudet wurde, kosteten ebenfalls Zeit und Geld. Und vor allem Nerven.
Dazu kam, dass BMW auf den Rennstrecken einen Durchhänger hat. Das allein hätte aber sicher nicht zum Ausstieg geführt, wären nicht die Querelen rund um die Formel 1 dermaßen in den Vordergrund gerückt. Neben der Abarbeitung des politischen Hickhacks auch noch Rennwagen zu entwickeln, ist eine Herkulesaufgabe, die kaum zu bewältigen ist. Es ist kein Zufall, dass jene Teams jetzt vorne fahren, die sich aus der Politik ziemlich herausgehalten und den Funktionären gegenüber keinen oder kaum Widerstand geleistet haben.
Wie soll ein Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern Sparprogramme durchsetzen, seinen Aktionären die Dividende kürzen und dem Aufsichtsrat gegenüber vertreten, dass Formel-1-Millionen nötig sind, um die Marke voranzubringen? Das ist auf Dauer schlicht nicht vermittelbar. Dazu kommt das nachlassende Interesse an der Formel 1, die Einschaltquoten im Fernsehen sind in Deutschland nach Schumachers (erstem Abschied) in den Keller gegangen und haben sich nicht wieder erholt. Also auch der Werbewert der Formel 1 lässt die hohen Ausgaben nicht mehr als richtig erscheinen. BMW hat die Konsequenzen aus allen Parametern gezogen und ist für sich zur Entscheidung des Ausstiegs gekommen. Das muss man nicht nur respektieren, sondern bei allem Bedauern sogar als mutig bezeichnen.
Was werden die anderen Rennställe machen? – Auch dort werden mit Sicherheit Ausstiegsszenarien durchgerechnet. Mercedes hätte sich längst verabschiedet, wäre von die FIA vor ein paar Monaten wegen der sogenannten Lügenaffäre eine hohe Strafe gegen das Team ausgesprochen worden. Auch das Mercedes-Team steht unter Erfolgsdruck und der Mercedes-Vorstand unter dem Druck der Kosten – und des Betriebsrates, der einen Ausstieg fordert. Wie lange Dieter Zetsche das durchhalten kann, wird sicher auch vom Fortgang der Saison bestimmt, die mit dem Sieg Hamiltons im letzten Rennen durchaus erfolgreich verlaufen kann.
Und grundsätzlich kann sich Mercedes einen Ausstieg aus der Formel 1 weniger leisten als alle anderen Teams. Zu glorreich ist die Vergangenheit der Silberpfeile, und immerhin ist ein Mercedes-Fahrer aktueller Weltmeister in der Formel 1. So gesehen hätte Mercedes nach dem Ende der letzten Saison aussteigen müssen. Insofern ist Mercedes nicht eindeutig mit BMW vergleichbar. Auch Toyota bekräftigt, weiter Formel 1 fahren zu wollen. Wie es in den anderen Rennställen aussieht, lässt sich grundsätzlich auf einen Nenner bringen: Die Wirtschaftskrise zeigt ihre Spuren, Sponsoren zeigen ihr Desinteresse, Geld wird immer knapper. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Formel 1 neu zu erfinden. (ar/(automobilreport.com/Hans-U. Wiersch)