Formel 1: Vettel –Attacke aus der Rückhand
20.07.2012
Fernando Alonso liegt vor dem Ende der ersten Saisonhälfte der Formel 1-Saison 2012 in Führung. Geht für den Spanier in italienischen Diensten beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring nicht allzu viel schief, dann wird er Halbzeitmeister, denn der Vorsprung von Mark Webber beträgt stattliche 13 Punkte.
Das lässt sich in einem Rennen nur dann aufholen, wenn Alonso erheblich unter Druck geriete. Das ist angesichts der erstaunlichen Kontinuität, mit der der Ferrari-Pilot seine Runden dreht, eher unwahrscheinlich. So also stehen die Chancen schlecht, dass Alonso noch eingeholt wird. Auch weil die Konkurrenz durch Sebastian Vettel und Lewis Hamilton schon einen Rückstand aufweist, der mehr als ein maximales Rennergebnis beträgt.
Wenn es also im Heimspiel für Sebastian Vettel zu einer Attacke gen Alonso kommen sollte, dann aus der Hinterhand. Der Titelverteidiger geht mit dem Rückstand auf Alonso und sein eigenes Abschneiden im Vorjahr relativ gelassen um. Vettel setzt auf Blickwinkelverkürzung: Auf sich selbst schauen und nicht auf die Gegner.
Alonso hat trotz des gewaltigen Abstandes einen gewissen Nachteil: Noch ist es ihm vergönnt, keinen Ausfall hinnehmen zu müssen, was sich im Saisonverlauf wahrscheinlich ändern wird. Dann aber fehlt der zweite Mann im Team, der ganz vorn fahren kann und den anderen die Punkte stibitzt. Felipe Massa hat mit 23 Punkten nichts mit dem Titel zu tun.
Das macht sich natürlich auch in der Teamwertung bemerkbar, wo Ferrari dank Alonso Rang zwei hält, allerdings den Atem von Lotus und McLaren spürt. Die beiden Teams haben relativ ausgeglichene Fahrer, wobei Jenson Button gegenüber Lewis Hamilton schon etwas abfällt. Der britische Ex-Titelträger kommt 2012 nicht recht in Schwung.
So geht es also auf die Saisonmitte zu: Ferrari mit dem Vorteil im Gepäck, Red Bull aber als Team deutlich stärker und mit zwei Fahrern dem Führenden im Nacken. In Lauerstellung noch Lewis Hamilton, vielleicht ließe sich Kimi Räikkönen noch nicht ganz abschreiben, denn die Saison ist noch lang.
Red Bull: Sieg Webber, neuer Vertrag Webber
Strategisch ist es Red Bull gelungen, Ferrari eins auszuwischen. Dort stand Mark Webber offenkundig auf der Liste möglicher Piloten, die Felipe Massa ersetzen sollten. Der aber hat bei Red Bull verlängert, gleich nach Saisonsieg Nummer zwei. Webber ist damit Alonso-Jäger und wichtiger Baustein in der Red Bull Planung über die laufende Saison hinaus. Auch 2013 wird schließlich noch um die Wette gefahren.
Mit der Vertragsverlängerung hat Red Bull Kontinuität bewiesen, das erfolgreiche Team bleibt zusammen. Mittlerweile scheinen sich Mark Webber und Sebastian Vettel arrangiert zu haben, zwei Titel haben dabei sicher geholfen. Aus der Kamikaze-Konkurrenz ist hochwertiger Wettbewerb intern geworden. Das ist sehr positiv.
Auch für die laufende Saison. Denn aus dem Red Bull-Lager ist der Eindruck zu vernehmen, dass das Team wechselseitig von Webber und Vettel profitiert. Für die Weiterentwicklung des Rennwagens, der auch 2012 durchaus konkurrenzfähig ist, stellt das einen großen Vorteil dar. Respektvolle Konkurrenz wäre für die Wettbewerber zu fürchten.
Denn die Ausfälle sind es, die derzeit am meisten dafür verantwortlich sind, dass weder Vettel noch Webber ganz vorn stehen, sondern Alonso. Zuverlässigkeit ist aber das entscheidende Detail beim Titelkampf, hier hat Red Bull noch einiges Potenzial. Sollte das ausgeschöpft werden, kommt der Angriff auf die Spitze – von Vettel oder Webber.
Ferrari: Niederlage abseits der Piste
Sollte es stimmen, dass Ferrari an Mark Webber als Ersatz für den enttäuschend fahrenden Felipe Massa interessiert war, dann hat der Rennstall eine empfindliche Niederlage abseits der Rennstrecke eingesteckt. Denn jetzt ist Massa wohl endgültig demontiert, auch wenn der Brasilianer davon nichts wissen will. Und Ferrari braucht immer noch einen anderen Fahrer.
Die sind aber rar. Lewis Hamilton fällt aus, Sebastian Vettel tendenziell eher auch, gleiches gilt für Kimi Räikkönen. Bleiben noch Nico Rosberg, der aber bei Mercedes eine besondere Heimat gefunden hat; oder einer der Neulinge, die allerdings ein gewisses Risiko darstellen, denn Ferrari braucht zwei Sieg-Fahrer.
McLaren: Wann schlägt die Stunde
Für McLaren läuft die Saison nicht wirklich zufriedenstellend. Der Heim-Grand-Prix, ein Attribut, auf das niemand wirklich etwas gibt bzw. geben sollte, ist in die Hose gegangen: vier Punkte Hamilton, ein Punkt Button. Während Hamilton Fühlung nach vorn hält, ist Button mit 79 Zählern Rückstand auf Alonso schon abgeschlagen.
Beim ersten Freien Training am Freitag hat sich das Team mit zwei guten Plätzen von Hamilton und Button hervorgetan. Neue Verbesserungen am Auto sollen dafür sorgen, dass der britische Silberpfeil endlich richtig in Schwung kommt und den Durchbruch schafft. Wie immer wird sich das erst im Training respektive dem Rennen zeigen.
Lotus: Titeldiskussionen Noch hat Kimi Räikkönen zumindest theoretische Chancen, den WM-Titel der diesjährigen Formel 1 zu gewinnen. 46 Punkte Rückstand sind zwar schon eine ordentliche Hausnummer, doch nicht unmöglich. Allerdings müsste dann Alonso schon ein bisschen mitspielen und von seiner atemberaubenden Konstanz ablassen.
Andernfalls bleibt Räikkönen wohl nur die Rolle des Spielverderbers, der die Alonso-Konkurrenz unter Druck setzt und ihren Punkte raubt. Mit dem Titelkampf selbst hätte er dann nichts mehr zu tun, aus dem gefühlten Fünf-bis-Sechskampf wäre ein Vierkampf geworden. Die Titeldiskussionen derzeit scheinen ohnehin etwas deplatziert; ein Sieg wäre eher diskutabel.
Mercedes: Schumacher im Fokus
Für einen Augenblick schien es, als würde die Stunde des Michael Schumacher schlagen. Rang drei und damit ein Platz auf dem Podest – in Spanien schien so, als würde der Altmeister endlich wieder zu seiner großen, weltmeisterlichen Form auflaufen können. Schien. Denn schon beim nächsten Rennen befand sich Schumi wieder auf dem Boden der Tatsachen wieder.
Dort konnte er immerhin noch sechs WM-Punkte aufsammeln und sein Konto auf 23 erweitern. Das ist immer noch weit weniger als Rosberg hat, der wesentlich konstanter fährt, als sein Teamkollege. Schumacher steht dennoch im Fokus, die Frage stellt sich nämlich, ob er noch einen Vertrag annehmen möchte, um weiterzufahren.