Formel 1: Rennen im Schrotschuss-Roulett
25.05.2012
Nach dem kommenden Wochenende wird die Formel 1 in der Saison 2012 schon sechs Rennen auf dem Buckel haben und doch nur eines, das als „richtiges“ gilt. Die Auftaktrennen in Fernost werden immer mit dem Vorbehalt kommentiert, erst in Europa könne man Genaueres sagen. Und der Kurs in Monaco, der ist extrem spezifisch.
Bliebe also nur Barcelona. Doch der Auftritt in Spanien hat nicht wirklich den Schleier gelüftet, wer in der Formel 1-Saison 2012 den Ton angibt. Statt der üblichen Verdächtigen stand in Barcelona plötzlich Pastor Maldonado ganz oben. Ein Williams! Also jene Spezies, die zum Hinterhergurken verdammt zu sein schien.
Schon die ersten vier Rennen hatten vier Sieger gekannt. Bei Sebastian Vettel, Jenson Button und Fernando Alonso ist das aber keine wirkliche Überraschung gewesen. Allerdings fiel Nico Rosberg schon nicht mehr in diese Kategorie. Mercedes GP hat auch im dritten Jahr nicht bewiesen, dass Ambitionen auf soliden Sockeln ruhen.
Doch Maldonados Sieg hat sämtliche Prognosen endgültig über den Haufen geworfen. Denn Williams ist definitiv kein Sieger-Team und dennoch steht plötzlich aus dem Nichts ein Sieg in den Büchern. Doch auch für den Überraschungs-Gast im Fahrer-Olymp gilt, dass es nichts über die nachfolgende Saison aussagt, einen Sieg zu erringen.
Wer also Sieger und Weltmeister der Formel 1 erraten will, kann gleich zur Schrotflinte greifen.
Dazu passt auch, dass die beiden ersten Trainingsfahrten zum GP von Monaco nicht nur mit den üblichen Vorbehalten zu genießen sind. Orientierungslosigkeit konstatierten Branchenkenner nach den Läufen, viele offene Fragen statt Erkenntnissen. Und dann noch Monaco, das eh einem Rennen am Rouletttisch ähnelt. Sieger Nummer sechs ad portas.
Red Bull: Ganz knapp ganz oben
In beiden Wertungen liegt das Weltmeister-Team Red Bull ganz vorn. Allerdings mit geringem oder gar keinem Vorsprung. Denn Sebastian Vettel kommt nach fünf Rennen auf 61 Punkte und damit so viele, wie Fernando Alonso von Ferrari hat. 2011 waren es zum gleichen Zeitpunkt 118 Punkte und damit fast doppelt so viele.
In diesem Jahr wird die Titelverteidigung dramatisch schwieriger werden. Setzt sich die Saison auch nur annähernd so fort, wird es am Ende sehr viele potenzielle Titelkandidaten geben und keinen Dominator wie noch 2011. Doch hat Vettel bislang relativ regelmäßig punkten können, auch wenn sein Qualifying wesentlich schlechter ist als 2011.
Dank des üblen Wetters im Training sind nicht einmal die neuen Teile richtig getestet worden, was dem Rennstall wie ein Wackerstein im Magen liegt, denn Red Bull sieht noch erheblichen Rückstand auf die Konkurrenz. Webber hat es auf den Punkt gebracht: Ein Startplatz in Reihe eins wäre derzeit nicht denkbar.
Für Monaco, das bei regulären Bedingungen, eine gute Startposition mit guten Zielplatzierungen vergilt, ist die Qualifying-Schwäche ein wesentlicher Nachteil. Für Red Bull wird es zunächst einmal darum gehen, das Bestmögliche aus der Situation zu machen und den Schaden zu begrenzen, bis das Auto wieder schnell ist.
McLaren: Schnell im Training, …
… aber was heißt das schon? In beiden Trainingsläufen konnten sich die Piloten von McLaren recht weit vorn eintragen. Lewis Hamilton als Vierter im ersten und Jenson Button als Erster im zweiten. Doch was heißt das schon? Immerhin scheinen die McLaren mit einigem Rückenwind ins Qualifying zu gehen.
Sollte das tatsächlich so sein, dürfte Red Bull am Sonntag seine Führungsposition nur schwer verteidigen können. Wenn nicht himmlische Mächte eingreifen und durch widrige Umstände die objektiven Stärken und Schwächen mildern. McLaren nimmt dagegen einen gewaltigen Vorteil gegenüber 2011 mit in die Rennen, auch in Monaco.
