Formel 1: Vier Jäger gegen Alonso
31.08.2012
Eine Woche nachdem Borussia Dortmund und Werder Bremen die lange Sommerpause in der Bundesliga beendet haben, geht es auch im Rennsport auf höchster Ebene wieder rund. Nach einer etwas kürzeren Standby-Phase geht es in die zweite Formel 1-Saison-Hälfte, die einige Spannung verspricht – jedenfalls viel mehr als noch die Formel 1-Saison 2011.
Während im Vorjahr Weltmeister und Titelverteidiger Sebastian Vettel schier uneinholbar davongezogen war, geht es diesmal deutlich knapper vorn zu. Außerdem sind die Red Bull-Piloten Mark Webber und Vettel diesmal nicht ganz vorn, sondern der Ferrari-Fahrer Fernando Alonso. Der hat sich mittlerweile einen kleinen Vorsprung herausgefahren.
Vierzig WM-Punkte liegt der Spanier vor dem Australier Webber, während der Deutsche Titelverteidiger noch einmal zwei Punkte hinten liegt. Für neun Rennen ist das noch keine Vorentscheidung, aber ein stattliches Polster. Alonso hat bislang durch eine atemberaubende Konstanz geglänzt, während es bei den Verfolgern schon einigemale technische Zicken gab.
Das ist das größte Pfund von Alonso und zugleich die größte Chance der Konkurrenz. Schwächelt der Ferrari-Pilot, müssen Webber und Vettel zur Stelle sein, um den Rückstand zu verkürzen. Gleiches gilt natürlich auch für Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen: Die Piloten haben nur fünf bzw. sechs Punkte mehr an Rückstand auf Alonso.
Es ist also ein Quartett, das sich den Titelträumen von Fernando Alonso in den Weg stellt. Das aber ist für den eher ein Vorteil, denn die vier Verfolger, namentlich Webber und Vettel, werden sich die Punkte eher gegenseitig klauen, denn gegen den Führenden zu Felde ziehen. Formel 1 ist ein Individual-Sport – zumindest in der Fahrerwertung.
Ganz anders sieht es dagegen in der Mannschaftswertung aus. Hier führt Red Bull, weil es das einzige Team in der ersten Saisonhälfte war, das beide Fahrer ganz vorn platzieren konnte. Alonsos Partner Felipe Massa ist 14.! Ferrari ist folgerichtig nur Vierter hinter Red Bull, McLaren und Lotus.
Doch sind die Abstände in der Teamwertung so gering, dass hier einiges möglich ist. Red Bull hat hier ein kleines Polster, die drei Verfolger liegen schlappe vier Zähler auseinander. Spannung ist damit auch in dieser Wertung für die zweite Saisonhälfte garantiert. Für die Rennsport-Fans der Formel 1 ist das ein Glücksfall.
Ferrari: Kommt Bein II ins Laufen?
Der italienische Rennstall Ferrari hat in den zurückliegenden Jahren nicht unbedingt mit großer Stärke auftrumpfen können. Gut – 2007 gab es die Fahrer, im selben Jahr und 2008 noch die Konstrukteurs-WM, doch vor allem dem Räikkönen-Titel haftet immer noch der Ruch eines geschenkten Titels an, weil die McLaren-Fahrer seinerzeit einen Stallkrieg ausfochten.
Seit 2004, also den Zeiten des Michael Schumacher, ist Ferrari nicht mehr richtig in Schwung gekommen. 2012 scheint sich das zumindest bei den Fahrern zu ändern, denn hier führt Fernando Alonso den Wettbewerb klar an. Da Felipe Massa aber unterirdisch schwach fährt, dominiert nur der Spanier, nicht das Team.
Für die zweite Saisonhälfte sind bei Ferrari also zwei Fragen wichtig. Kommt der Brasilianer Massa endlich in Schwung oder fährt das Team weiter nur auf einem Bein? Und kann die bislang großartige Konstanz bei Fernando Alonso gehalten werden? Werden beide Fragen mit Ja beantwortet, gehen beide Weltmeister-Titel nur über Ferrari.
Red Bull: Kommt der Gegenschlag?
Das ist die alles entscheidende Frage im Rennstall von Red Bull. 2011 war ein Ausnahme-Jahr mit einer Ausnahme-Leistung und einem Ausnahme-Sieger. Die laufende Formel 1-Saison gemahnt dabei schon eher an das erste Weltmeister-Jahr 2010. Hier hat Titelträger Vettel nur an einem einzigen Tag ganz vorn gestanden – am letzten!
Zuvor hat Red Bull bei überlegenen Autos Punktegeschenke geschnürt: Technische Pannen, Fehler der Fahrer, interner Zwist hätten fast den Titel gekostet. 2012 ist es anders, denn jetzt fehlt es vor allem an der überragenden Leistungsfähigkeit der Boliden. Schnell ist Red Bull noch immer, allerdings nicht atemberaubend.
McLaren: Zwischen den Welten
In beiden Klassements ist McLaren noch ganz vorn mit dabei – allerdings mit einem Unterschied. Red Bull und Ferrari führen jeweils einen Wettbewerb leicht Punkte gepolstert an, während McLaren „nur“ Verfolger ist. Und dazu noch mit Lotus einen direkten Konkurrenten bekommen hat, der eher ins Mittelfeld zu gehören schien.
Intern rangiert Lewis Hamilton deutlich vor seinem Teamkollegen Jenson Button, der mit 76 Zählern nur auf Rang sieben liegt und einen Rückstand von 41 Punkten auf Hamilton hat. Mit dem WM-Titel dürfte Button also nichts zu tun haben, allerdings ist er wichtig für das Abschneiden in der Team-Wertung und hier stärker als Felipe Massa.
Lotus: Räikkönen stellt Kubica in den Schatten
So richtig getroffen hat der Rennstall von Lotus mit der Fahrerauswahl für die Formel 1-Saison 2012. Rückkehrer Kimi Räikkönen hat es tatsächlich geschafft, in der Fahrerwertung zu dem Verfolgerquartett zu gehören, Romain Grosjean trumpft gegen alle Erwartungen richtig stark auf.
Teamintern ist das Leistungsverhältnis zwischen Räikkönen und Grosjean ungefähr so wie bei McLaren, daher rangieren beide Teams ganz dicht beeinander, während Ferrari mit Massa eben einen Beinahe-Ausfall zu verkraften hat. Wie gut es bei Lotus läuft, merkt der Zeitgenosse schon daran, dass niemand nach Robert Kubica fragt.
Mercedes: Jubiliar ohne Jubel
Der Altmeister Michael Schumacher steht vor seinem 300. Grand Prix. Das ist aber auch so ziemlich der einzige Grund zu feiern, denn das Comeback verläuft mehr als schleppen. Der enttäuschenden Saison 2010 folgte eine ebenso enttäuschende Saison 2011 und auch die Formel 1-Saison 2012 ist für Schumacher kein rechter Gewinn.
Immerhin ist es diesmal gelungen, einen Podiumsplatz zu erringen. Ein Fortschritt zwar, doch bleibt die Ausbeute immer noch weit hinter dem zurück, was man erwartet hat. Die zentrale Frage ist, ob der Jubiliar noch Neigung verspürt, weiter Formel 1-Rennen zu fahren – und das ist durchaus eine existenzielle Frage für das gesamte Team.