Formel 1: Alonsos Großangriff auf Vettel
02.11.2012
Das ist die wohl interessanteste Frage, die sich im Blick auf das nächste Formel 1-Rennen in Abu Dhabi stellt: Wird Fernando Alonso nach vier Niederlagen in Folge zum Großangriff auf Sebastian Vettel blasen? Dafür spricht, dass ihm nicht mehr allzu viele Möglichkeiten bleiben, denn nur noch drei Rennen stehen aus.
Dagegen spricht, dass der Rückstand mit 13 Zählern gemessen am theoretischen Punkte-Beute-Potenzial von 75 noch nicht allzu groß ist. Noch ist vielleicht der Zeitpunkt nicht gekommen, alles zu riskieren. Das Freitagstraining lässt beide Vermutungen offen. Alonso war vergleichsweise langsam, aber in den Longruns sehr schnell.
Möglicherweise bastelt man im Hause Ferrari an einem Plan, um das Sonntagsrennen auch bei einem nicht optimal laufenden Qualifying erfolgreich zu bestreiten. Das wäre das Eingeständnis, mit Red Bull derzeit nicht mithalten zu können. Im schlimmsten Fall käme Alonso so noch zu vielen wertvollen Punkten hinter Vettel und könnte das Rennen offen halten.
Doch bleibt die Frage, wie schnell Alonso tatsächlich gewesen ist. Denn niemand kann am Freitag den Füllstand des Tanks abfragen. Sollte dieser wirklich ordentlich gefüllt gewesen sein, dann wäre Alonso mit einem großen Tempo unterwegs gewesen. Andernfalls relativierte sich die Ferrari-Stärke auf den Longruns beträchtlich.
Grundsätzlich ist Ferrari in einem Punkt deutlich weiter als die Konkurrenten von Red Bull. Dort ist man trotz der extrem geringen Chancen Mark Webbers, noch Weltmeister zu werden, sehr zurückhaltend beim Thema Teamorder; ganz anders bei Alonso: Dort wird alles auf die noch verbleibenden Siegchancen des Spaniers gesetzt.
McLaren: Schnell im Schatten
Unter dem Eindruck des Zweikampfes zwischen Ferrari und Red Bull respektive Fernando Alonso und Sebastian Vettel werden andere Teams bisweilen etwas sträflich übersehen. So McLaren, dessen Piloten wohl nicht mehr Weltmeister werden; dafür allerdings in Abu Dhabi einen sehr schnellen Eindruck hinterlassen haben.
Sebastian Vettel ist zwar im zweiten Training schneller gewesen als das Duo Jenson Button und Lewis Hamilton, doch war die beiden Briten im ersten Durchgang die Schnellsten. Wenn es am Samstag um die Platzierungen bei der Startaufstellung geht, wird es wohl auf einen harten Kampf zwischen McLaren und Red Bull hinauslaufen.
Bei Red Bull ist man darauf durchaus aufmerksam geworden. McLaren ist schnell unterwegs, schneller als man selbst, meinte Vettel nach den Durchläufen. Allerdings ist man bei McLaren etwas zurückhaltender, was an dem eher verhalten verlaufenden zweiten Durchlauf lag. Die Pole Position sei nicht in Reichweite, meinte etwa Lewis Hamilton.
Tiefstapelei? Gerade mit Blick auf die erste Trainingseinheit kann dieser Gedanke schon kommen, allerdings hatte Hamilton bei seiner Äußerung klar das zweite Freie Training im Auge. Da habe Red Bull erst wirklich ernst gemacht. Für Qualifying und Rennen erwartet er unverändert eine Dominanz von Red Bull.
Red Bull: Favorit mit Zipperlein
Bei Red Bull lief es vor allem im Zweiten Freien Training richtig rund, zumindest bei Sebastian Vettel. Mark Webber hingegen musste mit einigen technischen Schwierigkeiten kämpfen, vielleicht dem einzigen Umstand, der bei der Konkurrenz so etwas wie Hoffnung aufkeimen lässt.
Technische Zipperlein könnten ein Verbündeter von Fernando Alonso im Kampf um die Weltmeisterschaft sein, aber auch bei den McLaren-Piloten, was deren Sieg-Chancen im Grand Prix in der Wüste anbelangt. Doch bei Vettel lief es rund, während Webber wieder mit dem KERS zu kämpfen hatte.
Nach einem Funkenflug, der die mediale Aufmerksamkeit in sich bündelte, gab es noch unerklärlichen Austritt von Flüssigkeiten beim Red Bull. Mark Webber musste sein Lenkrad früher als alle anderen abschrauben, doch blieb er insgesamt auf Rang vier. Mit Setup und Balance seines Gefährts ist der Australier zufrieden gewesen.
Sollten die Red Bull-Techniker noch auf die Quelle der technischen Zicken kommen, könnte Red Bull am Sonntag mit zwei starken Autos fahren. Bliebe dann eventuell noch die elende Frage nach einer Stallorder.
Lotus: Freitagszufriedenheit
Im Team Lotus, das eine hervorragende Formel 1-Saison fährt, ist man nach dem Freitagstraining zufrieden. Rang fünf und sechs – das ist ein sehr gutes Ergebnis für die beiden Fahrer. Man habe einen starken Auftritt am Freitag gehabt, ein paar neue Teile erprobt und noch etwas für Samstag im Köcher.
Romain Grosjean klang sogar noch etwas optimistischer als sei finnischer Teamkollege Kimi Räikkönen. Man könne es vielleicht schaffen, an die bislang noch stärkeren Teams heranzurücken, bei den Rundenzeiten gebe es noch Potenzial. Zumindest für Mercedes ist das keine gute Nachricht, Lotus wird dem namhaften Werksteam wohl abermals den Rang ablaufen.
Mercedes: Neue Bescheidenheit
Fleißig sind die beiden Mercedes-Piloten Michael Schumacher und Nico Rosberg am Freitag schon gewesen. 110 Runden haben beide insgesamt abgespult, die Ränge zwölf und 14 sprangen dabei heraus. Allerdings sollte das nicht überbewertet werden, das Team hat die Formel 1-Saison abgehakt und befindet sich auf der Rampe Richtung 2013.
Denn anders ist es wohl kaum zu verstehen, wenn ein Team mit Top-Ambitionen durchaus glaubhaft versichert, es handele sich um einen guten Testtag. Für Sieges-Chancen im Sonntagsrennen sind die Zeiten wohl kaum geeignet, Optimismus zu verbreiten. Im Gegenteil – man übt sich bei den Zielen in Bescheidenheit: Punkteränge.