Formel 1: Immer der Nase nach
16.03.2012
Es geht wieder los: Die Formel 1-Saison startet mit dem Grand Prix von Australien. Wie üblich lässt sich der Auftakt locker an: Das Freitagstraining ist zwar von den Zeiten her dem Rennen näher als dem Kaffeesatz, allerdings nicht richtig aussagekräftig. Und so wird also weiter gerätselt, wer denn wohl ganz vorn stehen wird.
Ganz vorn ist da, wo die Nase ist. Und die stand im langen Zeitraum des geräuschvollen Spekulierens um Siegaussichten als greifbarer Diskussionsgegenstand im Fokus des Interesses: Wer sich ein Bild machen möchte, suche im Internet nach einer Zusammenstellung der Nasenform auf einen Blick.
Hat man die Nasen der Boliden so im direkten Vergleich, so fällt auf, dass es keine einheitliche Richtung gibt. Im Detail, von dem nicht nur der darin steckende Teufel die Bedeutung kennt, gibt es erhebliche Unterschiede. Allein der markante Knick vieler (nicht aller!) Autos ist durchaus variabel gestaltet.
Die Nasen und die uferlose Diskussion darum haben als Beschäftigungstherapie herhalten müssen, um die zeitenlose Zeit bis zum Saisonstart zu überbrücken. Abseits der Stoppuhr gab es schon ein paar Dinge, mit denen man sich hätte beschäftigen können: Sechs Weltmeister starten, Vettels Bolide hat in den Tests gezickt, die Zahl der Rennen ist offen.
Sportlich interessant ist sicherlich, dass es in den Testläufen durchaus Hoffnung für Vettels Kontrahenten gegeben hat. Lief der Red Bull im vergangenen Jahr schon bei den Wintertests solide und bescherte dem Weltmeister eine fast beschwerdefreie Saison, so gab es diesmal schon einige Aussetzer. Ein Hoffnungsschimmer?
Red Bull: Zicke oder doch Abbey?
Der amtierende Weltmeister Sebastian Vettel steht vor Formel 1-Saison Nummer fünf. Zumindest vier ist er vollständig gefahren. Dieses Quartett hat immer wieder beträchtliche Steigerungen gebracht, am Ende die überlegen herausgefahrene Weltmeisterschaft 2011. Und nun? Titel Nummer drei und Aufschließen zu Michael Schumacher und Juan Mario Fango?
So weit ist es noch lange nicht. Erst am Samstag im Qualifying wird man einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit erhalten, die Vettel und sein Auto in die Saison mitbringen. Das Rennen am Sonntag gibt dann sicherlich einen weiteren Hinweis, doch so richtig dürfte die Einschätzung erst nach drei, vier Rennen sein.
Am Freitag im Freien Training hat sich Vettel zurückgehalten. Rang elf und zehn deuten auf Understatement hin, sicherlich ging es nicht darum, die Spitze der Zeitentabelle zu ergattern. Das übernahmen andere, die McLarens und dann Michael Schumacher im Mercedes. Vettel blieb dabei hinter Heikki Kovalainen im Caterham – das relativiert alles.
Die große Frage ist, ob der Red Bull nach den Umbauten eine ähnliche Stärke bei gleicher Zuverlässigkeit erreichen kann. Vettel und Webber sind am Freitag recht viele Runden gefahren, allerdings haderten sie nach dem Auftritt mit dem Wetter, das mehr Fahrzeit mit Lerneffekt unterbunden hat.
McLaren: Erstes Auftrumpfen
Wie ernst ist die doppelte Bestzeit aus dem ersten Freien Training zu nehmen? Jenson Button hatte die Ehre, die erste Tagesbestzeit eines Freitagstrainings in der Formel 1-Saison 2012 zu fahren, doch schon die Platzierung am Nachmittag und die wenigen Runden im Auto relativierten alles. Auch bei McLaren herrschte Verärgerung über das Wetter.
Weniger die Zeit, denn diverse Anzeichen für Verbesserungen sorgen dennoch bei optimistischer Laune bei Lewis Hamilton und Jenson Button. Beide Fahrer wären zwar lieber mehr gefahren, da der Wetterbericht für Qualifying und Rennen eher Trockenheit denn Regen verheißt, blieb man geduldig.
