Formel 1: Zickenkrieg bei Red Bull
12.07.2010
Es kommt selten vor, dass man sich in einem Rennstall nicht recht über einen Sieg zu freuen weiß. Etwa, wenn der andere Fahrer einen schweren Unfall hatte. Oder aber wenn es zwischen den Fahrern oder der Teamleitung und einem Fahrer zu Unstimmigkeiten kommt. So geschehen am Sonntag in Silverstone, wo der Große Preis von England in der Formel 1 ausgetragen worden ist.
Den hat Mark Webber von Red Bull Racing gewonnen. Der Australier ist von der zweiten Startposition aus ins Rennen gegangen, hinter seinem Teamkollegen Sebastian Vettel, der die Pole Position innehatte. Doch statt eines Zweifachsieges ist nur Webber als Erster angekommen, Vettel wurde nur Siebter.
Verantwortlich dafür sind… hier fangen die Probleme an, denn um das aufzurollen, bedürfte es eines halben Romans. Kürzer hingegen ist das, was Red Bull Racing und dem bullenzornigen Duo Webber und Vettel blüht. Das kann man schön an der Formel 1-Saison 2007 sehen, als Fernando Alonso und der Shooting-Star Lewis Hamilton bei McLaren-Mercedes aneinandergerieten. Ende der Geschichte: Ferrari wurde Weltmeister.
Das blüht Red Bull auch. Denn ein Blick auf den WM-Stand zeigt nur zu deutlich, dass man bei Red Bull bislang vor allem McLaren in die Hände spielt. Hamilton und Button führen weiterhin, McLaren liegt insgesamt auch deutlich bei der Konstrukteurswertung vorn. Das Gegeneinander von Webber und Vettel nützt nur Dritten.
Red Bull: Webbers zorniger Sieg
Noch einige solcher Siege und Red Bull hat verloren. So könnte man vielleicht zusammenfassen, was sich in Silverstone abgespielt hat. Denn obwohl Mark Webber für den Rennstall erneut einen Sieg eingefahren hat, gab es lange Gesichter. Der zweite Fahrer, Sebastian Vettel ist deutlich abgeschlagen ins Ziel gekommen. Sechs Punkte hat er errungen, über die sich niemand freut.
Nach dem Rennen gab es von Webber noch ein Kännchen Öl ist ohnehin schon lodernde Feuer, als er einen gepfefferten Kommentar via Boxenfunk verschickte. Nicht genug damit: Webber legte öffentlich nach. Doch haben sich Teamchef Christian Horner und Sebastian Vettel vor allem versucht, die Wogen möglichst glatt zu halten.
Das hat zunächst einmal geklappt, doch sind sich die meisten Experten im Umfeld der Formel 1 einig, dass sich der Zickenkrieg bei Red Bull hinziehen wird – es sei denn, es gibt ein Machtwort. Gut möglich, dass Red Bull anderfalls mit seinen überlegenen Autos in dieser Saison baden geht.
McLaren: Stallkrieg, Episode zwei?
Es entbehrt keineswegs einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Mark Webber dem Team von McLaren eine Stallkrieg andichten wollte. Im Nachhinein wirken seine Worte aber eher für das eigene Team prophetisch und es braucht keinen oberhäuser Tintenfisch, um vorherzusagen, dass McLaren gegenwärtig der Gewinner im Red Bull-Zickenkrieg ist.
In Silverstone ist Lewis Hamilton als Zweiter hinter Mark Webber ins Ziel gekommen und hat so eine ordentliche Punkteausbeute erzielt. Teamkollege Jenson Button ist Vierter geworden, hinter Nico Rosberg von Mercedes GP. Damit haben die beiden britischen Rennfahrer die Führung in der Wertung behalten, Hamilton rangiert mit 145 Punkten vor Button mit 133. Webber folgt mit 128 und Vettel mit 121 Zählern.
Bei McLaren dürfte auch so schnell nicht mit einem Stallkrieg zu rechnen sein, denn noch ist McLaren den Red Bull Boliden nicht gewachsen. Statt sich selbst zu bekriegen werden die Piloten ihr Spielchen weiter spielen: Fair gegeneinander fahren und hoffen, dass bei Vettel und Webber die Fetzen fliegen.
Mercedes: Hui und Pfui
Nico Rosberg ist am Sonntag in Silverstone Dritter geworden und hat 15 Punkte eingefahren. Michael Schumacher hat sich dagegen nach zwei Nullnummern mit zwei Punkten begnügen müssen. Mehr muss man zum Rennen in England eigentlich gar nicht sagen: Nach der Hälfte der Saison ist Mercedes von der Leistungsfähigkeit seiner Autos an die Spitze herangerückt, Schumacher aber wirkt eher entrückt.
