Formel 1: Alonso siegt, Vettel punktet
27.09.2010
Der Augenblicks-König in der Formel 1 heißt Fernando Alonso. Drei Siege in fünf Rennen, dazu noch einen zweiten Platz. Die Punkteausbeute des Spaniers in Ferraris Diensten ist beträchtlich und hat ihn weit nach oben gespült in der Fahrerwertung. Weit, aber noch nicht ganz nach oben.
Dort residiert noch immer Mark Webber. Der hat am Wochenende die Marke von 200 Punkten geknackt und seine Pole-Position im Kampf um die WM-Krone verteidigt. Doch langsam wird es eng dort oben, Alonso ist ihm auf elf Punkte auf die Pelle gerückt. Dahinter befindet sich Lewis Hamilton, nach drei Ausfällen in vier Rennen.
Einen Punkte hinter Hamilton lauert Sebastian Vettel mit 181 Zählern , vier Punkte dahinter Jenson Button. Vor dem Rennen war die Situation letztlich genau die gleiche: Fünf Fahrer können Weltmeister werden. Webber hat weiter die besten Chancen, Alonsos Chancen sind am stärksten gestiegen, Hamiltons am deutlichsten gefallen.
Was, wenn das am Saisonfinale auch so sein würde? Hochspannung bis zum Schluss! Auch wenn das Rennen in Singapur schon im Qualifying entschieden wurde, will das nichts besagen. Ginge es nämlich nach den Pole-Positons, stünde der Weltmeister längst fest. So ist alles offen und für Formel 1-Fans ein Glücksfall.
Alonsos harte Verteidigung
Fernando Alonso ist ein guter Formel 1-Fahrer. Der Spanier weiß das und hat vor dem Rennen schon einmal damit begonnen, die Werbetrommel in eigener Sache zu rühren und gleichzeitig dem Wettbewerb eine leichte Nervenprobe aufzulegen. Er sieht Ferrari, und das heißt konkret sich selbst, als Favorit im Schlusspurt um die Krone.
Gewöhnlich läuft es ja umgekehrt. Um den Druck zu nehmen, wird die Favoritenrolle wie der berüchtigte Schwarze Peter gern weitergereicht. Alonso ficht das nicht an. Starke Nerven gehören zu seiner Fahrer-Grundausstattung, wie sich im Singapur-Rennen auch gezeigt hat. Trotz der Dauerbelagerung durch Sebastian Vettel hat Alonso sein Rennen gewonnen.
Das Rennen hat bestätigt, dass es Ferrari gelungen ist, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen, um Red Bull zu jagen. Genau das kommt jetzt im Endspurt der Meisterschaft zum Tragen und wird den ohnehin hohen Druck auf Red Bull noch erhöhen. Ob es am Ende reicht, ist ungewiss – Serien reißen bekanntlich irgendwann.
Apropos Serien: Felipe Massa ist im Rennen nicht sonderlich gut über die Runden gekommen, was den Brasilianer durchaus wurmte. Eine Folge davon ist, dass Red Bull erstmals seit einigen Rennen wieder mehr WM-Punkte in der Konstrukteurswertung sammeln konnte, als Ferrari.
Red Bull macht Boden gut
Auch wenn Fernando Alonso das Rennen in Singapur für sich entscheiden konnte und Sebastian Vettel im Qualifying nicht die möglicherweise siegentscheidende Pole-Position erreichte, hat Red Bull doch Boden gutmachen können. Mark Webber ist immer noch Führender in der Fahrerwertung.
Der Australier hat wichtige Punkte sammeln können, wichtig für ihn und für das Team, das schließlich auch in der Konstrukteurswertung aussichtsreich vorn liegt. Ferrari auf Distanz halten und McLaren auch, das ist ein wichtiges strategisches Element im finalen Kampf um die Krone der Rennställe.
Intern steht die Entscheidung weiter aus, ob Webber zur Nummer eins gekürt werden soll. In den beiden zurückliegenden Rennen hat Vettel fünf Punkte auf Webber gutmachen können, der Abstand beträgt jetzt 20 Punkte. Um Chancen zu haben, müsste Vettel wie zuletzt Alonso alsbald erheblich stärker punkten.
Webber zu bevorzugen, könnte aber schon kurzfristig eine Option sein, denn bei vier ausstehenden Rennen könnte bereits eine knifflige Rennsituation zu einer Stallorder führen. Oder aber Red Bull bleibt bei der Linie, darauf ganz zu verzichten. Chancen haben schließlich beide noch – Webber und Vettel.
McLaren: Hamilton und die Nerven
Triple-Null aus vier Rennen: das ist derzeit das Eigentliche für Lewis Hamilton. Mit drei Nullrunden hat sich der smarte Brite um beste Chancen bei der Vergabe der WM-Krone in der Formel 1 gebracht. Erst lagt der Ex-Weltmeister bereits ein gutes Stück vor den Konkurrenten, jetzt ist er eingefangen und durchgereicht worden.
Ausgerechnet Fernando Alonso ist jetzt der Top-Verfolger von Spitzenreiter Mark Webber und hat Hamilton als Verfolger abgelöst. Hamilton hat sich in Singapur durch eine Kollision mit Webber selbst aus dem Rennen gekegelt, nach vorn klafft jetzt bei Hamilton schon eine Lücke wie bei Vettel.
Button hingegen hat wieder wichtige Punkte sammeln können und ist als Vierter aus dem Rennen gegangen. Damit bleiben seine Chancen auf den Titel durchaus gewahrt, wenngleich er derzeit mit den schlechtesten Karten spielt: 177 Punkte und damit 25 Zähler Rückstand verzeichnet die Tabelle derzeit.
Bei der Bewertung der Situation haben sich viele Experten auf mangelnde Nervenkraft gestützt. Doch das ist möglicherweise eine zu einfache, zu kurz greifende Erklärungsweise. Fest steht allerdings, dass Button derzeit cooler wirkt als sein Fahrpartner, der beste Chancen einstweilen vergeben hat.
Mercedes: Rosberg hui, Schumacher …
Nach dem Rennen in Singapur steht es im teaminternen Duell zwischen Nico Rosberg und Michael Schumacher 122 zu 46. Rosberg hat sich gegenüber dem älteren und wesentlich erfolgreicheren Fahrer nach dessen Rückkehr aus dem Ruhestand so klar durchgesetzt, wie es vor der Saison wohl niemand geglaubt hätte.
Beide Fahrer haben mit dem gleichen Auto zu kämpfen, Rosberg kommt damit offensichtlich wesentlich besser zurecht, als der Rückkehrer Schumacher. Der ist in Singapur leer ausgegangen, hat sich zudem mit Nick Heidfeld, dem zweiten deutschen Rückkehrer, ein Duell geliefert, dass die Fetzen flogen.
Keine Punkte, statt dessen eine weitere Diskussion um die Frage nach der Schuld bei der Kollision mit Heidfeld. Und die noch viel drängendere Frage, wie es eigentlich sein kann, dass Schumacher so wenig erreicht. Anfangs der Saison wurde es auf die Eingewöhnung geschoben, dann aufs Auto, das nicht nur nicht mithalten kann.
Auch Schumachers Spezifitäten würden durch den Boliden nicht abgedeckt, hieß es immer wieder. Jetzt, Monate später, ist die Lage immer noch die gleiche. Gut möglich, dass es jetzt auch daran liegt, dass Mercedes mit den Gedanken schon bei 2011 ist. Gut möglich aber auch, dass die Zeit von Michael Schumacher einfach abgelaufen ist.