Formel 1: Auf der grünen Insel
06.07.2012
Er ist der letzte Fahrer in der laufenden Formel 1-Saison, der noch ohne Nullnummer geblieben ist: Fernando Alonso. Führender nach dem achten von 20 Rennen in der Fahrerwertung. Alle anderen Motorsport-Heroen haben schon einmal gepatzt – mindestens. Und das dürfte der Grund dafür sein, warum der Spanier in Diensten des italienischen Rennstalls derzeit ganz vorn liegt, obwohl Experten davon ausgehen, dass Ferrari nicht mit dem schnellsten Auto unterwegs ist.
Doch ist es kein Geheimnis, dass die Kombination aus schnell und zuverlässig die größten Erfolgsaussichten birgt. Davon kann Sebastian Vettel gleich mehrere Lieder singen: In der vergangenen Formel 1-Saison war er mit diesem Paket unterwegs und dominierte die Formel 1 die ganze Saison, weil sein fahrerisches Können kein bisschen limitiert wurde. In der Saison davor fehlte die Zuverlässigkeit, es wurde ein Wimpernschlag-Sieg im allerletzten Rennen.
Und die Formel 1-Saison 2012? Die scheint eine Wiederholung der von 2010 zu bringen. Vettel ist mit einem schnellen Auto unterwegs, doch fehlt die gnadenlose Überlegenheit ebenso wie die Zuverlässigkeit. In aussichtsreicher Position liegend wurde Vettel aus dem Rennen gekegelt, statt seiner konnte Alonso seinen zweiten Sieg einfahren und sich an die Spitze setzen. Nicht nur Vettel, auch die beiden McLaren-Piloten Hamilton und Button konnten wenige Punkte einstreichen.
Da der zweite Red Bull Pilot Mark Webber immerhin mit einer klaren Leistungssteigerung aufwarten konnte, bleibt Red Bull in der Teamwertung weiter ganz vorn. McLaren hat weiter an Boden verloren, Lotus (!), Ferrari und Mercedes-Benz konnten sich verbessern. Rückkehrer Kimi Räikkönen und Rückkehrer Michael Schumacher standen auf dem Podium. Vor dem GP von Großbritannien sieht es also in beiden Wertungen noch sehr spannend aus.
Ferrari: Massa als Schlüssel
Fernando Alonso liegt in er Fahrerwertung sehr aussichtsreich in Führung, der Teamkollege bei Ferrari, Felipe Massa, hingegen dümpelt hinterher. Beim Qualifying steht es stallintern 0:8, Massa hat bislang elf Punkte gesammelt und damit am wenigsten von allen Fahrern der Spitzenteams. Alonso kommt auf einhundert Punkte mehr. Allein wird Alonso vielleicht Weltmeister, wenngleich der zweite Fahrer günstigenfalls der Konkurrenz Punkte abjagen sollte.
In der Teamwertung sieht es düster aus. Hier ist das Duo Webber/Vettel schon etwas enteilt, es spricht viel dafür, dass Red Bull zumindest diesen Titel mit einiger Wahrscheinlichkeit wird verteidigen können. Ferrari hat hier bereits stolze 54 Zähler Rückstand. Um das aufzuholen, muss Massa endlich durchstarten. Der Brasilianer wird im Aufwärtstrend gesehen, das Auto hat die nötige Geschwindigkeit, fehlt noch der Beweis, dass Massa noch gut genug ist.
Red Bull in Lauerstellung
Es sieht gut aus für die Red Bull Piloten Mark Webber und Sebastian Vettel. Beide Fahrer haben ihren Rennstall auf die Spitzenposition bei den Teams gefahren und liegen in Lauerstellung in der Fahrerwertung: Rang zwei mit 20 Punkten und Position vier mit 26 Zählern Rückstand. Aufholbar, noch in Reichweite, es läuft nicht allzu schlecht für das Weltmeister-Team der Jahre 2010 und 2011. Doch das reicht natürlich nicht.
Vettel hat Grund mit dem Ausgang des letzten Rennens zu hadern, das er in ausgezeichneter Lage aufgeben musste. Doch ob es ihm gelingen kann, auf den britischen Inseln zurückzuschlagen, bleibt ungewiss, denn dort gibt es auch noch Unwägbarkeiten mit dem Wetter. Immerhin hatte Vettel in Valencia ein Top-Ergebnis im Qualifying, das zumindest könnte für das Rennen in Silverstone Mut machen.
