Formel 1: Vettel siegt, Alonso gewinnt
24.09.2012
Ganz plötzlich soll alles wieder offen sein: Ein Sieg von Sebastian Vettel beim Formel 1-Rennen in Singapur und die Türen Richtung erneuter Titelverteidigung sind wieder offen. So ist vom Tenor her viel zu lesen, denn der Führende in der WM-Wertung der Fahrer, Fernando Alonso, hat zehn Punkte verloren am Sonntag.
Diese Sichtweise ist allerdings etwas arg auf ein Ereignis zugespitzt. Alonso hat nämlich am Sonntag das getan, was ihn bereits die komplette Saison so stark macht: Punkte geholt. Und 15 sind keineswegs so schlecht, wie es manchem Beobachter scheinen will. Es ist die Konstanz, die Alonso in dieser Formel 1-Saison bislang trägt. Und der Große Preis von Singapur ist eine Fortsetzung dieses langen Laufs.
Im Grunde genommen hat Fernando Alonso am Sonntag sehr viel getan, um seinen Titel zu erringen. Vettel hat das Rennen zwar gewonnen und etwas an Boden gewonnen, doch das ist nur eine Momentaufnahme, die sich beim nächsten Formel 1-Lauf schon wieder relativiert haben kann. Mehr ist noch nicht geschehen.
Keine Vorentscheidung
Faktisch hat das Formel 1-Rennen in Singapur nur keine Vorentscheidung im eigentlichen Sinne gebracht. Fernando Alonso ist nicht davongeeilt, doch bleibt das Verfolgerquartett stark genug, sich gegenseitig die Punkte zu rauben. Allen voran Lewis Hamilton, der noch vor Vettel liegend die Segel hatte streichen müssen – da erst war die Bahn frei zum Sieg.
Auch Jenson Button, Mark Webber und Kimi Räikkönen sind stark genug, um dauerhaft ganz vorn über die Platzverteilung mitreden zu können. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie stark die Dauerpunktesammelei von Alonso eigentlich ist und warum gerade er nicht trotz, sondern wegen seines dritten Ranges in Singapur weiter die besten Karten auf den Titel hat.
Und Lewis Hamilton? Der hat am Sonntag bis zu seinem unfreiwilligen Aus sehr deutlich gezeigt, dass mit ihm zu rechnen ist. McLaren hat ein schnelles Auto, das konkurrenzfähig ist und Hamilton zu den nötigen Leistungen befähigt. Und bei der Vergabe des Titels der Rennställe haben die McLaren-Piloten sicher auch ein Wörtchen mitzureden.
Poker abseits der Strecke
Apropos mitreden: Das ist auch in ganz anderer Hinsicht ein Thema. Denn in eingeweihten Kreisen, Medien und Köchen der Gerüchteküche wird seit geraumer Zeit gemunkelt, dass Lewis Hamilton der Königstransfer in der Formel 1 werden könnte. Mit der sportlichen Entwicklung hat das einiges zu tun.
Denn Michael Schumacher, Fahrer bei Mercedes, hat sich bislang immer noch nicht erklärt, was seine Zukunft in der Formel 1 anbelangt. Angesichts des bislang eher mageren Abschneidens, das auch in Singapur seine Fortsetzung bei der siebten Nullnummer der laufenden Formel 1-Saison fand, ist das kein Wunder.
Doch das Zögern hat seinen Preis, denn es wird spekuliert, dass Schumacher nicht mehr Herr der Lage ist. Es sei denn, er würde den Formel 1-Zirkus endgültig verlassen. Bei Mercedes scheint man ein Auge auf Lewis Hamilton geworfen zu haben, der mit Wechselabsichten sich tragen soll.
Spiel über die Bande
Bei den Verhandlungen geht es auch um das liebe Geld. Hamilton soll dem Vernehmen nach nicht mehr mit dem zufrieden sein, was ihm sein derzeitiger Rennstall bietet. Mercedes könnte die entsprechenden Leistungen bringen, wenn Schumacher ginge. Allerdings könnte Hamilton den Flirt zunächst einmal als Druckmittel gegenüber McLaren nutzen.
Der Rennstall soll jüngst seine bisherigen Offerten signifikant aufgebessert haben. Würde Hamilton nun doch an der Seite von Jenson Button bleiben, wäre Schumacher wieder im Rennen und könnte seinerseits auf höhere Bezüge pochen. Allerdings ist dieses Spiel durchaus riskant, denn es bestünden durchaus noch andere Möglichkeiten für Mercedes.
Talentierte Fahrer gibt es nämlich schon einige. So könnte Mercedes zunächst einmal Schumacher durch einen solchen ersetzen, was allerdings mit Blick auf die nötige Medien-Aufmerksamkeit, die der Rennstall braucht, und die noch wichtigeren sportlichen Erfolge unwahrscheinlich scheint.
Vettel als Schumi-Nachfolger
Bliebe noch die Frage nach einem hochkarätigen Ersatzmann. Sebastian Vettel etwa, der für Red Bull fährt, muss dort nicht alle Tage bleiben. Für ihn bestünde zumindest die Möglichkeit, bei Mercedes als Nummer 1-Fahrer unterzukommen, ordentlich herausgefordert durch Nico Rosberg.
Das erscheint zumindest wahrscheinlicher als der Wechsel zu Ferrari, wo Fernando Alonso zurzeit kaum von seiner Spitzenposition weichen würde. Zwei Alphatiere in einem Rennstall führt oft zu mächtigen Konflikten, nicht das, was zum Titel führt. Und mit Kimi Räikkönen gibt es ja noch einen hochkarätigen Fahrer, der als Wechsler auftreten könnte.
Vettel wäre sicherlich eine große Überraschung, allerdings ist seinerzeit anlässlich der Rückkehr Schumachers in den Formel 1-Zirkus genau dieses Szenario immer wieder angesprochen worden. Schumacher als prominenter Statthalter, bis Vettel für einen Einsatz bei Mercedes bereitstünde.
Singapur schaut nach vorn
Die Formel 1-Saison 2012 geht auf die Zielgerade. Noch ist das Rennen um die Formel 1-Krone relativ offen, wenngleich Alonso die deutlich besten Karten hat. In dieser Situation werden die Weichen für die kommende Saison gestellt. Gut möglich, dass die relative Stabilität der Stellenbesetzung in den Spitzenteams ein Ende findet.
Denn seit drei Jahren sind die mit Abstand führenden Teams faktisch gleich besetzt: Red Bull, Ferrari, Mercedes und McLaren haben nicht wesentlich gewechselt, nur bei Lotus gab es einige Rochaden. So ist Singapur in der Nachlese vor allem ein kleiner Hinweis auf das gewesen, was die nächsten Wochen bestimmen könnte.
Doch vielleicht wird diese Rechnung ohne Wirt Hamilton gemacht. Unterschreibt der bei McLaren, bleibt Schumacher bei Mercedes, Vettel bei Red Bull und schon wird sich der Wechseldruck wesentlich verflüchtigen. Außer bei Ferrari, wo Felipe Massa schwerlich noch eine weitere Saison fahren wird.