Rosber ist mit 90 Punkten sogar noch nicth allzu weit vom Spitzenquartett entfernt, Schumacher hingegen liegt mit 36 Punkten aussichtslos zurück. Die Frage ist und sie wird immer häufiger gestellt: Macht Schumacher weiter? 2010 hat er mit der WM nichts mehr zu tun, da ist man sich in Expertenkreisen mittlerweile recht einig.
Doch immerhin könnte Schumacher – wie auch Rosberg – auf das nächste Jahr setzen und 2010 vielleicht noch um Siege vorn mitfahren. Doch davon scheint Schumacher zumindest derzeit ein gutes Stück entfernt zu sein. Die Bekenntnisse aus der Rennstallleitung, man habe Vertrauen zu Schumacher, klingen schon ein bisschen verdächtig nach dem, was in der Fußball-Bundesliga vor Trainierentlassungen zu hören ist.
Ferrari: Saison geht baden
In Silverstone hat Ferrari nur einen Bruchteil von dem einfahren können, was nach landläufiger Meinung möglich gewesen wäre. Denn Fernando Alonso und Felipe Massa waren recht gut unterwegs, am Ende standen jedoch nur die Ränge 14 und 15 – damit eine Doppel-Nullnummer für den ambitionierten Rennstall.
Bei beiden Fahrern hat es Reifenschäden gegeben, Massa und Alonso haben sich beim Start zudem noch mit einer Kollision gegenseitig das Leben schwer gemacht. Im weiteren Rennverlauf hatte Massa sich mit einem Dreher um Chancen gebracht, während Fernando Alonso per Durchfahrstrafe nach hinten versetzte.
Wieder ist Ferrari also ohne Punkte geblieben, der Rennstall hat magere vier Zähler aus den beiden jüngsten Rennen mitgenommen. Bei McLaren waren es 63, bei Red Bull immerhin noch 56! Gegenüber den beiden führenden Teams hat Ferrari dramatisch an Boden verloren, wegen Michael Schumachers Schwäche ist Mercedes GP aber noch auf Distanz. Noch!
Renault: Ohne Punkte
Der Überraschungsrennstall von Renault ist auf der Insel ohne Glück und WM-Punkte geblieben. Während Robert Kubica durch einen technischen Defekt aus dem Rennen geworden wurde, beendete ein Reifenschaden alle Ambitionen von Vitaly Petrov. Das hat den zwischenzeitlich doch hochfliegenden Plänen erst einmal ein Ende gesetzt.
In der Meisterschaft ist wegen der mageren Punktausbeute von Petrov ohnehin nicht damit zurechnen, dass Renault das schwächste Mitglied des Spitzenquartetts einholt, auch wenn dort Michael Schumacher derzeit nur wenige Punkte sammelt. Und bei den Fahrern fehlt Kubica auch schon einiges an Punkten, um vorn mitzuhalten. Rang sieben besetzt er jetzt, das ist gut, aber für die zwischenzeitlich gehegten Hoffnungen wenig.
Williams: Doppelpunkte im Heimrennen
Der Rennstall von Williams, der zuletzt mit Spekulationen um den Einstieg des Volkswagen-Konzerns bedacht worden ist, hat beim Rennen in England einen guten Eindruck hinterlassen. Beide Fahrer, Rubens Barrichello und Nico Hülkenberg, haben punkten können und nach langer Durststrecke zum zweiten Mal hintereinander ein gutes Rennen gezeigt.
Williams hat nun 31 Punkte, wovon 23 in zwei Rennen errungen wurden. Damit schielt der Rennstall nur wieder nach oben, wo Force India mit 47 Punkten auf Platz sechs liegt. Schon deutlich weiter darüber rangiert derzeit Renault mit 89 Punkten. Williams hat also noch einiges vor sich, wenn man die fünfte Kraft in der verbleibenden Saison werden will.
Force India: Sutil punktet, Liuzzi nur fast
Bei Force India läuft eine gute Saison. Nur ein Rennen ist man ohne WM-Punkte bislang geblieben, insgesamt haben sich nach gut der Hälfte der laufenden Formel 1-Saison 47 Zähler angesammelt. Die allerdings verteilen sich recht ungleichmäßig bei den Fahrern: Adrian Sutil hat einen Lauf und 35 Punkte, Vitantonio Liuzzi kommt nur auf zwölf.
Teamintern ist damit die Position wohl klar verteilt, denn Sutil rangiert doch deutlich vor Liuzzi, wenngleich die beiden in der Wertung nur drei Plätze trennen. Nach oben hat Sutil nur einen Punkt Rückstand auf Michael Schumacher, dahinter allerdings sind es schon 32 auf den nächstplatzierten Felipe Massa.
Zufrieden kann man trotzdem im Hause Force India sein, wenngleich damit zu rechnen ist, dass sich der Rennstall vielleicht einen stärkeren Fahrer als Liuzzi sucht, um weiter nach vorn zu kommen. Dazu braucht es zwei fleißige Punktesammler, wie man auch beim Konkurrenten Renault sieht.