Unbeeindruckt ist man ohnehin vom Abschneiden der Red Bull-Boliden. Angesichts unterschiedlicher Benzinmengen könne man nicht wirklich einen Vergleich ziehen – bleibt die Hoffnung, dass es am Samstag ähnlich aussehen könnte wie am Freitag. Denn dann würde McLaren wirklich konkurrenzfähig mit dem Doppelweltmeister.
Mercedes: Schumacher saust ins Rampenlicht
Es ist erheblich ruhiger um Michael Schumacher geworden. Zwei Formel 1-Jahre hat der zwischenzeitliche Rentner an seine legendäre Karriere schon angehängt, mit äußerst mäßigem Erfolg. Am Freitag beim zweiten Freien Training, konnte Schumacher allerdings auftrumpfen und ganz vorn in der Zeittabelle landen.
Ein Marketing-Gag? Sicherlich ist das ein Aufmerker, dessen Reichweite sich am Samstag erweisen wird. Beide Mercedes-Piloten haben nach dem Trainingstag von einem guten Gefühl im Auto berichtet, beide sehen die guten Eindrücke aus den Testfahrten bestätigt. Wäre das so, dann hätte Mercedes endlich das ersehnte Auto, um vorn mitzufahren.
Das ist kurz- und mittelfristig von entscheidender Bedeutung. Man muss im dritten Jahr nicht Weltmeister werden, allerdings darf man nicht mehr hinterherfahren. Podiums-Plätze und Siegaussichten (vielleicht Siege) stehen auf dem Programm. Auch, um Schumacher Lust auf Comeback-Saison Nummer vier zu machen.
Ferrari: Die Nase ist das kleinste Problem
War es ein klassisches Ablenkungsmanöver? Viel ist in der Zeit vor dem Saisonstart über Nasen die Rede gewesen, vor allem bei Ferrari: Deren Boliden werden rote Göttinnen genannt – eigentlich geht die Schippchen-Nase da nicht. Doch das dürfte jenseits des Mediengeschreibsels das kleinste Problem sein.
Denn Ferrari steht unter Verdacht. Die Leistung des Autos soll nicht das bringen, was man sich erhofft. Von Konkurrenzfähigkeit ist Ferrari nach mehreren erfolglosen und zumindest in der letzten auch demütigenden Saisons immens abhängig. Die Wintertests haben allerdings nicht bestätigen können, ob die Mühen sich gelohnt haben.
Und so ist Ferrari auch nach dem Freitagstraining der Rennstall mit den größten Sorgenfalten. Immerhin: Fernando Alonso konnte von einem reibungslosen Funktionieren des Autos berichten. Was das letztlich auf der Piste für Zeiten bringt, wenn es ernst wird, zeigt sich allerdings erst, wenn es ernst geworden ist.
Ferner liefen…
Wer auf die Ergebnislisten blickt, sieht HRT ganz unten. Unterhalb der Grenze von 107-Prozent der Zeit. Damit wären die beiden Fahrer Pedro de la Rosa und Narain Karthikeyan nicht startberechtigt. Der Inder konnte immerhin 16 Runden drehen, de la Rosa musste aus technischen Gründen passen.
Bei Marussia gab es dennoch zu feiern. Denn Timo Glock ist mit seinem Boliden tatsächlich im Mittelfeld gelandet, Kollege Charles Pic aber am Ende des Feldes als 22. gewertet worden. Für das immer noch neue Team dennoch ein Erfolg. Noch besser hat sich Caterham geschlagen, das auf Rang acht kam.
Den Platz ergatterte Heikki Kovalainen, womit er seinem Landsmann Kimi Räikkönen im Lotus die Show stehlen konnte. Kollege Vitaly Petrov, der noch kurzfristig in das Team hineinrotierte, kam auf Rang 13. Bei Caterham war man entsprechend zufrieden nach den Testläufen am Freitag.
Aufmerksamkeit erregte auch Force India. Nico Hülkenberg konnte im zweiten Freien Training am Freitag den zweiten Rang hinter Michael Schumacher belegen, Paul di Resta wurde Sechster. Doch hält man im Team die Bälle flach: Die Ergebnisse seien aber nicht representativ, das Fahrgefühl mit dem neuen Auto hingegen sei gut.