Formel 1: Hamilton „Jägermeister“ sieben
11.06.2012
Es ist in der Formel 1 mittlerweile ein bisschen wie beim Lied „Zehn kleine Jägermeister“ von den Toten Hosen – nur umgekehrt: Lewis Hamilton hat sich als siebter „Jägermeister“, also Grand Prix-Sieger, im siebten Formel 1-Rennen der aktuellen Saison. Im Vorbericht zum Großen Preis von Kanada stand Hamilton als potenzieller Sieger ganz hoch im Kurs.
Die Überraschung hält sich somit in Grenzen, denn Hamiltons fahrerische Stärke hatte ohnehin niemand bezweifelt. Doch bedurfte es immerhin einiger taktischer Finessen, um dem Pole-Setter Sebastian Vettel die Führung wieder zu entreißen, die dieser mit einem blitzsauberen Start erfolgreich verteidigt hatte.
Hamilton konnte sich mit seinem leistungsstarken Auto rasch absetzen, Vettel dagegen blieb hinter Alonso hängen. Den Konter in Form einer Einstopp-Strategie konnte Hamilton durch eine rasante Jagd (Jägermeister!) abfangen und seinerseits kontern. In Runde 62 fiel Vettel, zwei Runden später Alonso, Hamilton hatte freie Bahn.
Doch dabei blieb tes nicht bis Runde 70. Denn Romain Grosjean für Lotus und Sergio Perez im Sauber konnten sich in Szene setzen und die Treppchen-Plätze zwei und drei erobern. Beide Fahrer kronen mit ihrer Leistung eine ohnehin starke Saison, vor allem Lotus ist mit Rang drei in der Konstrukteurswertung immer noch aussichtsreich positioniert.
Ganz vorn hat hier Red Bull die Führung verteidigt und relativ wenig Boden auf McLaren und Lotus verloren, denn auch Mark Webber konnte wieder in die Punkte fahren. 31 Punkte Vorsprung müssen so erst einmal eingeholt werden, McLaren war durch Buttons Nullnummer diesmal auch ausgebremst.
In der Fahrerwertung sitzt das Führungsquartett extrem dicht hintereinander. Sieger Hamilton hat sich die Führung geschnappt, doch liegt er mit 88 Zählern nur zwei vor Alonso und drei vor Vettel. Mark Webber rangiert nur neun Punkte hinter Platz eins! Das ist selbst bei einem völlig normalen Rennen locker komplett umzuändern.
Zwei Red Bull-Fahrer im Spitzenvierling unterstreicht die Stärke des Rennstalls, der beste Chancen auf eine Titelverteidigung hat. Im Fahrerbereich sieht es derzeit so aus, als würde es bis zum Ende extrem spannend bleiben können. Nach der vergleichsweisen langweiligen Dominanz 2011 wäre das ein Segen für die Zuschauer.
McLaren: Hamiltons furioser Ritt
Noch hat er in Fernando Alonso einen ebenbürtigen Konkurrenten: Lewis Hamilton und der Spanier sind die einzigen Fahrer im Feld, die in der Formel 1-Sasion 2012 immer punkten konnten. Vettel, Webber und Raikkönen komen auf eine, Rosberg auf zwei Nullnummern – die Position in der Rangliste spiegelt schön die Kontinuität wider.
Der zweite Sieg für McLaren ist durch die taktischen Kniffe zustande gekommen, mit denen man erfolgreich die Strategie der direkten Konkurrenten durchkreuzen konnte. Das hätte naturgemäß auch schiefgehen können, unter dem Strich aber konnte sich McLaren erfolgreich durchsetzen.
Kollege Jenson Button hingegen steckt im Leistungstief. Der vierte Lauf ohne Punkte, diesmal setzte sich im Rennen das Malheur fort, das sich bereits im Training am Freitag angedeutet hatte. Keine Geschwindigkeit, keine Reifenschonung, ein sehr früher Boxenstopp – es lief nichts zusammen im Rennen des Jenson Button.
Für McLaren als Rennstall ergibt sich damit langsam aber sicher ein kleines Problem. Denn in der Fahrerwertung ist man mit Lewis Hamilton sehr konkurrenzfähig, in der Rennstallwertung hingegen nicht so stark. Zwar ist man nicht so schwach wie Ferrari oder Mercedes, doch droht die Teamwertung an Red Bull zu gehen, dass mit beiden Fahrern gut dabei ist.
