Caravan-Salon: Mehr Spannung war nie
26.08.2006

Noch nie haben die Aussteller dem Beginn das Caravan-Salons mehr entgegengefiebert als heute, da der Salon in Düsseldorf erstmals die Tore fürs Publikum öffnet. Bis zum nächsten Sonntag werden sie Antworten auf die Frage suchen, ob es tatsächlich im kommenden Frühjahr eine Mehrwertsteuer-Delle geben wird.
Vor wenigen Woche schien noch alles klar. Ein Chef eines großen deutschen Reisemobil- und Caravanherstellers bezeichnete damals die Käufer, die Anfang 2007 ein Reisemobil kaufen als "mit dem Klammerbeutel gepudert". Heute sieht derselbe Manger das Bild differenzierter: "Eigentlich wäre ich als Käufer doch neugierig, was ich versäume, wenn ich jetzt ein Reisemobil der alten Generation kaufe."
Kaufentschlossene dürften demnach dazu beitragen, dass der Caravan-Salon am kommenden Sonntag m,ehr als die 164 000 Besucher von 2005 melden wird. Aber nicht nur die Frage, ob es sich jetzt nicht lohnt, trotz höherer Steuer auf das neue Modell zu warten, wird mehr Besucher bringen. Auch die rund 500 Neuvorstellungen dürften Magnet sein. Das ist eine Zahl, auf die jeder Automobilsalon neidisch blickt.
Diese Neuheitenflut erklärt sich auch aus dem Wechsel bei den Reisemobil-Basisfahrzeugen. Fiat, Mercedes-Benz, Volkswagen, Ford- alle kommen mit neuen Fahrzeugen und zwingen damit die Auf-und Ausbauhersteller zu neuen Modellen. Zum Handeln motviert werden die Hersteller ebenfalls durch drei Trends in der Freizeit-Welt: Die Fahrzeuge werden immer farbiger. Außerdem gibt es einen deutlichen Hang zu mehr Luxus, aber bei einigen Herstellern auch den Versuch, mit einfacher ausgestatteten und damit billigeren Fahrzeugen, junge Leute in die Szene zu locken. Bei anderen Herstellern führt das zu schmerzhaften Stpßseufzern: "Wir sind die einzige Branche, die sich über Billigangebote die Preise selbst kaputt macht", klagt ein Vertriebschef am Freitag, dem Presse- und Fachbesuchertag des Salons.
Unruhe kommt aber auch aus anderer Richtung auf den Reisemobilmarkt zu. Bisher konnte Fiat seine rund 70 Prozent Marktanteil verteidigen, weil sich das Unternehmen intensiv um diesen Markt gekümmert hat. Aber andere haben auch erkannt, dass die Reisemobil-Stückzahlen gewinnbringend sein können. So drängen alle mit mehr Kraft als sonst auf den Macht. Deswegen kann Fiat heute nur noch von rund 60 Prozent Marktanteil sprechen und schaut nicht ohne Sorge auf Ford. Der neue Transit scheint ein Erfolg zu werden.
Vor zwei Monaten ist es erstmals geschehen, was Reisemobilhersteller vor Jahren noch als eine scheinbar unerreichbare Vision gehandelt haben: In Deutschland wurden erstmals mehr Reisemobile zugelassen als Caravans. Und es sieht so aus, also werde sich dieser Trend stabilisieren; denn der Reisemobilmarkt wuchs auch im ersten Halbjahr in Deutschland um 8,2 Prozent, während die Zulassungen bei den Wohnwagen um 3,4 Prozent abnahmen und sich die Schere damit zu Gunsten der Reisemobile öffnete.
Es wird aber noch eine Weile dauern, bis die Reisemobile die Wohnwagen auch im Bestand überholen werden. Insgesamt wird der Bestand an Reisemobilen in Deutschland auf 440 000 Fahrzeuge geschätzt. Die Für den mobilen Urlaub werden rund 620 000 Caravans eingesetzt; etwa 350 000 Caravans stehen auf Dauercampingplätzen.
Übrigens leben rund 170 000 Mitarbeiter mit ihren Familien von dieser Camping- und Freizeitszene. Hersteller, Zulieferer, Händler, Campingplatzbetreiber und so weiter setzen pro Jahr rund 10 Mrd Euro um. Die bange Frage nach der Mehrwertsteuerdelle betrifft also nicht nur diese Szene, sondern einen Bereich der Gesamtwirtschaft, die gerade in strukturschwachen Regionen stark ist. Deswegen wäre es zu wünschen, wenn der vorsichtige Optmismus der Manager in Düsseldorf mehr als das berüchtigte Pfeifen im dunklen Wald darstellt. Immerhin sind es erfahrene Chefs von Reisemobilherstellern, die jetzt hoffnungsvoll meinen, in den Zielgruppen, die sich für die Reisemobile mit Preisen zwischen 50 000 Euro und 100 000 Euro bewegen, spielen die 1500 Euro oder 3000 Euro zusätzliche Steuer selten eine Rolle, wenn es um den Kauf von Zubehör geht. Freizeit ist eben vielen teuer. (ar/Sm)
Von Peter Schwerdtmann