Formel 1: Reifen statt Racen
15.04.2013
Für den amtierenden Weltmeister der Formel 1, Sebastian Vettel, ist das Positivste, das er aus China mitnehmen konnte, wohl die knappe Verteidigung seiner Führung in der Fahrerwertung. Drei Punkte von Kimi Räikkönen, neun vor Alonso und zwölf in Front von Lewis Hamilton – so ist der Stand der Dinge vor dem Brückenschlag nach Europa.
Die reinen Zahlen allerdings geben lange nicht wider, was China für ein trübes Ereignis aus Vettel- und Red Bull-Sicht gewesen ist. Die Reaktionen hinterher waren eindeutig: Mit Rennfahren habe der Grand Prix nicht mehr viel zu tun gehabt. Wegen der Reifen und ihrer Unstetigkeit bliebe das Racen auf der Strecke. Formel Rollator also.
Zumindest geht es in der aktuellen Formel 1 nicht mehr unbedingt nach dem, was Auto und Fahrer im besten Renn-Sinn leisten können. Reifentaktik, Marschrouten und strategische Kniffe sind ins Zentrum des Geschehens gerückt. Für die Zuschauer ist es ohne technische Assistenten kaum möglich, ohne Weiteres zu ermitteln, wer „vorn“ ist.
Denn so relativ wie in dieser Saison ist das nie gewesen. Wenn ein Rennfahrer á la Mark Webber schon nach einer Runde an die Boxen rollt, um die Reifen zu wechseln, ist das clownesk. Und die vielen Führenden während eines Rennens sind kaum mehr als eine Fata Morgana.
Denn Führungsrunden und Kilometer sind fast irrelevant. Neun Führende in China sprechen für sich genommen eben nicht für spannende Kämpfe an vorderster Front, denn Kämpfe finden gar nicht mehr statt. Vettel meinte, man könnte nicht mehr attackieren, sondern fahre mehr gegen sich selbst (und die Reifen).
So steht die Formel 1 in der Saison 2013 wie ein Durcheinandertal: Viele Führende, drei Sieger in drei Rennen, auf den Plätzen ein wüstes Auf und Ab. Neben den Reifen gibt es genügend Pech und Pannen. Auch in Spitzenteams wie Red Bull: Kein Benzin für Webber im Qualifying, fehlende Verschraubungskünste bei den Reifen.
Ferrari haut auf die Pauke
Der Saisonstart lässt sich für Ferrari hervorragend an. Fernando Alonso ist trotz eines Ausfalls, der natürlich bei der geringen Zahl an Rennen extrem stark wirkt, ganz vorn mit dabei. Rang drei, ein Sieg und ein Vize-Platz. Und die Ankündigung, ab Bahrain würde noch mehr zu sehen sein.
Das Imperium geruht zurückzuschlagen. Die Red Bull-Dominanz gilt es in diesem Jahr zu knacken. Keineswegs unpassend ist dabei, dass auch Felipe Massa wieder in Schwung gekommen ist und fleißig Punkte sammelt. Den Rückstand von Alonso auf Vettel konnte der Brasilianer bislang nicht auffangen, aber vier Punkte Vorsprung auf Webber sind auch nicht verkehrt.
Sehr gut unterwegs ist auch Kimi Räikkönen im Lotus. Der liegt knappe drei Zähler hinter Vettel auf Rang zwei und setzt den Höhenflug aus dem Vorjahr ungerührt fort. Sein Teamkollege Romain Grosjean allerdings dümpelt (anders als Massa und Webber) mit elf Zählern eher hinterher, ein klarer Standortnachteil, der sich in der Teamwertung deutlich niederschlägt. Lotus allerdings steht überall auf dem Zettel – spätestens jetzt.
Alles neu macht Hamilton bei Mercedes? Zumindest kann man bei den Silberpfeilen mit dem Saisonstart 2013 sehr zufrieden sein. Hamilton punktet regelmäßig, trotz Rosbergs Sieg 2012 im dritten Rennen ist der Neuzugang viel stärker gestartet. Allerdings musste Hamilton mit angezogener Handbremse fahren, des Benzins und der Reifen wegen.
Siege kann Mercedes so wohl noch nicht einfahren, dazu fehlt es dem Auto noch an Geschwindigkeit. Allerdings scheint das Engagment von Hamilton einen positiven Effekt zu haben – währen Rosberg ohne Punkte blieb. Zum zweiten Mal in dieser Saison, was allerdings einstweilen nicht mehr als eine Momentaufnahme darstellt.
Red Bull: Spekulationsblasen
Bei Red Bull hingegen müssten die Sturmglocken läuten, täten sie das angesichts des Hauskrieges nicht ohnehin schon. Zwar konnte Vettel am Ende noch um Rang drei kämpfen, allerdings reichte es nicht. Schon gar nicht für Mark Webber, dessen Rennschicksal ausreichend Nahrung für Spekulationen gab.
Die Benzin-Panne hat schon für einen traumhaften Start aus der Boxengasse gesorgt. Als Jäger des Feldes hatte Webber ohnehin nicht allzu große Chancen. Diese sanken, als er sich einen frühen Stopp einhandelte, weil Frontflügel und Reifen beschädigt wurden. In Runde fünfzehn löste sich das Hinterrad und beendete Webbers Rennen.
Dumm gelaufen ist das, allerdings mit Folgen. Webber ist für einen Zwischenfall noch bestraft worden und muss im kommenden Rennen drei Plätze hinter seinem Startplatz aus dem Qualifying ins Rennen gehen. Glück sieht anders aus. Hinzu kommt, dass nach dem Mini-Stallkrieg Webbers Abschied Gegenstand des Interesses ist.
Bei McLaren gibt es einstweilen so ewas wie eine kleine Entwarnung. Nach dem verheerenden Saisonstart ist es in Rennen drei immerhin zu einigen Punkten gekommen. Gleich zehn konnte sich Jenson Button sichern, der damit wieder zu den Fahrern der großen Teams aufgeschlossen hat.
Soweit, so gut. Doch bleibt das Auto immer noch zu langsam, um wirklich konkurrenzfähig zu sein. Das löste McLaren, indem Button mit zwei Stopps ein taktisches Mittel einsetze, um doch noch viele Konkurrenten in Schach zu halten. Rang fünf für Button, während Sergio Perez leer ausging. Zwei Zähler aus drei Rennen sind viel zu wenig für ein Spitzenteam.
McLaren hat sich an Force India vorbeischieben können und auch Toro Rosso und Sauber auf Distanz gehalten. Doch zu Mercedes-Benz fehlen jetzt schon 38 Punkte! Von Lotus, Ferrari und Red Bull einmal ganz zu schweigen. Es wird offenkundig eine sehr schwere Saison für das Traditionsteam aus England.