Lotus: Grosjean schnuppert bei den Großen
Dritter in der Teamwertung mit stolzen elf Punkten Vorsprung auf Ferrari – wer hätte das von Lotus vor der Saison erwartet? Dabei ist mit Robert Kubica der eigentliche Hoffnungsträger gar nicht an Bord und der Neuzugang, Ex-Weltmeister Kimi Räikkönen, keineswegs drückend überlegen.
Im Rennen zum Großen Preis von Kanada hatte der Finne auch Gelegenheit, im Team durch Trauerarbeit aufzufallen, denn sonst gab und gibt es wenig zu beklagen. Romain Grosjean hatte im fernen Kanada den zweiten Platz erobert. Und 18 Punkte eingefahren. Räikkönen kam „nur“ auf vier Zähler, für Ferrari reichte es trotzdem.
Nach sieben Rennen liegen beide Lotus-Piloten mit 53 und 55 Punkten dichtauf, Rang sechs und sieben in der Fahrerwertung sind überraschend gut, denn selbst McLaren-Pilot Jenson Button liegt dahinter – von Felipe Massa und Michael Schumacher ganz zu schweigen. Bei Lotus gibt es (fast) nur Gründe zum Glück.
Sauber: Sergio Perez Höllenritt
Zu den spektakulären Ereignissen des jüngsten Formel 1-Rennens in Kanada gehört die gewaltige Aufholjagd von Sergio Perez, der seinen Sauber-Boliden von Rang 15 auf den dritten Platz kämpfen konnte. Der sensationelle Höllenritt ist mit einer aggressiven Ein-Stopp-Strategie errungen worden.
Perez hat dabei nach seinem Stopp in Runde 41 auf den superweichen Pneus eine wahre Überholorgie gestartet, der sich kaum jemand widersetzen konnte. Da auch Kamui Kobayashi zwei WM-Punkte erringen konnte, ist Sauber einen Platz in der Teamwertung nach vorn gerutscht und hat Williams hinter sich gelassen.
Ferrari: Alonso rauscht am Sieg vorbei
Hat Fernando Alonso in seinem Ferrari-Boliden den Sieg im Großen Preis von Kanada verschenkt? Den Eindruck konnte man gewinnen, wenn man sich die Ergebnisse anschaut, denn der Spanier führte zwischenzeitlich, musste sich aber unter dem Strich mit Rang fünf begnügen. Ein Stopp hat Alonso eingelegt – einer zu wenig vielleicht.
Denn sowohl Lewis Hamilton als auch Sebastian Vettel konnten an Alonso noch vorbeiziehen – aber auch Sergio Perez mit seiner Strategie eines Boxenstopps. Am Ende des Rennens hatte Alonso nur noch feuchtes Pulver – die Reifen waren einfach hin. Die Schlussrunden glichen einer Schadensbegrenzung.
Nach dem Rennen musste sich der Rennstall durchaus kritische Töne anhören – mit Blick auf Sebastian Vettel, der spät einen Strategiewechsel durchführte und sich mit mehr Punkten über die Ziellinie retten konnte. Man sei nach dem Rennen immer klüger, lautete die Replik auf derlei Vorwürfe.
Red Bull: Wo sind die Flügel?
Die Schnelligkeit, die im vergangenen Jahr zumindest Sebastian Vettel noch zum Weltmeistertitel und zahllosen Rekorden getragen hat, ist dahin. Vettel liegt zwar immer noch ausgesprochen aussichtsreich in der Fahrerwertung, das Team führt die Rennstallwertung, aber von Dominanz kann niemand mehr sprechen.
Schnell waren die Red Bull-Boliden schon – im Qualifying gab es eine Pole für Vettel, der Start klappte und auch die Anfangsphase war vielversprechend. Am Ende konnte sich der Weltmeister einem völligen Einbruch, wie ihn Alonso erlitten hatte, nur durch einen scharfen Strategie-Schnitt entziehen.
Trotzdem ist klar erkennbar, dass es Red Bull noch nicht gelungen ist, das neue Auto in Sphären zu katapultiern, in denen es den anderen voranfahren kann. Konkurrenzfähig ja, überlegen nein. Es wird immens schwierig für Vettel, seinen Titel gleich ein zweites Mal zu verteidigen.