Lewis Hamilton hat sich im Gegensatz zum Vorjahr wesentlich gewandelt. Die leicht fahrige, teilweise aggressiv wirkende Fahrweise des ehemaligen Weltmeisters ist einer konzentrierten und selbstgewissen gewichen. Der Winter hat hier offenkundig sehr viel gebracht, was Hamilton den großen Vorteil der Kontanz einbringt.
Neben Fernando Alonso ist Hamilton der einzige Fahrer, der in allen Rennen punkten konnte.
Ferrari: Alonso trägt die Hoffnung…
…. Felipe Massa die Bürde, endlich zeigen zu müssen, dass mit ihm zu rechnen ist. Sollte der Brasilianer nicht in Kürze aus seinem Leistungstief kommen, würde es wohl zu einem richtigen Feuerwerk der Spekulationen um eine Ablösung kommen. Schon jetzt gibt es genügend Anlässe, da derlei Gerüchte umgehen.
Das seltsame Freie Training hat beide Fahrer immerhin recht weit vorn gesehen. Im Rennstall herrschte also Zufriedenheit, denn dort wurde das Auftreten so gewertet, dass beide Piloten vor mit dabei sein können. Sollte sich das im Qualifying bestätigen, wäre das für das Rennen Gold wert.
Allerdings bleibt das Qualifying und das Rennen für Ferrari auch eine Wundertüte. Denn auch bei den Roten Rennern aus Norditalien ist die Datenlage durchaus dünn und damit steht hinter den Aussichten ein dickes Fragezeichen. Was die Ausgangslage anbelangt: „Dank“ Massas Schwäche hat Ferrari bereits 46 Punkte Rückstand auf Red Bull.
Mercedes GP: Kommt Schumacher endlich?
Bei Mercedes GP gibt es wie bei Ferrari eine eindeutige Unwucht der Leistung. Während Nico Rosberg schon einen Saisonsieg einfahren konnte und einige Punkte auf das Konto geschaufelt hat, kurvt Michael Schumacher bislang hinterher – so er sich nicht aus dem Rennen frühzeitig verabschiedet.
Das sorgt für Irritation, denn Schumacher hat sich von seinem selbst gewählten Altenteil-Dasein verabschiedet, um Rennen zu gewinnen und um den Titel zu streiten. In Jahr drei von drei des Comebacks ist er davon weiter denn je entfernt. Damit steht auch immer noch nicht fest, ob die Planstelle Schumacher bei Mercedes bald frei wird.
Für das Monaco-Rennen herrscht allerdings erhebliche Zuversicht. Zum einen freuen sich Schumacher und Rosberg offenkundig auf das Rennen im Fürstentum, zum anderen ist der Donnerstag für Mercedes offenkundig nicht so verloren gewesen, wie für andere Teams. Interessant wird vor allem sein, wie Mercedes im Qualifying abschneidet. Einmal in diesem Jahr gab es dabei einen Paukenschlag.
Lotus: Kommt jetzt der Sieg
Mit 84 WM-Punkten rangiert das Team Lotus als Dritter hinter Red Bull und McLaren überraschend souverän ganz oben. Die Rückhol-Aktion von Kimi Räikkönen hat den Ausfall von Robert Kubica einstweilen vergessen lassen, nicht auszudenken allerdings, was ein fitter Kubica wohl mit dem Iceman gemeisam bewerkstelligt hätte.
Doch auch so kann man zufrieden sein: Nicht nur die Mittelfeldkonkurrenz, sondern auch Mercedes und Ferrari sind auf Distanz. Denn neben Räikkönen kann auch Romain Grosjean nach zwei Nullnumern zum Saisonauftakt ordentlich punkten. Was fehlt ist ein Sieg – doch dürfte auch Lotus an die Reihe kommen.
Vielleicht reicht es ja schon in Monaco für den Platz ganz oben. Das würde Räikkönen dramatisch in der Fahrerwertung verbessern, wo es zwischen Rang drei und sechs nicht einmal zehn Punkte Abstand sind. Kimi Räikkönen hat nur 12 Punkte Rückstand auf den führenden Vettel dank des konstanten Punktesammelns.