Mark Webber konnte aus Spanien immerhin noch einige wichtige Punkte mitnehmen. Da die Red Bull Boliden wieder schnell unterwegs sind, ist ihm trotz des technischen Defekts bei Partner Vettel nicht bang. Doch: Realistisch wie der Australier nun einmal ist, bleibt er auf dem Boden. Die optische Überlegenheit Vettels in Valencia sagt noch nichts. Frei nach Giovanni Trappatoni: Don't say, that you have the cat in the sack, when you don't have the cat in the sack.
McLaren: Erwartungen auf das Heimrennen
Auch für McLaren war der Ausflug nach Spanien nicht erfolgreich. Vier – Null – so die Punkteausbeute von Jenson Button und Lewis Hamilton. In der Fahrerwertung hat das die beiden deutlich nach hinten gekegelt, in der Teamwertung ist der Rückstand auf Red Bull trotz deren Schwäche gestiegen und der Vorsprung auf Lotus, Ferrari und Mercedes-Benz geschrumpft. Ein Wochenende zum Vergessen.
Nun geht es also nach England, ins heimische Silverstone. Wie immer wird dabei von einem Heimrennen gesprochen, was in der Formel 1 einmal ein schiefes Bild ist, denn viele Teams haben Sitz und / oder Wurzel in England, zum anderen hilft es reichlich wenig, „daheim“ zu fahren. Andere Faktoren sind wichtiger. Regen zum Beispiel, der als typisch für die Inseln gilt – und ein Vorteil darstellen könnte für Fahrer, die nicht so schnell unterwegs sind.
Ob das Jenson Button und Lewis Hamilton helfen würde? Eher nicht. Auch wenn das die Betroffenen anders sehen und – wie Hamilton – auf „Ortskenntnis“ verweisen. Doch die haben erfahrene Piloten auch, und wenn es regnet, weiß jeder, woher das Nass kommt. Regnerische Bedingungen könnten aus dem Rennen eine Art Roulette werden lassen, dass die Chancen aller erhöht, auch die der schwächeren Teams.
Mercedes: Schumacher im Fokus
Es hat lange auf sich Warten lassen: Das erste Podium nach der Rückkehr aus dem Formel 1-Vorruhestand hat Michael Schumacher wieder in den Fokus des Interesses gerückt. Damit dürfte der Rekordweltmeister endlich bewiesen haben, dass mit ihm weiter zu rechnen ist. Schumacher könnte damit auch den Grundstein gelegt haben für eine Fortsetzung seiner Karriere, drängen lassen will er sich aber nicht. Erst im November, nach Saisonende wird sich der Altmeister entscheiden.
Das klingt mehr als vernünftig, denn Schumacher hat bislang überwiegend enttäuscht. Ein Podium besagt noch nicht allzu viel, zumal Vettels Ausfall den Erfolg begünstigt hat. Gut möglich und auch sinnvoll, dass Schumacher erst noch abwarten will, ob sich die Entwicklung fortsetzt. Denn in der Tabelle liegt er trotz des Podiums nur auf Rang 13! Erst weiter Erfolge könnten ihn nach vorn bringen, und auch den Rennstall, der nur auf Platz fünf in der Teamwertung liegt.
Lotus will siegen
Mit Kimi Räikkönen hat das Team Lotus ein heißes Eisen im Feuer. Der prominente Rückkehrer konnte in seiner ersten Saison nach der Formel 1-Pause schon ordentlich punkten, sehr zur Freude seines Arbeitgebers, der sich über Rang drei in der Teamwertung vor Ferrari und Mercedes freuen darf. Doch dem auf Platz sechs liegenden Räikkönen fehlt noch ein Sieg, gleiches gilt für Romain Grosjean, der mehr als ordentlich mithält mit dem Finnen.
Gelingt das in Silverstone? Das Team Lotus hat schon mehrfach stark aufgetrumpft in der noch immer recht jungen Formel 1-Saison. Das Auto ist sehr gut, konkurrenzfähig, wie man so schön sagt und die Fahrer können von dem Potenzial des Boliden einiges in die Rennen mitnehmen und abschöpfen. In Valencia hätte es fast geklappt mit dem ersten Sieg, doch fast heißt eben auch nicht. Oder im Falle von Lotus: noch nicht.