Formel 1: Was vom Vierkampf übrig blieb
11.06.2010
Die Formel 1 macht als nächstes in Kanada Station, wo der achte Lauf der aktuellen Formel 1-Saison ausgetragen wird. Damit ist bereits eine gute Wegstrecke zurückgelegt, Zeit also, den Stand der Dinge genauer zu betrachten. Denn nach sieben Rennen haben sich die Zufälligkeiten zumindest reduziert, ganz verschwunden sind sie nicht.
Vor Beginn der Saison ist viel über eine Vierkampf um die Titel in der Formel 1 gesprochen worden. Die üblichen Verdächtigen: McLaren, Ferrari, Mercedes und Red Bull. Der Rest gehörte zur Kategorie „ferner liefen“. Das hat sich mittlerweile ausdifferenziert. Red Bull hat quasi ein Abo auf die Pole Position geschlossen, kann die Qualifying-Überlegenheit aber noch nicht in entsprechenden Vorsprung in den Wertungen übertragen.
Die gefühlte Überlegenheit von Red Bull Racing macht sich also in den Tabellen noch nicht bemerkbar. Mark Webber liegt zwar vorn, doch nur denkbar knapp vor den McLaren-Fahrern Jenson Button und Lewis Hamilton. Sebastian Vettel ist nach zwei Null-Nummern derzeit sogar nur fünfter, das Team in der Rennstall-Wertung ist nur zweiter, ganz knapp hinter McLaren.
Wichtiger aber ist, dass die Nummer drei, Ferrari, schon ordentlichen Rückstand aufweist und Mercedes regelrecht abgeschlagen ist. Nico Rosberg und vor allem Rückkehrer Michael Schumacher haben bislang noch nicht sonderlich viele WM-Punkte auf ihr Konto geschaufelt. Bei Ferrari ist die Leistung ebenfalls unbefriedigend.
Vom Vierkampf ist vor dem achten Rennen allenfalls ein Dreikampf, vielleicht gar nur noch ein Zweikampf übriggeblieben. Doch das ist schon noch eine gute Nachricht, für alle Anhänger spannender Rennen, denn Red Bull hätte durchaus auch so dominant sein können, dass der Zweikampf zu einem teaminternen Fahrerwettkampf geworden wäre.
Red Bull: Zuversicht nach dem Tiefschlag
Nach dem Kollaps des Red Bull Teams beim Großen Preis der Türkei ist man bei bisherigen Qualifying-Dominator um Beruhigung bemüht. Eine Aussprache hat es gegeben, die beiden Fahrer geben sich gelassen, die Teamleitung hat Fehler eingestanden, der Vertrag von Mark Webber ist verlängert worden – und jetzt hofft man bei Red Bull, dass das Projekt Titel noch am Leben ist.
Ein teaminterner Crash ist eine Steilvorlage für die Konkurrenz und tatsächlich hat ja McLaren in der Rennstallwertung Red Bull hinter sich gelassen. Doch gibt es noch andere Hürden zu überwinden. Auch in den Rennen vor dem in der Türkei ist Red Bull sehr schnell unterwegs gewesen, hat aber im Rennen das nicht vollständig ausschöpfen können.
Das Drama um den Crash von Vettel und Webber hat das etwas überdeckt. Noch ist nicht klar, ob der Bolide von Sebastian Vettel, der sich bisher anfälliger gezeigt hat, als der von Webber, nur solide funktioniert, wie es sein sollte. Die Forderung von Webber, man müsse auch bei den Sonntagen endlich absahnen, zielt genau auf diese Schwierigkeiten. Gerade Shanghai und Melbourne hat Webber genannt.
McLaren: Favoriten sind die anderen
McLaren ist nach dem Doppelsieg in der Türkei in einer feinen Situation. Button und Hamilton hängen Mark Webber dicht an den Hacken, während das Team in der Rennstall-Wertung sogar führt. Hauchdünn zwar nur, aber angesichts der optischen Überlegenheit von Red Bull ist das psychologisch eine ausgezeichnete Lage.
Vor dem Formel 1-Rennen in Kanada hat McLaren Fahrer Jenson Button die Last des Favoriten gleich wieder an Red Bull zurückgereicht, während der zweite im Bunde, Lewis Hamilton, eine Drohkulisse aufbaut: Zwar habe Red Bull das schnelleste Auto, doch das wäre bald Geschichte. Das beste Auto habe Red Bull ohnehin nicht.
