Formel 1: Vettel – Rennsport-Kannibale auf dem Kriegspfad
12.04.2013
Nach einer kleinen Verschnaufpause geht die Formel 1 nach zwei Rennen ins Reich der Mitte. Der Grand Prix von China beendet die erste Fernost-Etappe, ehe sich der Rennsport-Zirkus über einen Zwischenstopp in Bahrain nach Europa, dem Kernland des Rennsports, begibt. Dort beginnt der Saisonstar 2.0, wie viele meinen.
Doch auch der erste Aufguss hat es mächtig in sich. Zwei Rennen und ganz vorn steht Sebastian Vettel von Red Bull. Der Weltmeister und zweifache Titelverteidiger ist gut in die Saison gestartet, geht es um die Ergebnisse. Wie erfreulich für all jene, die das langweilig finden, dass teamintern die Piloten auf dem Kriegspfad sind.
„Kannibale“ Vettel und Webber auf dem Kriegspfad
Was aus dem Zoff zwischen Webber und Vettel wird, steht noch in den Sternen. Ein gestörter Teamfriede ist allerdings nicht gerade die beste Voraussetzung, erneut den Titel zu erringen. Dafür gibt es tolle Beispiele aus der Vergangenheit: Etwa das legendäre Gefecht zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso, das Kimi Räikkönen den Titel bescherte.
Ob es soweit bei Red Bull kommt? Nach der mehrwöchigen Pause jedenfalls hat Vettel erst einmal wieder Öl ins Feuer gekippt. Er wird in den Medien mit den Worten zitiert, Webber habe den Sieg nicht verdient; schlussendlich sei er, Vettel, nicht allzu bekümmert um seine Attacke auf Webber gegen den ausdrücklichen Befehl des Teams.
Das Team hat nun öffentlich den Weg für das direkte Duell freigegeben – in gewissem Rahmen. Am Ende des Rennens sollen sich die beiden Fahrer so ausgiebig streiten wie sie wollen. Vorher sollen weiterhin die Regel gelten: Nichtangriffpakt beim Start und Tun, was das Team sagt – zum Beispiel bei veränderter Rennlage.
Ob das klappt? Wer ein bisschen durch den Blätterwald streift, meint, die Formel 1 würde in einem Gruselkabinett stranden. Teamchef Horner sei ein schwacher Dr. Frankenstein, Vettel sein Monster; die Süddeutsche Zeitung nennt den jungen Fahrer einen Werwolf ob dessen Blitzverwandlung vom Bubi zum Beißwütigen.
Vielleicht passt auf Vettel auch ein ganz anderes Wort. Kannibale. So nämlich wurde der Radrennfahrer Eddy Merckx genannt und zwar wegen seines Siegeshungers. Der ist so weit gediehen, dass der legendäre Fahrer alles, ausnahmslos alles an Siegen, was sich ihm geboten hat, einstrich. 445 Profisiege stehen in den Büchern.
Reifenfragen unter Theaterdonner
Rein technisch-sportlich dreht sich auch vor Rennen drei alles um die Reifen, auf denen die Boliden ihre Runden drehen. Die nämlich sind immer noch das A&O in der Formel 1-Saison 2013, wenn man denn Erfolg anstreben sollte. Am Freitag im Freien Training hatte der Ferrari-Pilot Felipe Massa die Nase insgesamt vorn.
Das ist auch so eine Entwicklung, die erstaunt. Massa ist nach seinem schweren Unfall bei Ferrari lange nicht mehr richtig in die Spur gekommen, was dem Vernehmen nach weniger an ihm, denn an seinem unausgewogenen fahrbaren Untersatz gelegen hat. In der zweiten Saisonhälfte 2012 hat Massa wieder Boden gewonnen und jetzt geht es weiter damit.
Die Trainingseindrücke, die seitens der Fahrer nach dem Rundendrehen vermeldet wurde, klingen fast dramatisch. Lewis Hamilton wird mit der Einschätzung zitiert, er habe derlei noch nicht erlebt. TV-Verlangsamungen veranschaulichen, worum es geht: Von den Reifen lösen sich kleine Teile, die neben der Ideallinie auf der Strecke niedergehen.
Dieses Phänomen wird als Graining bezeichnet; auf der Rennstrecke herrsche eigentlich eine gute Rennatmosphäre, doch scheinen die Reifen allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Jenso Button hat dem Ganzen eine scharfe Formulierung gewidmet: Die Formel 1 fahre langsamer als die GP2.
Vor diesem Hintergrund ist die schnelle Zeit des Felipe Massa schon eine Überraschung gewesen. Allerdings haben Branchenbeobachter die Vermutung geäußert, dass Massa mit vergleichsweise wenig Benzin unterwegs war. So oder so: Alonsos Stütze ist neu erstarkt, bleibt aber nur die Nummer zwei im Team.
Wo bleibt die Konkurrenz?
Mit Kimi Räikkönen ist ein Fahrer in dieser Saison schon überraschend zum Saisonsieg gefahren, der weder für Ferrari noch für Red Bull arbeitet. Lotus scheint recht gut unterwegs zu sein, hat allerdings noch nicht wirklich unter Beweis stellen können, dass es für das Dauer-Gefecht um den Titel in beiden Wertungen auch reichen könnte.
Mehr Potenzial wird McLaren zugeschrieben. Und Mercedes. Doch das Team von Jenson Button gurkt dem Feld weit hinterher. Bei McLaren liegen Wunsch und Wirklichkeit ähnlich weit auseinander wie bei Mercedes in den Vorjahren. Mit einem mächtigen Update versucht man den Problemen zu Leibe zu rücken.
Jenson Button schien in den Trainingsläufen mit den Veränderungen recht gut zurechtgekommen zu sein, allerdings ist der zweite im Team, Sergio Perez, zumindest in diesem Training eher durch Störungen aufgefallen. Gleich sind beide Fahrer nur im Punktestand: zwei. Kümmerlich.
Bei Mercedes hingegen ist Neuzugang Lewis Hamilton sehr gut aus den Startlöchern gekommen. Rand vier hinter den beiden Red Bull-Fahrern und Kimi Räikkönen und damit viel besser als Nico Rosberg (von dem, was Michael Schumacher zeigen konnte, ganz zu schweigen).
Im fernen China haben beide Mercedes-Boliden das erste Training klar dominiert, ehe es am Nachmittag durch die weichen Reifen immens schwierig wurde. Trotzdem hat der starke Trainingsstart schon beeindruckt – die Frage bleibt natürlich, was davon in Qualifying und Rennen wirklich auf der Piste umgesetzt werden kann.