Die Töne aus dem McLaren-Rennstall dienen dazu, den Druck auf das fragile Red Bull Team zu erhöhen, um dort weitere Fehler zu provozieren. McLaren wäre dann der Profiteur der Situation. Immerhin stimmt es soweit, dass McLaren auf den geraden Strecken durchaus jetzt schon in der Lage ist, Druck auf Red Bull auszuüben.
Ferrari: Hoffen auf den Sprung nach vorn
Im Debakel-Getöse um Red Bull ist fast ein bisschen untergegangen, dass das Rennen in Istanbul auch für den Traditionsrennstall von Ferrari alles andere als glücklich verlaufen ist. Zehn kümmerliche Punkte, vier für Alonso, sechs für Massa, sind herausgesprungen, zu wenig für die Ambitionen von Ferrari in der Formel 1.
Teamintern sind die Weichen schon einmal Richtung Zukunft gestellt worden, denn der Vertrag mit Felipe Massa ist verlängert worden. Das ist sicherlich ein guter Weg, um das Umfeld so ruhig und stabil wie möglich zu halten. Doch das allein reicht nicht, für Kanada hofft man sich im Hause Ferrari einen Sprung nach vorn.
Das Auto soll in Kanada konkurrenzfähiger unterwegs sein, lautet die Ansage von Ferrari. Neue Teile, das bessere Paket – das soll der Pfad sein, auf dem Alonso und Massa zum normalen Leistungsniveau zurückkehren sollen. Und davon sieht man sich derzeit ein gutes Stück entfernt.
Mercedes: Raus aus dem Loch
Von den vier vor der Formel 1-Saison gesetzten Top-Favoriten ist Mercedes am schlechtesten aus den Startlöchern gekommen. Rand vier mit großem Abstand besetzt man derzeit, aber auch nur, weil Renault mit dem Neuling Vitaly Petrov keinen gleichwertigen Fahrer zu Robert Kubica besitzt, denn der hat schon ordentlich Punkte kassiert.
Mehr als Nico Rosberg und auch mehr als Michael Schumacher. Für Mercedes ist das ein durchaus depremierendes Zwischenfazit, aber es gibt immerhin einen Silberstreif. Das letzte Rennen ist immerhin das beste der Saison gewesen, beide Fahrer haben ordentlich gepunktet. Diesen Aufwärtstrend will man fortsetzen, nachdem der eigentlich ganz gute Start von Rosberg zwischenzeitlich abgeknickt ist.
Trotz allem ist Ross Brawn, der Team-Chef von Mercedes, unverkennbar optimistisch. Red Bull sei in Reichweite, ließ Brawn verlauten, was angesichts der hauseigenen Ergebnisse doch arg positiv klingt. Der Optimismus basiert aber darauf, dass man den Vorsprung des Red Bull-Teams durch Neuerung an den Boliden abfangen werde.
Renault: Kubica blickt nach vorn
Bei Robert Kubica, dem polnischen Rennfahrer im Dienste des französischen Renault-Rennstalls, läuft es ganz gut in der laufenden Formel 1-Saison. Jedenfalls ist der Pole mit seinem Boliden flott unterwegs und mischt vorn unter den vorausgesagten Favoriten als Überraschungsgast mit.
Die bisherigen Ergebnisse haben die Situation im Rennstall verbessert, aber auch externe Dinge haben dazu beigetragen. Webber und Massa haben ihre Verträge für 2012 verlängert, Kubica könnte so bei Wechselambitionen nicht mehr zu den begehrten Rennställen wechseln. Also bleibt es beim Engagement für Renault, jedenfalls nach derzeitigem Stand der Dinge.
Und Renault ist trotz viele Abgesänge nach dem Fast-Rückzug des Autobauers immer noch sehr lebendig. Weiter vorn liegt das Team allerdings nicht, der zweite Fahrer, Vitaly Petrov, hat erst einmal Punkte sammeln können. Man liege aber vor Ferrari, meint Kubica, der damit durchaus ambitionierte Ziele verfolgt. Und in Kanada hat Kubica bislang seinen einzigen Sieg erringen können.